Wissenschaftliche Beratung und Bewertung grenzüberschreitender Aspekte des französischen Endlagervorhabens Cigéo in den Nachbarländern Rheinland-Pfalz, Saarland und Großherzogtum Luxemburg
Im Jahr 2012 haben die französische Regierung und die als Vorhabenträger eingesetzte "Agence nationale pour la gestion des déchets radioactifs" (Andra) bekannt gegeben, dass in der Region um das bestehende Untertagelabor Bure ein tiefes geologisches Endlager für radioaktive Abfälle entstehen soll. Das Vorhaben trägt die Bezeichnung "Cigéo - centre industriel de stockage géologique des déchets radioactifs".
In einem Gutachten für die deutschen Bundesländer Rheinland-Pfalz und Saarland sowie das Großherzogtum Luxemburg hat das Öko-Institut in diesem Zusammenhang grenzüberschreitende Aspekte betrachtet und zu den Themen "Internationale Regelwerke", "Abgabe von Radioaktivität im Normalbetrieb", "Risiken durch Transporte", "Risiken durch Störfälle" und "Betroffenheit des Grundwasserpfads (Langzeitsicherheit)" Stellung genommen.
Zentrale Aussagen des Gutachtens sind, dass im Normalbetrieb und bei Störfällen die grenzüberschreitenden Effekte eines Endlagers am Standort Bure durch Freisetzungen radioaktiver Substanzen für die betrachteten Nachbarländer gering sind. Bei sehr schweren Unfällen während des Transports von radioaktivem Abfall innerhalb Frankreichs kann es zu deutlich größeren Freisetzungen radioaktiver Stoffe kommen als im eigentlichen Betrieb des Endlagers. Im Hinblick auf ein extremes Transportunfallszenario ergab sich aus der Betrachtung, dass unter bestimmten Voraussetzungen (Zusammentreffen eines extremen Transportunfalls mit für die Nachbarländer ungünstigen Wind- und Niederschlagsbedingungen, erntereifes Blattgemüse bzw. Weidevieh an der Einwirkungsstelle) kleinräumig die EU-Höchstwerte für die Vermarktung von Lebensmitteln überschritten werden können.
Hinsichtlich der Langzeitsicherheit lassen sich, unter der Voraussetzung dass die Vorhersagen der Andra bezüglich der Standorteigenschaften zutreffen, keine für die Nachbarländer ungünstigen Entwicklungen erkennen. Allerdings hat Andra einen diesbezüglichen Nachweis noch nicht geführt. Die bisherigen Aussagen hierzu beruhen auf einer Übertragung der Befunde aus dem Untertagelabor Bure auf den Endlagerstandort, deren Zulässigkeit erst noch gezeigt werden muss. Es bestehen durchaus Zweifel an der uneingeschränkten Übertragbarkeit und den diesbezüglichen positiven Annahmen der Andra. Die Nachweise der Langzeitsicherheit sind für den eigentlichen Endlagerstandort noch zu erbringen.
Das Öko-Institut erwartet, dass Andra während der Errichtung des Endlagers regelmäßig überprüft, dokumentiert und veröffentlicht, welche Abweichungen die tatsächlichen Befunde unter Tage von den aus dem Untertagelabor abgeleiteten Erwartungswerten aufweisen und welche Auswirkungen diese Abweichungen auf die Sicherheitsaussage haben. Dabei sollten auch die Versagensgrenzen des Endlagersystem offen gelegt werden, um eine transparente Bewertung der am Standort des Cigéo vorgefundenen Eigenschaften zu ermöglichen. Auch in diese Schritte sollten die Nachbarländer eingebunden werden.