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Wie gewinnt die Nachhaltigkeit?

Lena Bernheine, Wissenschaftlerin an der Deutschen Sporthochschule Köln, will Events ökologisch vertretbar, sozial gerecht und ökonomisch tragfähig machen.

Wer ist sie?

Auf jeden Fall: ein Sportfan. „Schon als Kind habe ich bei den Olympischen Spielen mitgefiebert.“ Bis heute ist es ihr fast egal, welche Sportart sie besucht. „Ich mag das Gemeinschaftsgefühl bei solchen Veranstaltungen. Alle fiebern mit, freuen sich, erleben aber auch Misserfolge und gehen damit um. Es ist schön, dort Menschen zu begegnen und zu sehen, wie sie sich für andere freuen können.“ Nach dem Lieblingsevent gefragt, sagt sie: Beachvolleyball. Auch die Olympischen Spiele verfolgt sie bis heute. „Das Schöne daran ist doch: Man trifft auf Sportarten, mit denen man sich sonst nicht beschäftigen würde – zum Beispiel Curling oder Badminton.“

Sie ist aber auch: eine Wissenschaftlerin. Noch bis 2026 promoviert Lena Bernheine an der Deutschen Sporthochschule Köln. Sie widmet sich der Frage, wie sich das Nachhaltigkeitsmanagement im organisierten Sport verbessern und professionalisieren lässt.

Konkret geht es darum, kritische Erfolgsfaktoren des Nachhaltigkeitsmanagements bei Sportevents zu identifizieren und zu priorisieren. Mögliche kritische Erfolgsfaktoren könnten das Know-how der Mitarbeitenden, die intrinsische Motivation der Stakeholder*innen oder auch die Finanzierung der Nachhaltigkeitsleistungen sein. Hierfür führe ich unter anderem Interviews mit Expert*innen durch. Ziel ist es auch, die Wirkungsketten zu verstehen.
Lena Bernheine

Darüber hinaus will die Wissenschaftlerin Handlungsempfehlungen für verschiedene Stakeholder*innen entwickeln – für Teilnehmer*innen ebenso wie für die Politik und Verbände.

Sie ist nicht zuletzt: eine Frau mit viel Praxiserfahrung. Bei den European Championships 2022 war Lena Bernheine als Head of Sustainability tätig. Sie war verantwortlich für die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie, die Festlegung von Zielen, die Definition von Maßnahmen und deren Umsetzung sowie die Evaluation dieser Arbeit.

Wo steht die Nachhaltigkeit im Sport?

Bei einer Umfrage bei einem Symposium sei genau diese Frage gestellt worden. Die Anwesenden gaben dem Sport eine glatte Drei. „Das sollte natürlich besser sein. Bislang aber kocht jede Sportart noch ihr eigenes Süppchen. Nachhaltigkeit muss gemeinsamer gedacht, als Teamsport verstanden werden." Schließlich gibt es viele Themen, die auch sportartenübergreifend behandelt werden können – wie etwa die Wasserversorgung der Athlet*innen. „Gleichzeitig ist in den vergangenen paar Jahren sehr viel passiert, überall werden erste Schritte gegangen. Fußballvereine schaffen Stellen für Nachhaltigkeitsmanager*innen.“

Wie funktioniert es in der Praxis?

„Für die European Championships haben wir zahlreiche Nachhaltigkeitsmaßnahmen entwickelt. Nach einer Machbarkeitsprüfung mit Blick auf die Kosten und die Durchführbarkeit haben wir eine Vielzahl davon umgesetzt.“

Thema: Wasser

„Wir wollten Wasserspender installieren, um Getränkeverpackungen zu vermeiden. Leider gab es hier viel Widerstand: Cateringunternehmen wollten keine Einnahmen einbüßen, die Security befürchtete, dass nachfüllbare Flaschen zu Wurfobjekten werden, der Sponsor wollte sein eigenes Wasser vermarkten.“ Schlussendlich konnten die Wasserspender zumindest im Non Public-Bereich eingesetzt werden – eine sechsstellige Zahl von Wasserflaschen wurde so vermieden. „Aus solchen Herausforderungen lernt man, weil man Lösungsansätze finden muss. Diese sollten wir sammeln und öffentlich zugänglich machen. Denn viele stehen vor ähnlichen Herausforderungen, wissen nicht, wie sie ihre Veranstaltung nachhaltiger machen sollen. In Zukunft würde ich zum Beispiel das Thema Wasserspender schon im Vertrag mit dem Cateringunternehmen berücksichtigen.“

