Nicht nur eine Frage des Geldes

samael334 @istock.com
Christiane Weihe
Klimaschutz erfordert Handeln. Für viele Menschen heißt das: Sie müssen Geld aufbringen – und sie haben Sorge, dass das nicht geht. Zusätzlich sind entsprechende Maßnahmen oftmals umständlich. Sie verändern das Gewohnte und bringen bei der Umsetzung Baustellen mit sich – im Haus, auf der Schiene oder der Straße. Darüber hinaus betrifft Klimaschutz nicht alle gleichermaßen. Nicht alle können handeln, etwa wenn sie von Entscheidungen ihrer Vermieter*innen abhängig sind Nichthandeln führt jedoch zu viel höheren Kosten. Daher muss Klimaschutz sozial umgesetzt werden und alle sollen teilhaben können. Darauf hat die EU in verschiedenen Regularien ein besonderes Augenmerk gelegt und auch in Deutschland steht sozialer Klimaschutz nun im Fokus.
Was bedeutet das eigentlich – sozialer Klimaschutz? Worauf müssen wir achten, damit der Klimaschutz fair und sozial gerecht erfolgt? Welche Akteur*innen sind gefragt und in welchen Dimensionen müssen wir handeln? „Viele Menschen verbinden die soziale Frage vorrangig mit dem Finanziellen. Und die Frage, was das alles kostet und ob man es sich leisten kann, ist natürlich auch eine zentrale. Doch es gibt weitere wichtige Gerechtigkeitsfragen, so zum Beispiel: Kann ich überhaupt etwas tun, wenn ich zur Miete wohne? Wie gut ist mein Zugang zu Mobilität und komme ich zu wichtigen Orten wie zum Arzt oder Supermarkt? Oder: Wird meine Gesundheit durch mangelnden Klimaschutz beeinträchtigt, etwa weil ich an einer vielbefahrenen Straße wohne?“, erklärt Dr. Katja Schumacher, stellvertretende Leiterin des Bereichs Energie & Klimaschutz. In der Studie „Eckpunkte einer sozialen Umwelt- und Klimapolitik“, die das Öko-Institut gemeinsam mit dem Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) und dem Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) umgesetzt hat, heben die Wissenschaftler*innen diese und weitere Aspekte einer gerechten Umwelt- und Klimapolitik hervor. Darüber hinaus sollte es allen Menschen ermöglicht werden, klimafreundliche Investitionen oder Verhaltensweisen umzusetzen und dann auch davon zu profitieren – man denke etwa an Balkonkraftwerke. „Jene, die besonders belastet sind, sollten zudem besonders geschützt und unterstützt werden. Das bezieht sich nicht nur auf jene, die wenig Einkommen haben, sondern etwa auch auf ältere Menschen, die nicht mehr so beweglich sind, oder Alleinerziehende, die sehr viele Aufgaben gleichzeitig stemmen müssen“, so Schumacher. (Zu konkreten Instrumenten für soziale Energie- und Klimapolitik siehe ausführlich Artikel „1, 2 oder 3?“ auf Seite 8.)
Darüber hinaus sieht Katja Schumacher vor allem diejenigen Bürger*innen in der Pflicht, sich für den Klimaschutz zu engagieren, die einen hohen Anteil an den Treibhausgasemissionen haben. Zumeist haben diese ein gutes Einkommen und können sich klimafreundliche Alternativen wie ein Elektroauto, eine Wärmepumpe oder Bioprodukte leisten. „Menschen, die sich wenig Gedanken ums Geld machen müssen, reagieren auf Preissteigerungen, wie zum Beispiel durch den CO2-Preis, nur bedingt. Hier braucht es weitere Ansätze, die die Vorteile des Klimaschutzes in den Mittelpunkt stellen – so etwa den Pioniergedanken bei innovativen Klimaschutztechnologien, die Unabhängigkeit bei der Eigenversorgung etwa durch eine Wärmepumpe oder die erhöhte Einbruchsicherheit von Immobilien durch Mehrfachverglasung, die gleichzeitig eine gute Wärmedämmung bringt.“ Zentral ist es für die Expertin zudem, schon bei der Einführung von Klimaschutzmaßnahmen deren soziale Folgen zu untersuchen und sicherzustellen, dass sie sozial gerecht ausgestaltet sind oder in Verbindung mit sozialpolitischer Unterstützung eingeführt werden. Derzeit entwickeln die Wissenschaftler*innen des Öko-Instituts gemeinsam mit dem Forschungszentrum Ungleichheit und Sozialpolitik (SOCIUM) für das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) ein Konzept für ein „Sozialmonitoring Klimaschutz“ und erproben dieses. „Ganz konkret heißt das: Wir widmen uns Möglichkeiten und Grenzen eines solchen Sozialmonitorings. Hierfür analysieren wir unterschiedliche Wirkungskategorien – so etwa mit Blick auf das Einkommen und Vermögen, den Zugang zu bezahlbarem Wohnraum, Gesundheit oder die Teilhabe am Klimaschutz – und entwickeln für jede dieser Kategorien Indikatoren.“ Darüber hinaus überprüft das Projektteam sein Konzept anhand schon bestehender Klimaschutzmaßnahmen.
