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Kochen mit Qualität

Effiziente Kochherdprojekte erlangen immer mehr Aufmerksamkeit auf dem freiwilligen Kohlenstoffmarkt. Dr. Lambert Schneider et al geht in diesem Beitrag auf ihre Integritätsrisiken ein, basierend auf seinen Bewertungen im Rahmen der Carbon Credit Quality Initiative (CCQI) und Calyx Global.

Emissionsgutschriften aus effizienten Kochherd-Projekten haben Integritätsprobleme, die es zu lösen gilt

Effiziente Kochherdprojekte erlangen immer mehr Aufmerksamkeit auf dem freiwilligen Kohlenstoffmarkt, sie machen momentan etwa 15 Prozent der Projektpipeline aus. In diesem Beitrag gehen wir auf ihre Integritätsrisiken ein, basierend auf unseren Bewertungen im Rahmen der Carbon Credit Quality Initiative (CCQI) und Calyx Global.

Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Umstellung auf effiziente Kochherde erhebliche Vorteile für die nachhaltige Entwicklung mit sich bringen kann und wahrscheinlich eine zusätzliche Klimaschutzmaßnahme darstellt. Jedoch ist der Projekttyp auch mit erheblichen Risiken in Bezug auf die Quantifizierung der Emissionsminderungen, die Nicht-dauerhaftigkeit und die Doppelzählung verbunden. Diese Probleme müssen adressiert werden, um die hohe Integrität zu gewährleisten, die diesen Projekten angemessen ist.

Weltweit haben immer noch 2,4 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberen Kochtechnologien, was jedes Jahr zum vorzeitigen Tod von 4,3 Millionen Menschen durch Luftverschmutzung in Innenräumen beiträgt. Effiziente Kochherde können die Lebensqualität bedürftiger Menschen verbessern, indem sie die Brennstoffkosten senken, den Zeitaufwand für das Sammeln von Feuerholz verringern, oft eine Aufgabe von Frauen und Kindern, und die Luftverschmutzung in Innenräumen reduzieren. Durch effiziente Kochherde wird weniger Holz zum Heizen benötigt, wodurch der Druck auf die Wälder reduziert wird, diese ihre Funktion als Kohlenstoffspeicher besser ausüben können und dadurch Emissionen reduzieren.

Insgesamt kommt Calyx Global zu dem Schluss, dass effiziente Kochherde aufgrund ihrer direkten Wirkung auf Menschen und Umwelt ein hohes Potenzial haben, zu den Nachhaltigen Entwicklungszielen (SDGs) beizutragen. Unsere Bewertungen von 50 Projekten zeigen, dass die große Mehrheit dieser Projekte ihre SDG-Beiträge überwacht und gemäß dem Gold Standard for the Global Goals verifiziert hat. Zu den häufigsten SDG-Beiträgen, die gemeldet und durch Dritte verifiziert wurden, gehören Armutsbekämpfung (SDG 1), Verbesserung der Gesundheit (SDG 3), Zugang zu moderner Energie und Steigerung der Energieeffizienz (SDG 7), Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten (SDG 8) und nachhaltige Waldbewirtschaftung (SDG 15).

Aufgrund dieser positiven Aspekte sind Kochherdprojekte eine vielversprechende Option für den Klimaschutz und beliebte Projekttypen auf dem freiwilligen Kohlenstoffmarkt. Allerdings zeigen unsere Untersuchungen, dass ihr Nutzen für das Klima oft überschätzt wird.

Emissionsminderungen werden sehr wahrscheinlich überschätzt 

Die Evaluierungen des CCQI deuten darauf hin, dass die Emissionsminderungen durch Kochherdprojekte in ländlichen Gebieten wahrscheinlich "zusätzlich" sind, das heißt sie wären ohne den Anreiz durch Emissionsgutschriften nicht in gleichem Umfang eingetreten. Effiziente Kochherde sind für Haushalte in ländlichen Gebieten in Entwicklungsländern oft unerschwinglich. Die Einnahmen aus den Kohlenstoffmärkten ermöglichen es den Projektentwickler*innen, effiziente Kochherde zu subventionieren oder sie kostenlos abzugeben. Damit werden zentrale Barrieren angegangen und so die Verbreitung der Technologie ermöglicht.   

