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„Ermuntern, unterstützen, aber nicht überfordern“

Wie soziale Nachhaltigkeit zusammen mit Umweltschutz gelebt werden kann, erklärt Dorothee Starke im Blog. Sie ist Kulturamtsleiterin in Bremerhaven und zudem Präsidentin der Interessengemeinschaft der Städte mit Theatergastspielen.

Dorothee Starke, Kulturamtsleiterin Bremerhaven

Kein Wegwerfgeschirr. Komposttoiletten. Bio-Essen. Wenn sie in Bremerhaven eine Veranstaltung organisieren, versuchen die Verantwortlichen aus dem Kulturamt, möglichst nachhaltig zu sein. „Dazu gehört auch, Auftrittsmöglichkeiten für Kulturschaffende aus der Region zu ermöglichen und so lange Anreisen zu vermeiden“, sagt die Leiterin des Kulturamts, Dorothee Starke. Auch die soziale Nachhaltigkeit spielt in Bremerhaven eine wichtige Rolle. „Wir arbeiten zum Beispiel mit dem Inklusionsnetzwerk zusammen und planen eine gemeinsame Infoveranstaltung, um deutlich zu machen, dass es häufig schon kleine Maßnahmen sind, die Menschen mit Beeinträchtigungen das Leben erleichtern. Wie etwa eine Klingel am Eingang der Galerie oder des Zimmertheaters, mit deren Hilfe Unterstützung angefordert wird statt großer Umbaumaßnahmen.“

Nachhaltigkeit in Zeiten sinkender Etats

Das Kulturamt Bremerhaven arbeitet eng mit Veranstalter*innen zusammen, informiert etwa zu einzelnen Nachhaltigkeitsthemen. „Wir helfen auch bei konkreten Rückfragen. Wichtig ist es uns dabei, zu ermuntern und zu unterstützen – aber auch, niemanden zu überfordern. Nachhaltigkeit wird oft als große Herausforderung betrachtet und das ist sie ja auch.“ Noch größer wird die Herausforderung in Zeiten knapper kommunaler Kassen. „Teilweise werden in den Kommunen die Etats gekürzt. Gleichzeitig steigen die Gagen aufgrund der Inflation und steigender Preise und Energiekosten. Da tut sich eine Schere auf, die uns Sorgen macht.“ Daher sei Kompromissbereitschaft sehr wichtig. „Wenn Veranstalter*innen sagen, sie schaffen keine 100 Prozent Nachhaltigkeit, aber zumindest 70, dann ergibt es keinen Sinn, sich zu verbeißen.“

Eine Brücke schlagen

Dorothee Starke kommt selbst aus der Kulturszene, hat 25 Jahre lang an unterschiedlichen Theatern gearbeitet und wechselte 2016 ins Kulturamt. „Ich fand es sehr spannend, mit meiner Erfahrung in die Verwaltung zu gehen. Und kann nur jeder Verwaltung empfehlen, sich Praktiker*innen zu holen. Denn oft können wir leichter einen Kontakt mit der Kulturszene herstellen, wir sprechen dieselbe Sprache und so gibt es weniger Schwellenängste.“ Gleichzeitig sei es für sie durchaus eine Herausforderung gewesen, sich in den Strukturen der Verwaltung zurechtzufinden. „Ich habe aber wunderbare Kolleginnen, die mir dabei helfen.“ Ob sie sich vorstellen kann, irgendwann zurück in die Kultur zu gehen und wieder an einem Theater zu arbeiten? „Auf jeden Fall, wenn es passt. Ich mag dieses direkte Feedback des Publikums, wenn man sofort spürt, dass man einen guten Job gemacht hat – oder auch nicht. Außerdem weiß ich jetzt, wie die Verwaltung funktioniert – und könnte zum Beispiel mit Absagen besser umgehen, weil ich weiß, welche Zwänge mitunter dahinterstecken.“

