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Ökostromprodukte auf dem Prüfstand – welchen Beitrag leisten sie zum Klimaschutz?

Viele Anbieter von Ökostrom bewerben ihre Angebote mit den Vorteilen für Klimaschutz und Energiewende. Doch stimmen die Klimaschutzversprechen auch? Dominik Seebach hat die Produkte und deren Werbeversprechen untersucht und schlägt einen qualifizierten marktbasierten Ansatz zur Erstellung von Klimabilanzen vor.

Mit dem Instrument „Klimabilanz“ soll gegenüber Kund*innen, Investoren und der Öffentlichkeit deutlich gemacht werden, wie klimafreundlich ein Produkt oder ein Unternehmen ist, und welche Fortschritte bei der Vermeidung von Treibhausgas-Emissionen erreicht werden. Auch normale Bürger*innen können für sich Klimabilanzen erstellen, um ihren CO2-Fußabruck zu ermitteln und auf dieser Grundlage versuchen, ihren Lebensstil klimafreundlicher zu gestalten. Das Ergebnis der Klimabilanz hängt ganz entscheidend vom Energieverbrauch und von den hierfür anzulegenden Emissionsfaktoren für die einzelnen Energieträger ab.

Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden und muss dafür die Stromerzeugung komplett auf erneuerbare Energien umstellen. Der Anteil der erneuerbaren Stromerzeugung nimmt jedes Jahr zu. Ebenso steigt die Anzahl der Verbraucher*innen, die Ökostrom beziehen. In den letzten Jahren ist dieser Anteil von circa zehn auf etwa dreißig Prozent gestiegen.

Anbieter nutzen verschiedene Argumente, um Kund*innen für ihre Ökostromprodukte zu gewinnen. Die Verbraucher*innen müssen über die Umweltwirkung ihres Stroms informiert werden. Dabei verwenden die Anbieter unterschiedliche Aussagen zu den Auswirkungen von Treibhausgasen. Die entscheidende Frage hierbei ist: Haben die Produkte einen tatsächlichen Wert für die Energiewende und tragen sie damit auch zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen bei? Dabei muss man bedenken, dass für echten Klimaschutz neben dem Ausbau der Erneuerbaren Energien vor allem wichtig ist, dass der Endenenergieverbrauch möglichst reduziert wird.

Ökostromprodukte können dann einen wirksamen Beitrag zum Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung leisten, wenn sie die Nachfrage der Verbraucher*innen vor allem auf neue, nicht geförderte Anlagen fokussieren.

Marketingargumente für Öko-Stromprodukte

Die Anbieter konkurrieren also um Kund*innen auf dem freien Markt. Daher versuchen sie, diese mit unterschiedlichen Versprechen zu ködern. Beispielsweise mit Aussagen wie

  • Unser Ökostrom ist klimaneutral / CO2-frei.

  • Mit einem Wechsel zu (unserem) Ökostrom können Sie Ihren persönlichen CO2-Fußabdruck deutlich reduzieren.

  • Durch den Wechsel zu (unserem) Ökostrom können Sie ca. x kg CO2 im Jahr einsparen.

  • Durch den Wechsel zu (unserem) Ökostrom können Sie aktiv zum Klimaschutz beitragen.

Wichtig ist immer, die Aussagen zu hinterfragen: Motivieren sie Verbraucher*innen tatsächlich zu klimafreundlichen Entscheidungen, die einen Beitrag zur Energiewende leisten?

Wenn der Stromverbrauch in CO2-Emissionen übersetzt wird, kann diese Aussage mit zwei Wirkungen erfüllt werden:

  1. Der Energieverbrauch sinkt und damit auch der CO2-Ausstoß.

  2. Treibhausgasemissionen werden vermieden, wenn der gewählte Ökostrom zum Ausbau der erneuerbaren Energien beiträgt.

Warum diese Verkaufsargumente problematisch sind

Der vertragliche Bezug von Erneuerbaren-Strom wird mit sehr niedrigen oder sogar Null-Emissionen bewertet und lässt sich somit relativ einfach als „klimaneutral“ bewerben.

Es stimmt zwar, dass bei der Erzeugung dieses Stroms, der vertraglich bezogen wird, keine Treibhausgase entstehen. Allerdings kommt der Ökostrom oft aus schon lange laufenden Bestandsanlagen (zum Beispiel aus norwegischer Wasserkraft) oder aus Anlagen, die nur aufgrund der öffentlichen Förderungen (in Deutschland: durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz EEG) gebaut und ausreichend finanziert wurden. Es werden also nur erneuerbare Strommengen, die ohnehin erzeugt werden und die ausreichend finanziert sind, umverteilt. Es gibt damit aber keinen relevanten zusätzlichen Beitrag zum Voranschreiten der Energiewende.

Gleichzeitig geht aber durch die rechnerische vermeintliche „Klimaneutralität“ jeder Anreiz verloren, Energie tatsächlich einzusparen oder für den eigenen Strombezug zusätzliche neue erneuerbaren-Anlagen zu bauen.