Thema: Lebensmittelverschwendung

Ziel war es, Food Waste so weit wie möglich zu vermeiden. Alles, was nicht angebrochen ist und das Mindesthaltbarkeitsdatum nicht überschritten hat, an die Tafeln und alle anderen Lebensmittelreste an Foodsharing weiterzugeben. „Auch das war am Anfang schwierig, weil viele Cateringunternehmen Sorge hatten, dass sie zur Verantwortung gezogen werden, wenn die Lebensmittel nicht mehr gut sind.“ Eine Tonne Lebensmittel wurden weitergegeben. „Und dennoch ist eine erschreckend hohe Menge Essensreste im Müll gelandet.“

Thema: Materialeinsparung

Ein Thema, das Lena Bernheine besonders wichtig ist, ist die Weitergabe von Branding-Materialien – und damit die Einsparung von Ressourcen. Hier hat sie besonders viel Zeit investiert, denn das Material wurde nicht nur an Werkstätten weitergegeben, sondern auch an Privatpersonen. „So haben etwa Bäuer*innen und Forstwirt*innen PVC-Planen genommen, um damit ihre Ernte oder Holz abzudecken. Wir haben zudem Moltonstoff an Theater abgegeben.“ Insgesamt 80 Prozent der Materialien konnten so wiederverwendet werden. „Das war eine sehr kleinteilige Aufgabe, aber auch eine, die mich sehr stolz gemacht hat, weil wir gesehen haben, dass sich die Mühe lohnt.“

Thema: Mobilität

Die Anreise von Besucher*innen und Athlet*innen ist bei Sportgroßveranstaltungen ein wesentlicher, wenn nicht der wesentliche Faktor für die Nachhaltigkeitsbilanz. Bei den European Championships war die Eintrittskarte daher auch ein Kombiticket, mit dem man kostenlos den ÖPNV nutzen konnte. „Wir sind allerdings leider daran gescheitert, so etwas auch für den Fernverkehr umzusetzen. Hier sollte die Politik aus meiner Sicht deutlich aktiver werden.“

Und last, aber bei Weitem nicht least: Soziale Nachhaltigkeit

Ein großes Augenmerk legt Lena Bernheine auf soziale Nachhaltigkeit, auf Inklusion und Barrierefreiheit. „Wir haben zum Beispiel viele Veranstaltungen kostenlos durchgeführt, damit auch einkommensschwächere Menschen daran teilnehmen können.“ Darüber hinaus gab es für jede Medaillenentscheidung eine Audiodeskription, die Website war in Leichter Sprache verfasst, Gebärdendolmetscher*innen kamen zum Einsatz. „Dies dient auch der Bewusstseinsbildung jener, die selbst nicht betroffen sind.“ Darüber hinaus wurden mobile Höranlagen für Menschen mit Hörgeräten oder Hörimplantaten installiert, damit diese auch bei einer lauten Geräuschkulisse die Stadionsprecher*innen höheren konnten. Im Fokus stand zudem die räumliche Barrierefreiheit. „Der Austragungsort der Ruderregatta war zum Beispiel nicht mit dem Auto erreichbar. Volunteers mit Elektro-Lastenrädern haben Menschen mit Rollstühlen dann transportiert.“ Ein Einsatz, der sich auf jeden Fall gelohnt hat. Denn die Evaluation nach der Veranstaltung zeigte hohe Zufriedenheitswerte bei Menschen mit Behinderungen.“

Lena Bernheine hat einen Master in Sports, Business and Law / Sportökonomie der Universität Bayreuth. Derzeit promoviert sie an der Deutschen Sporthochschule Köln im Institut für Outdoor Sport und Umweltforschung I Nachhaltige Sportgroßveranstaltungen. Sie widmet sich dabei der Verbesserung und Professionalisierung des Nachhaltigkeitsmanagements im Kontext von Sportveranstaltungen. Konkret geht es darum, kritische Erfolgsfaktoren im Sportmanagement zu identifizieren und Wirkungsketten zu analysieren. Darüber hinaus hat Bernheine bereits praktische Erfahrungen bei der Durchführung von nachhaltigen Sportveranstaltungen gesammelt. So war sie als Head of Sustainability bei den European Championships Munich 2022 tätig. Hier war sie verantwortlich für die Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie mit entsprechenden Zielen, die Definition und Umsetzung von Maßnahmen sowie die Evaluation.

 

Weitere Informationen

Institut für Outdoor Sport und Umweltforschung auf der Website der Deutschen Sporthochschule Köln

 

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