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#CircularEconomy_4: Umgang mit komplexen Lieferketten und Produkten

Circular Business Models sind effektiv, wenn sie sich innerhalb kurzer und bekannter Lieferketten bewegen. Es ist eine Sisyphus-Aufgabe, die durch Kontamination von Produkten verursache Komplexität in nicht-toxischen Stoffkreisläufen zu managen.

Fünf streitbare Hypothesen zur #CircularEconomy haben Clara Löw und Siddharth Prakash schon präsentiert, nun folgen dir beiden letzten, Nummer 6 und 7.  Die beiden Forschenden werfen darin Fragen auf, die sie in ihrer Gruppe am Öko-Institut hinter den Kulissen diskutieren. Die Blogreihe gibt im Laufe des Jahres Einblicke in die – zum Teil kontrovers geführten – Debatten zur Kreislaufwirtschaft.

Hypothese 6

Circular Business Models sind effektiv, wenn sie sich innerhalb kurzer und bekannter Lieferketten bewegen

Wie eine Wertschöpfungskette gemanagt und logistisch gestaltet wird, hat wichtige Auswirkungen auf die Umweltbelastung eines Produktes. In diesem Zusammenhang ist die Qualitätskontrolle und die Überwachung der Lieferkette mit gut bekannten Zulieferern deutlich einfacher. Je weniger Zulieferer, desto besser können diese kontrolliert werden, was besonders auf großen, volatilen Märkten wichtig ist.

Zum Beispiel: Momentan unterstützt ein Forschungsteam des Öko-Instituts verschiedene Länder in Südostasien, Politikmaßnahmen zur Reduzierung von Einwegplastik umzusetzen. Dafür kommen unterschiedliche Ansätze in Frage, wie Designanforderungen an Verpackungen für verbessertes Recycling oder die Förderung des Marktes für rezyklierte Kunststoffe. Der Anteil an recyceltem Kunststoff in Verpackungen ist aufgrund der höheren Kosten für recyceltes Material, bestehender Subventionen für Primärkunststoffe und möglicher Verunreinigungen weiterhin sehr gering.

Die Forschenden betonen immer wieder, dass Maßnahmen nur effektiv sein können, wenn sie im jeweiligen Kontext des heimischen Recyclingmarktes eingeführt werden. Ein Beispiel ist es, eine Quote für den Anteil eines Rezyklats in einem Produkt vorzugeben: Idealerweise würde eine erhöhte Nachfrage nach rezykliertem Plastik verbessertes Sammeln und Sortieren in der heimischen Wirtschaft auslösen. Wenn das Ziel aber nur durch gut sortiertes, importiertes Plastik erreicht wird, wird das Ziel die Vermüllung der Umwelt zu vermeiden vor Ort verfehlt.

Mehrweglösungen brauchen ein Umdenken

Auch gestaltet sich der Transport von Waren und Abfall zu und von den Verbraucherinnen und Verbrauchern oft ineffizient: Man nehme nur das Beispiel von Zustelldiensten im europäischen Kontext. Verpackungsmaterial wird in großem Umfang an Kunden und Kundinnen verteilt und zu einem späteren Zeitpunkt wieder von Abfallentsorgungsdienstleistern eingesammelt.

Wäre es nicht am effizientesten, wenn zum Beispiel Lebensmittel-Lieferdienster wiederverwendbare Verpackungen benutzen und die Lebensmittelboxen und Pizzakartons beim erneuten Liefern wieder einsammeln würden? Die Vorteile wären unter anderem weniger Transporte, weniger Ressourcenverbrauch. Um solch ein System umzusetzen, müsste allerdings mehr Zusammenarbeit und Informationsaustausch stattfinden.

Kurze Wertschöpfungsketten mit zuverlässigen Partnern

Wenn wir uns also einig sind, dass sich zirkuläre Wirtschaftsmodelle in kurzen Wertschöpfungsketten am besten umsetzen lassen, stellen sich Fragen in zwei Bereichen:

Erstens, befänden wir uns nicht dann auf dem Weg hin zu einem breitgefächerten Logistiksystem, dass nicht nur die Weitergabe von Waren, sondern auch eines ganzen Bündels an Informationen über Konformität, Rückverfolgbarkeit und Herkunft von Materialien, inklusive Rücknahmelogistik erfordert? In weitaus größerem Umfang als heute?

Weitere offene Fragen wären: Wie gliedern sich regionale Wertschöpfungsketten in die Globalisierung ein? Laufen sie parallel oder müssen sie von der Politik gegen Globalisierungsprozesse geschützt werden? Wie wäre eine solche Politik innerhalb der Regeln für den Welthandel zu verorten? Ist die Lösung, dass jedes Land seine eigene Kreislaufwirtschaft etabliert?