Europäische Grundlage
„Dass in Deutschland sozialer Klimaschutz ins Bewusstsein von Politik und Gesellschaft gerückt ist, ist vor allem der EU zu verdanken. Denn sie bringt die Mitgliedstaaten dazu, aktiv zu werden – etwa über die Energieeffizienz-Richtlinie“, sagt Schumacher. „Diese legt fest, dass von Energiearmut betroffene Menschen besonders von Effizienzmaßnahmen profitieren sollen und fordert Maßnahmen der Mitgliedstaaten, um Energiearmut zu bekämpfen.“ Auch die EU-Gebäuderichtlinie legt einen besonderen Fokus auf schutzbedürftige Menschen. „Darin werden Maßnahmen für jene priorisiert, die in den energetisch schlechtesten Gebäuden wohnen.“
Klima, sozial
Im Zuge der Einführung eines neuen EU-weiten Emissionshandels für Gebäude und Straßenverkehr wird zudem ab 2026 der so genannte Klima-Sozialfonds eingerichtet, der besonders betroffene Haushalte und Kleinstunternehmen bei der Umstellung auf klimafreundliche Alternativen oder Verhaltensweisen unterstützen und finanzielle Belastungen durch die CO2-Bepreisung abfedern soll. „Ein Teil des Geldes, das mit dem Verkauf von Zertifikaten aus dem Emissionshandel eingenommen wird, fließt in diesen Fonds und wird dann auf die Mitgliedstaaten verteilt. Diese erstellen derzeit Klima-Sozialpläne mit konkreten Ideen für Maßnahmen und Investitionen in dieser Zielgruppe.“ In mehreren Projekten ist hier auch das Öko-Institut aktiv. Es berät zum Beispiel das BMWK im Rahmen des Projektes „Wissenschaftliche Unterstützung Klimapolitik und Maßnahmenprogramm“ gemeinsam mit dem Fraunhofer-ISI mit Blick auf die Erstellung des deutschen Klima-Sozialplans. „Wir identifizieren und quantifizieren hierfür vulnerable Gruppen und analysieren die möglichen Belastungswirkungen durch die CO2-Bepreisung.“
In einem weiteren Projekt für die Generaldirektion Reform der EU begleitet ein Projektkonsortium unter Leitung des niederländischen Beratungsunternehmens Trinomics, zu dem auch das Öko-Institut gehört, neun Mitgliedstaaten bei der Erstellung ihrer Klima-Sozialpläne – darunter Belgien, die Slowakei und Tschechien. „Auch hier geht es zunächst darum, die vulnerablen Gruppen zu identifizieren – dazu können auch Kleinstunternehmen gehören – und eine Datengrundlage über die bestehende Energie- und Mobilitätsarmut zu schaffen“, so Nelly Unger, Wissenschaftlerin am Öko-Institut. „In einem nächsten Schritt geht es darum herauszufinden, welche Maßnahmen sich für die Unterstützung eignen. Das können etwa sozial gestaffelte Förderungen für Gebäudesanierungen oder soziale Tickets für den öffentlichen Nahverkehr sein.“ Das Öko-Institut wird zudem analysieren, wie sich solche Maßnahmen konkret auf die vulnerablen Gruppen auswirken. „Klimaschutz nutzt allen und verhindert hohe Kosten in der Zukunft“, sagt Katja Schumacher, „wir müssen aber dafür sorgen, dass bei seiner Umsetzung nicht jene unter die Räder kommen, die es sowieso schon schwer genug haben.“
Ansprechpartnerinnen am Öko-Institut
Weitere Informationen
Themenseite: Gerechte Transformation
Pressemitteilung: Klimaschutz sozial gestalten!
Schwerpunkt: Soziale Energiewende
Schwerpunkt: Soziale Wärmewende
Website: Soziale Aspekte und Klimaschutz beim Wohnen
Schwerpunkt: Soziale Mobilitätswende
Projektseite: Sozialmonitoring Klimaschutz – Vom Monitoring sozialer Wirkungen zur Folgenabschätzung
eco@work, Ausgabe September 2021: Ökologisch, gemeinsam und gerecht. Transformation sozial gestalten
Spendenaufruf: Gemeinsam für eine sozial gerechte Energie- und Verkehrswende
Podcast „Wenden bitte!“, Episode 5: Wie sozial kann die Energiewende sein?
Podcast „Wenden bitte!“, Episode 28: Können wir uns Energie und Mobilität noch leisten?