Die Bewertungen von Calyx Global unterstützen die Analyse der CCQI. Sie sprechen dafür, dass weit über 80 Prozent der Projekte wahrscheinlich zusätzlich sind, das heißt sie haben ein geringes bis mittleres Risiko der Nicht-Zusätzlichkeit.

Zusätzlichkeit genügt jedoch nicht, um die Integrität von Emissionsgutschriften aus Kochherdprojekten zu garantieren. Insbesondere bei der Überschätzung der Emissionsminderungen gibt es Probleme. Diese entstehen durch die Quantifizierungsmethoden, die von den Projektentwickler*innen verwendet werden, um die Emissionsreduzierungen ihrer Projekte zu berechnen. Deren grundlegender Ansatz ist einfach: Die Methoden vergleichen die Menge an benötigtem Holz oder benötigter Holzkohle vor und nach der Installation der effizienten Kochherde. Der Teufel steckt hier im Detail.

Bei allen vom CCQI bewerteten Quantifizierungsmethoden ist der größte Faktor, der die Berechnungen verzerrt, der Anteil der nicht erneuerbaren Biomasse (fNRB). Dabei handelt es sich um die Biomasse für Kochherde, bei dem davon ausgegangen wird, dass sie nicht nachwächst. Dies führt dann zu weniger Biomasse in Form von Sträuchern und Bäumen. Je höher dieser Anteil ist, desto mehr wird von einem Abbau der Kohlenstoffspeicher ausgegangen und desto größer sind die berechneten Emissionsminderungen. Es besteht eine große Diskrepanz zwischen den fNRB-Werten, die von Projekten am freiwilligen Kohlenstoffmarkt zur Berechnung von Emissionsminderung verwendet werden (in der Regel über 80 Prozent), und den Modellierungsergebnissen unabhängiger Forscher*innen auf der Grundlage von Satellitendaten (weltweit im Durchschnitt etwa 30 Prozent). Allein dieser Faktor könnte dazu führen, dass die Emissionsminderungen um ein Vielfaches überschätzt werden. Dieses Risiko entsteht, weil die Schätzung des fNRB mit erheblichen Unsicherheiten verbunden ist und die Quantifizierungsmethoden den Projektentwickler*innen viel Spielraum beim Schätzen ihres eigenen fNRB-Wertes geben. Um dieses Problem anzugehen, empfiehlt die CCQI, dass die Methoden konservative Standardwerte für die fNRB vorschreiben. Diese Werte sollten aus der Literatur abgeleitet werden und für die Region des Projekts gelten, um die erheblichen geografischen Unterschiede bei diesen Werten zu berücksichtigen.

Neben dem Anteil der nicht erneuerbaren Biomasse (fNRB) gibt es mehrere andere Parameter in der Berechnung der Emissionsminderung, bei denen Annahmen und/oder schlechte Daten die Ergebnisse verzerren können. Dazu gehören: wie viel Brennholz die Menschen vor der Projektdurchführung im Durchschnitt verbrauchen, inwieweit die Menschen die neuen Herde nutzen, ob sie ihren alten Herd neben dem neuen weiter benutzen ("stove stacking"), ob sie aufgrund des neuen Herdes mehr kochen ("Rebound-Effekt"), wie die Effizienz der alten und neuen Herde bestimmt wird und wie die Holzmenge geschätzt wird, die zur Herstellung von einem Kilogramm Holzkohle benötigt wird. Für jeden dieser Parameter variiert das Risiko einer Überschätzung je nach den jeweiligen Regelungen der Methode. Insgesamt können diese Faktoren zu einer erheblichen Überschätzung der Emissionsreduzierungen beitragen. Eine neue Untersuchung deutet darauf hin, dass unter den verfügbaren Quantifizierungsmethoden die neuere "Metered and Measured"-Methode von Gold Standard ein geringeres Risiko der Überschätzung birgt. CCQI und Calyx Global haben diese Methode jedoch noch nicht bewertet.

