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„Wir müssen überall mit der Wiedervernässung anfangen“

Diese nassen, düsteren Orte haben sie früher nicht interessiert. Dann aber, im Studium der Landschaftsökologie und des Naturschutzes kamen die Moore in ihre Welt. „Ich war in Sibirien und habe diese riesigen Naturräume gesehen, das hat mich fasziniert“, sagt Dr. Franziska Tanneberger, Leiterin des Greifswald Moor Centrums.

„Wir müssen überall mit der Wiedervernässung anfangen“

Dr. Franziska Tanneberger

Diese nassen, düsteren Orte haben sie früher nicht interessiert. Dann aber, im Studium der Landschaftsökologie und des Naturschutzes kamen die Moore in ihre Welt. „Ich war in Sibirien und habe diese riesigen Naturräume gesehen, das hat mich fasziniert“, sagt Dr. Franziska Tanneberger, Leiterin des Greifswald Moor Centrums. „In Deutschland hingegen sieht man nur wenige naturnahe Moore – das beeinflusst meiner Meinung auch, wie wir sie wahrnehmen und verstehen.“ Was ist das also genau, ein Moor? „Das Hauptkriterium ist die Torfschicht, also ein besonderer Boden unter Wiesen oder Wäldern. Bei Mooren werden Pflanzenreste als Torf im Boden gespeichert, eine Schlüsselfunktion hat hier das Wasser.“

Kaum noch natürliche Moore.

Hierzulande gibt es durchaus noch naturnahe Moore, so im Murnauer Moos oder am Federseer Ried, doch ein Großteil der Moore ist trockengelegt. „Nur noch zwei Prozent der Moorfläche sind in natürlichem Zustand“, erklärt Tanneberger. „Weltweit sind etwa 15 Prozent der Moore entwässert, jedes Jahr gehen hier noch immer 500.000 Hektar verloren. In der EU ist etwa die Hälfte der Moore nicht mehr in nassem Zustand.“ Das ist zum einen ein Verlust für die Biodiversität. „Die Moor-Biodiversität ist stark zurückgegangen und sie lässt sich durch Wiedervernässung auch nur teilweise zurückgewinnen. Die Entwässerung führt auch zu irreversiblen Schäden.“ Gleichzeitig haben Moore die für den Klimaschutz wichtige Funktion, Kohlendioxid aufzunehmen und Kohlenstoff einzulagern. Dies hat sie stärker in den Fokus der Politik gerückt – wie sich etwa an der Nationalen Moorschutzstrategie zeigt.

Eine Geschichte der Moore.

Deutschland hat seine Moore sehr effizient trockengelegt. Ursache hierfür ist aus Sicht der Wissenschaftlerin zum einen eine Landwirtschaft, die ihren Ursprung in Trockengebieten hat. „Unser Getreide etwa würde nicht auf nassen Böden wachsen. Man hat es versäumt, auf Pflanzen zu setzen, die das können.“ Auch die langfristigen Folgen der Entwässerung habe man nicht im Blick gehabt. „In den ersten Jahren sind die Erträge sehr hoch. Doch mit der Zeit verliert man an Höhe, daher muss immer weiter entwässert werden, um das Land trocken zu halten – was wiederum beständig Energie kostet.“ Gleichzeitig wurde etwa in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die hohe Relevanz von Mooren für Natur- und Klimaschutz noch nicht erkannt – so seien etwa für Berlin ganze Moore verheizt worden, in Form von Torfbriketts. „Der eigentliche Todesstoß für die deutschen Moore kam aber nach dem Zweiten Weltkrieg, als für den wirtschaftlichen Aufschwung in Ost und West Flächen noch stärker trockengelegt wurden.“

Seit Ende der 1970er Jahre werden Moore in Deutschland nun wiedervernässt, zunächst für den Naturschutz. Maximal 100.000 Hektar wurden seither wiedervernässt. Nun braucht es jedoch bis 2045 mehr als 50.000 Hektar pro Jahr – also nahezu alle deutschen Moore. Die Klimaziele können laut Tanneberger nur dann erreicht werden, wenn die Kohlendioxidemissionen so weit wie möglich reduziert werden. Sonst bräuchte es weitere Senken zum Ausgleich. „Von einer so umfassenden Wiedervernässung sind wir noch sehr weit entfernt, aber es wurden wichtige Weichen gestellt. So können laut der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU, kurz GAP, nun Beihilfen für die so genannten Paludikulturen beantragt werden, die auf nassen Böden wachsen.“ In acht Regionen gebe es zudem Modellprojekte, die der Bund auch mit Blick auf die Wertschöpfungsketten über zehn Jahre fördert. „Wir müssen überall damit anfangen, denn die Wiedervernässung ist eine enorme Aufgabe, die kooperative Strukturen erfordert.“

Wieder nass gemacht.