Methoden, um das Klima zu bilanzieren

Was wäre also ein sinnvoller Weg, um bei der Erstellung von Klimabilanzen solche Fehlanreize zu vermeiden? Um Klimabilanzierungen zu erstellen, sind zwei grundsätzlich verschiedene Ansätze verbreitet:

  • Der marktbasierte Ansatz nutzt Emissionswerte, die rechnerisch dem Energiemix der vertraglich vom Stromanbieter bezogenen Stromprodukte beziehungsweise den hierfür verwendeten Herkunftsnachweisen entsprechen.

  • Der ortsbasierte Ansatz bildet durchschnittliche Emissionsfaktoren auf einer geeigneten regionalen Ebene ab (zum Beispiel der deutsche Strommarkt) und diese Daten werden für die Verbraucher*innen in dieser Region einheitlich verwendet.

Die Analyse zeigt, dass in der Regel die Wahlmöglichkeit zwischen der ortsbezogenen und der marktorientierten Bilanzierungsmethode für Strom aus erneuerbaren Energien einen größeren Einfluss auf das Ergebnis der Klimabilanz hat als die Emissionsminderungen, die ein Unternehmen durch Effizienzmaßnahmen erzielt hat, oder als die Effekte der Wahl eines Stromprodukts.

Verbraucher*innen differenzieren (mutmaßlich) nicht zwischen der Verbesserung ihrer individuellen Klimabilanz und der Wirkung auf die gesamten Emissionen. Man kann davon ausgehen, dass sie davon ausgehen, dass eine Verbesserung der eigenen Klimabilanz positive Auswirkungen auf die Gesamt-CO2-Emissionen hat. Bei Strom ist dieser Zusammenhang nicht gegeben.

Auf der Basis von Klimabilanzen ist im Regelfall keine Aussage über Einfluss des Strombezugs auf den Ausbau erneuerbarer Stromerzeugung möglich. Dies gilt sowohl für die markt- als auch die ortsbasierte Bilanzierung. Entsprechende Aussagen ließen sich nur treffen, wenn weitere energiewenderelevante Aspekte wie beispielsweise der gezielte Bezug von Erneuerbarem-Strom aus Neuanlagen berücksichtigt werden.

Hieraus ergibt sich, dass Treibhausgas-bezogene Aussagen zur Versorgung mit Ökostromprodukten, die sich lediglich auf die individuelle Bilanzierung und damit auf die Differenzierung zu anderen Produkten fokussieren, keine geeignete Grundlage für Kaufentscheidungen von Verbraucher*innen sein können, die einen Beitrag zu Energiewende und Klimaschutz leisten wollen.

Den qualifizierten marktbasierten Ansatz nutzen

Eine vielversprechende Lösung wäre ein Bilanzierungsansatz für den Strombezug, der die Energiewende-Wirkung von Premium-Ökostrom in Treibhausgas- und Klimabilanzen berücksichtigt und besonders vorteilhafte Produkte hervorhebt. Ein solcher Ansatz müsste durch die Gremien, welche für die relevanten Normen des DIN, EN und ISO sowie des GHG Protocol Scope 2 Leitfadens zur Erstellung von Klimabilanzen zuständig sind, als allgemeine Regel etabliert werden. Dieser Ansatz ermöglicht es, dass Klimabilanzen dem Anspruch einer ökologisch sinnvollen Anreizwirkung auch im Bereich des Ökostrombezugs gerecht werden.

Hierbei könnte der Gedanke eines „qualifizierten marktbasierten Ansatzes“ umgesetzt werden, nach welchem der individuelle vertragliche Strombezug nur dann in einer Klimabilanz statt des nationalen Durchschnittswerts angerechnet werden kann, wenn der konkrete Strombezug weitere Gütekriterien zum Ausbau der Erneuerbaren erfüllt.

Für alle anderen Produkte sollte ausschließlich der ortsbasierte Ansatz für die Bilanzierung verwendet werden.

Fazit

Wenn Ökostromanbieter ihre Produkte bewerben, sollten sie verantwortungsbewusst mit ihren Botschaften umgehen. Sie und auch (gewerbliche) Ökostromverbraucher sollten daher die folgenden Aspekte berücksichtigen:

  • Anbieter von Ökostrom und deren Kund*innen sollten vereinfachte Aussagen zur Minderung von THG-Emissionen durch den Strombezug in jedem Fall unterlassen.

  • Falls doch Aussagen zu den aus der Ökostromlieferung resultierenden „Null“-Emissionen gemacht werden, so sollten diese sachlich korrekten Angaben im Regelfall durch den Hinweis ergänzt werden, dass damit kein Beitrag zum Klimaschutz geleistet wird.

Ambitionierte Stromanbieter sollten nach Möglichkeit vorrangig ihre konkreten Aktivitäten im Bereich der Energiewende bewerben. Dadurch schärfen sie auch das Bewusstsein der Verbraucher*innen dafür, dass hier die entscheidenden Qualitätsmerkmale eines Ökostromversorgers liegen. Hierfür ist kein Bezug auf geringere oder vermiedene Treibhausgasemissionen notwendig.

Dominik Seebach ist stellvertretender Leiter des Bereichs Energie & Klimaschutz am Öko-Institut am Standort Freiburg und forscht zu erneuerbaren Energien und dem Strommarkt.

Weitere Informationen

Analyse „Legitime Aussagen zur Klimabilanz von Ökostromprodukten“ des Öko-Instituts

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