Hypothese 7

Es ist eine Sisyphus-Aufgabe, die durch Kontamination von Produkten verursache Komplexität in nicht-toxischen Stoffkreisläufen zu managen.

Es gibt zwei Tendenzen, die sich gegenüberstehen: Auf der einen Seite werden immer komplexere Produkte auf den Markt gebracht, die verschiedenste zusätzliche komplexe Additive enthalten, um sehr spezielle Funktionen in einer sehr kurzen Zeitspanne zu erfüllen. Je mehr Produkte es gibt, desto komplizierter wird es, die Materialkreisläufe voneinander zu trennen. Zum heutigen Zeitpunkt entstehen Innovationen im Bereich Recycling nicht so schnell, dass sie mit neuen Produkten mithalten und diese Komplexität effektiv meistern können.

Auf der anderen Seite müssen Maßnahmen der Kreislaufwirtschaft realistisch gesehen in vielen Fällen zu einer Reduktion der Komplexität führen, um die gewünschte Langlebigkeit, leichte Trennbarkeit, Reparaturfähigkeit und bessere Recyclingfähigkeit zu erreichen. Dies beinhaltet den Ausstieg aus dem Einsatz schädlicher Chemikalien, damit rezyklierte Stoffe ein attraktiver Ersatz für Primärressourcen werden können.

Beispiel Elektro- und Elektronikgeräte

Ein Beispiel sind bestimmte Bestandteile von Elektro- und Elektronikgeräten, die Flammschutzmittel enthalten: Heute werden (nicht bromierte) organische und anorganische Flammschutzmittel für eine höhere Effektivität gemischt (Qian et al. (2014) MatChemPhys 143, 3, 1243ff). Welche Herstellungsverfahren würden rezyklierte Kunststoffe einsetzen, wenn solche Mischungen unbekannte Reaktionsprodukte beim Recyclingprozess verursachen und die Qualität des Produkts negativ beeinflussen könnten? Potenziell verunreinigte rezyklierte Stoffe werden deshalb ausschließlich für spezifische Anwendungen benutzt, bei denen bestimmte Schadstoffe und Störsubstanzen weniger problematisch sind. Es wird nötig werden, genauer zwischen verschiedenen rezyklierten Materialströmen für verschiedene Anwendungen zu unterscheiden.

Beispiel Möbel

Oder ein anderes Beispiel: Manche Leute richten ihre Wohnung im Vintage-Stil mit alten Möbeln ein, zum Beispiel aus der Haushaltsauflösung von Familienmitgliedern. Lack und Farbe solcher Möbel können allerdings Schwermetalle wie Blei enthalten, was früher nicht verboten war, heute aber schon. Schwermetalle in Innenraumluft oder -staub können ernsthafte gesundheitliche Auswirkungen haben. Bedeutet das das Ende für alte, lackierte Möbel, und jeder müsste neue Schränke und Regale kaufen? Doch das wäre nicht im Sinne der Kreislaufwirtschaft. Wie lässt sich der Kreislauf-Trend der Komplexität von Produkten und der Kontamination von rezyklierten Stoffen auf der anderen Seite unter einen Hut bringen?

Unsere gegenwärtige Annahme:

Manche Sektoren, wie der Verpackungssektor, werden Materialien sehr stark vereinfachen und reduzieren müssen. Die Nutzung von schädlichen Chemikalien muss schnellstmöglich beendet werden. Und was komplexe Produkte angeht, wie Elektro- und Elektronikgeräte, müssen Wiederverwendungs-, Reparatur- und Recyclingzentren mit finanziellen wie personellen Ressourcen sowie Wissen ausgestattet werden. Zusätzlich werden diese Dienstleistungen eine hohe Wertschätzung durch die Gesellschaft benötigen. Die Organisation und Verantwortung von alldem ist allerdings derzeit unklar.

Die Kreislaufwirtschaft und zirkuläre Geschäftsmodelle scheinen in aller Munde. Es ist ein allgemeiner Konsens, dass die circular economy eine äußerst wichtige Rolle spielt, wenn globale Umweltbelastungen reduziert und Klimaschutzziele erreicht werden sollen. In der Blog-Reihe #CircularEconomy hinterfragen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Öko-Instituts die Entwicklung und die Potenziale zirkulärer Geschäftsmodelle kritisch. Und sie präsentieren Vorschläge, wie die Kreislaufwirtschaft tatsächlich einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann.

Clara Löw und Siddharth Prakash forschen zu nachhaltigen Materialien, Produkten und Konsummustern im Institutsbereich „Produkte & Stoffströme“ in Freiburg.

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