Bei der Wiedervernässung wird in erster Linie die Entwässerung gestoppt. „Der Klimaschutzeffekt tritt dann unmittelbar ein – denn die Flächen verlieren kein CO2 mehr, was sie bislang tun“, sagt die Expertin. „Wie schnell die Moore dann wieder CO2 aufnehmen können, hängt etwa davon ab, ob es dort torfbildende Pflanzen gibt – so etwa Sauergräser, Schilf, Torfmoose oder Bäume wie die Schwarzerle.“ In manchen Landstrichen wird die Wiedervernässung eine große Herausforderung – so etwa dort, wo viele Siedlungen in den Mooren liegen, oder in jenen Gebieten, die durch starke Trockenheit gekennzeichnet sind, etwa im Süden Brandenburgs. „Hier gilt es, mit den Planer*innen und Wasserbauingenieur*innen ganz genau hinzuschauen und Lösungen zu finden. Es braucht zudem viel mehr Menschen, die sich damit beschäftigen und Expertise aufbauen – etwa im Rahmen einer Ausbildungsoffensive.“

Und was ist mit Methan?

Ein Klimagas, das neben CO2 eine wesentliche Rolle spielt, wenn es um Moore geht: Methan. Denn nach der Wiedervernässung wird dieses in den Feuchtgebieten frei – insbesondere bei hohen Wasserständen. „Wir haben hier die Wahl: Zeitweise Methan oder dauerhaft weiter CO2 freisetzen. Und wenn man den Effekt auf die Klimaerwärmung betrachtet, ist es besser, Methan in Kauf zu nehmen statt weiter CO2 freizusetzen. Zwar hat Methan eine stärkere Klimawirkung, es zerfällt in der Atmosphäre aber auch schnell.“ Nach fünf bis zehn Jahren bilde sich zudem oftmals eine moortypische Vegetationsdecke und die Methanemissionen gleichen wieder jenen natürlicher Moore.

Darüber hinaus gibt es Möglichkeiten, die Methanemissionen zu begrenzen. „Wir wissen heute, wie wir diese klein halten können. So ist es etwa wichtig, die Flächen vorher zu mähen, damit die Pflanzen nicht mit dem Wasser vergären“, sagt Dr. Franziska Tanneberger. „Darüber hinaus ist es etwa möglich, den Oberboden abzutragen – das ist allerdings sehr kostenintensiv.“ Weitere Ansätze, die Methanemissionen bei der Wiedervernässung zu verringern, liegen außerdem darin, moortypische Pflanzenarten zu fördern, möglichst nährstoffarmes Wasser zu verwenden und den Wasserstand schrittweise anzuheben. „Durch die Projekte zur Wiedervernässung lernen wir zudem sehr viel über die Methanemissionen – und können sie in Zukunft sicher noch wirksamer begrenzen.“

Dr. Franziska Tanneberger hat Landschaftsökologie und Naturschutz studiert, ihr Schwerpunkt lag dabei auf Moorökologie und internationalem Naturschutz. Anschließend war sie unter anderem als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Greifswald und am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) tätig. Darüber hinaus übernahm sie freiberufliche Aufträge unter anderem für das Landesumweltamt Brandenburg sowie den NABU Brandenburg. Seit 2015 leitet sie das Greifswald Moor Centrum. Im Zentrum ihrer Forschung stehen unter anderem die Verbreitung und der Zustand von Mooren in Europa sowie wiedernässte Moore und ihre Ökosystemleistungen. Zu diesen Themen hat Dr. Franziska Tanneberger im Januar 2023 ihre Habilitation abgeschlossen. Darüber hinaus hat die Wissenschaftlerin 2023 gemeinsam mit der Journalistin Vera Schroeder das Buch „Das Moor. Über eine faszinierende Welt zwischen Wasser und Land und warum sie für unser Klima so wichtig ist“ veröffentlicht.

Weitere Informationen auf externen Websites

Website des Greifswald Moor Centrum

Buch „Das Moor. Über eine faszinierende Welt zwischen Wasser und Land – und warum sie für unser Klima so wichtig ist“

Faktenpapier auf der Website des Greifswald Moor Centrums „Die Rolle von Methan bei Moor-Wiedervernässung“

Themenseite zur Nationalen Moorschutzstrategie der Bundesregierung

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