Die von Calyx Global durchgeführte Bewertung von Kochherdprojekten bestätigt die wahrscheinliche Überschätzung der Emissionsreduzierungen. Calyx Global bewertet die Emissionsreduzierungen von Projekten anhand des fNRB, wie die Menge an Brennholz und Holzkohle vor und während des Projekts ermittelt und wie die Verwendung von alten und neuen Kochherden gemessen wird. Unsere Ergebnisse stimmen mit der Analyse von CCQI überein. Wir haben festgestellt, dass 70 Prozent der untersuchten energieeffizienten Kochherdprojekte ein "hohes Risiko" einer überschätzten Emissionsminderung aufweisen. Das heißt, ihre berechneten Emissionsminderung sind wahrscheinlich um mindestens 80 Prozent höher als die von Calyx Global geschätzten.

Risiken der Nicht-Dauerhaftigkeit bleiben unberücksichtigt

Neben der Überschätzung besteht auch das Risiko, dass die Emissionsminderungen aus Kochherdprojekten nicht dauerhaft sind. Effiziente Kochherde bewahren Kohlenstoffspeicher in Wäldern oder anderen Landflächen. Wälder sind jedoch von Natur aus gefährdet, zerstört oder degradiert zu werden und damit den gespeicherten Kohlenstoff wieder in die Atmosphäre freizusetzen, beispielsweise durch Landumwandlung oder Waldbrände. Daher könnte die Wirkung der Projekte wieder rückgängig gemacht werden. Im Gegensatz zu Waldprojekten geht keines der von CCQI und Calyx Global bewerteten Kohlenstoffprogramme derzeit auf dieses Risiko bei Kochherdprojekten ein.

Die Nicht-dauerhaftigkeit ist ein Risiko für alle Kochherdprojekte. Ein Vorteil des Projekttyps ist, dass sie einen Treiber der Entwaldung adressieren und sich daher direkt auf die Kohlenstoffspeicher der Wälder auswirken können. Im Unterschied dazu wirken sich einige Forstprojekte eher indirekt auf die Kohlestoffspeicher aus, beispielsweise wenn sie sich auf den Aufbau von personellen und institutionellen Strukturen konzentrieren. Darüber hinaus variiert das Risiko der Nicht-Dauerhaftigkeit zwischen den Projekten, abhängig von Faktoren wie der Geschwindigkeit, mit der die umliegenden Wälder bei den derzeitigen Abholzungsraten zurückgehen würden.

Calyx Global bewertete das Risiko der Nicht-Dauerhaftigkeit einzelner Projekte auf der Grundlage der Ausdehnung der jeweiligen Baumkronen oder Wälder und der geschätzten Abbaugeschwindigkeit des Kohlenstoffs in diesen Wäldern. Wir stellten fest, dass ein erheblicher Prozentsatz der Projekte ein mittleres bis hohes Risiko der Nicht-Dauerhaftigkeit aufweist.

Kochherdprojekte und Waldprojekte können die gleichen Emissionsminderungen beanspruchen

Eine weitere Lücke in den derzeitigen Regelwerken der Kohlenstoffprogramme ist die doppelte Ausgabe von Emissionsgutschriften aufgrund von Überschneidungen zwischen Kochherd- und Waldprojekten. „Doppelte Ausgabe“ heißt, dass ein Kohlenstoffprogramm Emissionsgutschriften für dieselben Minderungen für zwei verschiedene Projekte ausstellt. Das kann passieren, wenn Kochherd- und Waldprojekte in derselben Gegend durchgeführt werden. Das Kochherdprojekt beansprucht Minderungen für sich, da es den Verbrauch nicht-erneuerbarer Biomasse reduziert und dadurch Kohlenstoffspeicher in nahen gelegenen Wäldern bewahrt. Dieselben Minderungen können aber auch durch ein Projekt zur Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und Schädigung von Wäldern (REDD) geltend gemacht werden.

Wenn nicht systematisch überprüft wird, ob es solche Überschneidungen gibt, vergeben Kohlenstoffprogramme zwei Mal Emissionsgutschriften für dieselben Emissionsminderungen. CCQI und Calyx Global stellten fest, dass momentan kein Kohlenstoffprogram Regeln hat, solche Überschneidungen zu adressieren.

