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Kernwaffentests und kein Ende

Warum Deutschland mehr tun muss für die atomwaffenfreie Welt und wieso heute mehr Atomwaffentests stattfinden als je zuvor, schreibt Matthias Englert in seinem Blogbeitrag.

[caption id="attachment_1104" align="alignright" width="380"] Dr. Matthias Englert[/caption]

Es ist noch nicht lange her, als mit dem letzten Kernwaffentest im September 2017 Nordkorea einen Berg sprengte. Seit 1996 ist der Vertrag für ein umfassendes Verbot von Nukleartests zur Unterschrift ausgelegt, aber noch nicht in Kraft getreten. Seither haben Pakistan und Indien (1998) und vor allem Nordkorea (2006, 2009, 2013, 2015, 2016, 2017) umfangreiche unterirdische Kernwaffentests durchgeführt.

Zwar wurde mit der „Organisation des Vertrags über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen“ (engl.: Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty Organization, CTBTO) eine Organisation geschaffen, die ein beeindruckendes Netzwerk an Detektoren zur seismischen, akustischen und radiologischen Entdeckung von Kernwaffenversuchen aufgebaut hat. International ist jedoch das Inkrafttreten des Vertrags blockiert. Die Obama Administration hatte ihr politisches Pulver bei der Neuauflage des bilateralen Abrüstungsvertrags mit Russland verschossen und die Ratifizierung des Vertrags scheitert seither an den fehlenden Mehrheiten im US-Repräsentantenhaus. Obwohl die USA als Schlüsselstaat gilt, weigern sich aber auch Pakistan, Indien und Nordkorea den Vertrag zu unterzeichnen. Iran, Israel, Ägypten und China wollen ihn trotz Unterzeichnung nicht ratifizieren. Dies fasst im Kleinen den Stand der Weltpolitik gut zusammen.

Simulation im Computermodell

Kernwaffentests sind der Schlüssel zum Verständnis der Physik zur Funktionsweise von Kernwaffen. Ein Staat, der ein militärisches Kernwaffenarsenal aufbauen will, muss daher Kernwaffen testen. Zum Glück sind oberirdische Kernwaffentests mittlerweile verpönt und obwohl der umfassende Kernwaffenverbotsvertrag nicht in Kraft getreten ist, halten sich bis auf Nordkorea alle Staaten an ein informelles Moratorium, keine unterirdischen Tests mehr durchzuführen.

Aber die alten Nuklearmächte haben dies auch gar nicht mehr nötig, allen voran die USA. Nach erbitterten Kämpfen um die Unterzeichnung (nicht Ratifizierung!) des Vertrags 1996 in der Clinton Administration, sah der politische Kompromiss vor, dass Dutzende von Milliarden in die alternden Nuklearlabore in Los Alamos und Livermore gepumpt wurden. Es wurde eine Infrastruktur errichtet, die es erlaubte, mit Hilfe ausgefeilter und teurer physikalischer Experimente und den schnellsten Supercomputern der Welt, die Explosion einer Atomwaffe im Computermodell zu simulieren. Glanzstück war neben anderen Anlagen die National Ignition Facility (INF) in Livermore. Oft verkauft als Forschungseinrichtung zur zivilen Fusionsforschung (Laserfusion) war der Zweck der Anlage überwiegend militärischer Natur.

Heute braucht es daher für die alten Kernwaffenstaaten (USA, Russland, Frankreich, China, Großbritannien) keine wirklichen Tests mehr. Der Datenschatz aus über 2000 Kernwaffentest zusammen mit den virtuellen Kernwaffentests auf Supercomputern reicht, um die Arsenale zu modernisieren. Konsequenterweise ist der umfassende Verbotsvertrag nur den „Hawks“, den amerikanischen Politikern, die eine militaristische bzw. interventionistische Außenpolitik vertreten, noch ein Dorn im Auge. Die Waffeningenieure können auch ohne sie leben. Lediglich die Länder, deren Arsenale noch nicht weit entwickelt sind oder die über wenige Testdaten verfügen, werden daher von einem umfassenden Verbotsvertrag wirklich betroffen. Dieselben Länder haben den Vertrag nicht unterzeichnet und ratifiziert.

Deutschlands Aufgabe für eine atomwaffenfreie Welt

Seit 2017 gibt es den neuen Atomwaffenverbotsvertrag. Für ihre bahnbrechenden Bemühungen diesen Vertrag zu erreichen wurde die 'Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen' (ICAN) mit dem Friedensnobelpreis 2017 ausgezeichnet. Deutschland hat sich der Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags aber bisher verweigert. Die Bundesregierung argumentiert, dass der Atomwaffenverbotsvertrag zu konfrontativ sei und nur in Zusammenarbeit mit den Nuklearwaffenstaaten eine Abrüstung und schließlich eine atomwaffenfreie Welt gelingen kann.

Ob diese Argumentation haltbar ist oder nicht – dazu schreibe ich in einem weiteren Blogbeitrag. Andere Bausteine auf dem Weg zu einer kernwaffenfreien Welt, wie etwa die Umsetzung des umfassenden Teststoppvertrags, sind derzeit stärker im Fokus. Was aber nützt ein Verbot von Kernwaffentests, wenn die etablierten Kernwaffenstaaten dem Rest der Welt schon wieder einen Schritt voraus sind? Nukleartests finden dort jeden Tag virtuell in Supercomputern statt. Die Bundesregierung sollte diese Entwicklungen deutlich kritisieren und darauf drängen, dass keine weiteren Entwicklungen oder Modernisierungen von Kernwaffen mehr stattfinden.

Dr. Matthias Englert befasst sich seit 15 Jahren mit naturwissenschaftlicher Friedensforschung, nuklearer Abrüstung sowie der Verifikation von Kernwaffentest und arbeitet im Bereich N&A in Darmstadt.

Weitere Informationen

Radioaktive Edelgase und der Kernwaffenteststopp-Vertrag: Friedensforschung mit naturwissenschaftlichen Methoden

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