Logistische Meisterleitung Nachhaltigkeit

Neben ihrer Aufgabe als Kulturamtsleiterin ist Dorothee Starke zudem als Präsidentin der Interessengemeinschaft der Städte mit Theatergastspielen (INTHEGA) tätig. Die rund 400 Mitglieder sind Gastspielhäuser und Kommunen aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Nach den Erfahrungen der Corona-Pandemie hat die INTHEGA seit 2023 auch Produzent*innen unter ihrem Dach in einem „Forum der Anbieter“ versammelt. Auch hier ist Nachhaltigkeit natürlich ein großes Thema – so etwa bei der Tourplanung. „Aktuell widmen wir uns zum Beispiel der Frage, wie sich vermeiden lässt, dass Gastspiele kreuz und quer durch die Republik fahren und dabei unnötige Strecken zurücklegen. Dies könnte durch digitale Tools oder sogar künstliche Intelligenz gelingen.“ Gleichzeitig sei eine möglichst emissionsarme Tour eine riesige Herausforderung. „Das Korsett, in dem die Gastspiele stecken, ist mitunter sehr eng. Es gibt Abonnements, die an Wochentage gebunden sind. Tage, an denen nicht gespielt werden kann, weil die Häuser für andere Veranstaltungen freigehalten werden. Und dazu noch sehr kurze Tourzeiträume. Es ist schwer, das alles unter einen Hut zu bekommen.“

Eine weitere Herausforderung in Sachen Nachhaltigkeit ist das Equipment, das Produzent*innen für ihre Gastspiele benötigen – Kulissen, Scheinwerfer, Tonequipment, Tanzböden und so weiter – und das mit ihnen durch das Land reist. „Die INTHEGA hat die Vision, dass die Häuser ertüchtigt werden, eine Standardausstattung vorzuhalten. Das sollte in 90 Prozent der Gastspielhäuser ermöglicht werden. So kann das Gastspiel-Team einfach mit dem Zug und einem Koffer anreisen. Ich wünsche mir einen runden Tisch, bei dem sich Veranstalter*innen, Produzent*innen zusammensetzen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Einen Kompromiss finden zwischen künstlerischem Anspruch und jenem nach mehr Nachhaltigkeit.“

Die Nacht der Lichter

Doch noch mal zurück nach Bremerhaven. Besonders stolz, sagt Starke, ist das Team des Kulturamts auf die Lichternacht, die im September stattgefunden hat. Im Gesundheitspark Speckenbüttel gab es eine künstlerische Lichtinstallation auf einem See sowie ein Familienprogramm mit Akrobatik und der Möglichkeit, selbst Lichtobjekte zu basteln. „Hier haben wir Nachhaltigkeit umfassend durchdekliniert. Etwa durch den Verzicht auf Knicklichter, regionales und biologisches Catering oder die weiträumige Absperrung des Geländes, so dass niemand auf die Idee kommt, mit dem Auto anzureisen.“

Wer übrigens denkt, dass eine Kulturamtsleiterin der Kultur irgendwann müde wird, der täuscht sich. Obwohl sie am Wochenende vor unserem Gespräch zwei Workshops, einen Vortrag, die Vorstellung eines Tanzensembles, ein Theaterfest und einen Bandauftritt  besucht beziehungsweise organisiert hat, war das Abendprogramm an ihrem freien Abend trotzdem ein klassisches Konzert.

Dorothee Starke hat Theaterwissenschaft und Germanistik studiert, anschließend nahm sie eine Stelle als Dramaturgin am Stadttheater Bremerhaven an. Sie war zudem unter anderem als Geschäftsführerin des Theaters am Fischereihafen sowie als Direktorin des Theaters Hameln tätig. Im Mai 2016 übernahm sie die Stelle als Leiterin des Kulturamts Bremerhaven im Magistrat der Stadt. Zusätzlich war Dorothee Starke Lehrbeauftragte für Sponsoring und Kulturfinanzierung an der Hochschule Bremen im 2022 geschlossenen Studiengang Kulturmanagement und ist seit 2019 Präsidentin der INTHEGA (Interessengemeinschaft der Städte mit Theatergastspielen e.V.), deren Vizepräsidentin sie zuvor sechs Jahre lang war.

Weitere Informationen auf externen Websites

Pressemitteilung „Kulturamtsleiterin Dorothee Starke als Präsidentin der INTHEGA wiedergewählt“

Website INTHEGA – Fachverband der Gastspielbranche

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