Calyx Global fand heraus, dass mehr als die Hälfte der Projekte für energieeffiziente Kochherde in Gebieten angesiedelt sind, in denen Projekte Emissionsminderungen durch den Schutz der Wälder beanspruchen, wie etwa REDD-Projekte. Bei diesen Projekten besteht die Gefahr einer doppelten Ausgabe, auch wenn es schwierig ist, festzustellen, ob sich der Anspruch auf Emissionsminderungen tatsächlich überschneidet.

Kochherdprojekte können zu qualitativ hochwertigen, hochwirksamen Emissionsminderungsprojekten werden, wenn Kohlenstoffprogramme ihre Regeln erheblich verbessern

Effiziente Kochherdprojekte können die Lebensbedingungen bedürftiger Menschen erheblich verbessern und dazu beitragen, die Treiber der Entwaldung zu verringern. Und die Projekte benötigen Finanzierung. Allerdings müssen die Kohlenstoffprogramme ihre derzeitigen Regeln deutlich verbessern, um sicherzustellen, dass die Klimaauswirkungen dieser Projekte nicht überschätzt werden. Die Methoden müssen überarbeitet werden, damit die Emissionsreduzierungen konservativ quantifiziert werden. Einige Programme, wie der Gold Standard, haben bereits einige Regelungen verschärft, und andere, wie Verra, überarbeiten derzeit ihre Methoden.

Es sind jedoch weitere Änderungen notwendig. Für Parameter, die mit erheblicher Unsicherheit verbunden sind, wie der Anteil der nicht erneuerbaren Biomasse, könnten die Methoden regionsspezifische, konservative Standardwerte vorschreiben. Die Programme sollten auch das Risiko der Nicht-Dauerhaftigkeit berücksichtigen und Regelungen festlegen, um doppelte Ausgaben zu vermeiden. Eine mögliche Lösung könnte sein, Kochherdprojekte in Waldprojekte einzubetten, die in derselben Gegend stattfinden. Um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten, ist es wichtig, dass alle Kohlestoffprogramme diese Änderungen vornehmen. Anderenfalls könnten Projektentwickler*innen Anreize haben, immer das Programm und die Methode auszuwählen, mit der sie die meisten Emissionsgutschriften erzielen können.

Diese notwendigen Änderungen werden dazu führen, dass weniger Emissionsgutschriften für Kochherdprojekte vergeben werden. Daher müssen die Käufer*innen mehr für jede Emissionsgutschrift bezahlen, um die Kosten der Projekte zu decken. Aber diese Projekte sind einen höheren Preis wert, und werden wahrscheinlich nur weiter finanziert, wenn die Integritätsprobleme gelöst werden. Diese Probleme zu lösen ist daher von entscheidender Bedeutung, damit der Nutzen für das Klima und die Menschen erzielt werden kann, den energieeffiziente Kochherdprojekte bringen können.

Die Autor*innen dieses Beitrags sind Dr. Lambert Schneider (Öko-Institut), Annelise Gill-Wiehl (UC Berkeley/Calyx Global), Isabel Haase (Öko-Institut), Gustavo Andrade Reginato (Calyx Global), Linda Rivera Macedo (Calyx Global), Donna Lee (Calyx Global), Randall Spalding-Fecher (Carbon Limits), Felix Fallasch (Öko-Institut), Nora Wissner (Öko-Institut), Anne Siemons (Öko-Institut), Derik Broekhoff (Stockholm Environment Institute), Pedro Martins Barata (Environmental Defense Fund), Darcy Jones (Environmental Defense Fund) und John Holler (World Wildlife Fund, US). Dr. Lambert Schneider ist Forschungskoordinator für Internationale Klimapolitik am Öko-Institut in Berlin. Isabel Haase, Felix Fallasch, Nora Wissner und Anne Siemons sind Wissenschaftler*innen an den Standorten Freiburg und Berlin des Öko-Instituts.

Weitere Informationen

CCQI-Bewertungsinstrument

CCQI's detaillierte Bewertungen

Informationen über Calyx-Bewertungen

Umfassende Analyse der UC Berkeley zur Über- und Unterbewertung von Kochherdprojekten im VCM

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