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15 Leitplanken für ein dezentrales Energiesystem

Keine Großkraftwerke: EE-Strom wird an Land kleinteilig erzeugt.

Das deutsche Energiesystem wandelt sich. Der Ausbau erneuerbarer Energien (EE) führt dazu, dass nicht mehr wenige Großkraftwerke Strom und Fernwärme erzeugen, sondern immer mehr kleinteilige und häufig auch verbrauchernahe Stromerzeugungsanlagen. Bürgerinnen und Bürger können sich dadurch finanziell am Energiesystem beteiligen.

Damit diese Entwicklung dem Gesamtsystem nutzt, sollte sie gewissen Regeln folgen. Denn am Ende soll ein kosteneffizientes, versorgungssicheres, erneuerbares und gerechtes Strom-Wärmesystem stehen. Forschende vom Öko-Institut haben zusammen mit den Partnern Energynautics und Stiftung Umweltenergierecht in einer Studie für das Umweltministerium Rheinland-Pfalz analysiert, wie diese aussehen müssten. Als Ergebnis haben sie 15 „Leitplanken“ formuliert, die als politische Instrumente eingesetzt werden können. Die Studie zeigt positive Effekte einer Dezentralisierung, aber auch ihre Grenzen. Klar ist: Dezentralisierung ist kein Ziel für sich, sondern ein erforderliches Mittel, um die Klimaschutzziele zu erreichen.

Einige Leitplanken kurz vorgestellt:

Leitplanke 1: Energieeffizienz fördern

Energieeffizienz betrifft alle Endverbrauchssektoren und sowohl fossile als auch erneuerbare Energieträger. Durch Effizienzmaßnahmen werden die EE-Ausbauziele und Klimaschutzziele schneller erreicht. Energieeffizienz bedeutet auch, dass Umwandlungs-, Speicher- und Übertragungsverluste soweit es geht minimiert werden. Aus diesem Grund ist die direkte Nutzung von Strom auch eine wirkungsvolle Effizienzmaßnahme.

Leitplanke 3: Sektorenkopplung durch lokalen EE-Ausbau unterstützen

Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge reduzieren in den Bereichen Wohnen und Mobilität CO2-Emissionen, wenn sie mit erneuerbarem Strom betrieben werden. Dieser zusätzliche Strombedarf sollte möglichst vor Ort mit erneuerbarem Strom versorgt werden. Denn so werden die Stromnetze entlastet. Eine voranschreitende Sektorenkopplung sollte von einem lokalen Ausbau erneuerbarer Energien begleitet werden.

Leitplanken 4 & 5: Ausgleichseffekte durch ausgewogenen Technologiemix und gleichmäßige Verteilung

Ein ausgewogener Mix der Erzeugungstechnologien von erneuerbaren Energien und eine breite Verteilung der Erzeugungsanlagen ist notwendig, um die Stromeinspeisung immer gleichmäßiger zu gestalten. Denn so werden Ausgleichseffekte möglich zwischen Technologien und Regionen und der Bedarf an Speichern schrumpft. Im Idealfall kann ein Erzeugungsausfall in einer Region durch eine andere Region ausgeglichen werden. Genauso ergänzen sich die Stromerzeugung aus Wind und Sonne.

Leitplanke 7: Alle geeigneten EE-Potenziale erschließen

Zukünftig werden alle geeigneten Potenziale erneuerbarer Energien benötigt, um den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen zu kompensieren und die steigende Stromnachfrage zu decken. Denn durch die Kopplung von Strom, Wärme und Mobilität steigt der Strombedarf über das heutige Maß hinaus an. Die wesentlichen erneuerbaren Energieträger sind langfristig offshore Wind, onshore Wind und PV. Für diese Technologien gilt es, sowohl die ertragreichen Standorte mit hohen Volllaststunden als auch Standorte in Verbrauchernähe zu erschließen.

Leitplanke 8: Das Stromnetz flexibilisieren

Damit Strom aus erneuerbaren Energien ungehindert zu Verbraucherinnen und Verbrauchern gelangen kann, ist das Stromnetz unverzichtbar. Diese Infrastruktur wird mehr denn je benötigt werden, um die Strom-Schwankungen aus Sonne und Wind zwischen Regionen und Technologien auszugleichen. Besonders bei einem räumlichen Auseinanderfallen von erneuerbarer Stromerzeugung und Stromnachfrage wird der Netzausbaubedarf größer. Auch ein vorrangig regionaler Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch vermag dies nicht zu ändern. Denn um Versorgungssicherheit zu gewährleisten, kann der Strombezug über das Netz nicht durch Speicher ersetzt werden, da das zu teuer wäre. Der EE-Ausbau sollte deshalb mit einem Ausbau von Flexibilitätsoptionen einhergehen.

Leitplanke 10: EE-Akzeptanz durch zentralen Markt sichern

Auch wenn es zu einer breiten Verteilung von Stromerzeugung und Sektorenkopplung in den Verteilnetzen kommt, sollten Erzeugung und Verbrauch weiterhin auf deutscher Ebene ausgeglichen werden; eingebettet in den europäischen Netzverbund. So ist gesichert, dass die größtmögliche Strommenge erzeugt wird zu einem möglichst niedrigen Strompreis. Würde der deutsche Strommarkt aufgeteilt werden, würde es zu regionalen Strompreisunterschieden kommen mit regionalen Gewinnern und Verlierern.

Die Auswirkungen von Überschüssen oder Knappheiten sind in einem kleinräumigen Strommarkt viel stärker zu spüren, zum Beispiel durch unvorhergesehene Preisschwankungen. Durch die geringe Liquidität regionaler Strommärkte könnten einzelne Marktteilnehmer auch leichter Einfluss auf den Preis nehmen. Dieser könnte in kritischen Zeiten dann besonders hochschießen. Damit die Akzeptanz des Ausbaus erneuerbarer Energien nicht gefährdet wird, sollte somit eine zentrale Optimierung beibehalten werden.

Leitplanke 12: Akzeptanz durch Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern

Unerlässliche Akteure der Energiewende sind Bürgerinnen und Bürger, Energiegemeinschaften, regionale Unternehmen sowie Kommunen. Bereits heute befindet sich ein großer Teil der Erzeugungsstruktur in der Hand dieser dezentralen Akteure. Auch in Zukunft werden sie ein Treiber des Ausbaus erneuerbarer Energien sein. Denn ohne sie können die erforderlichen EE-Potenziale nicht ausreichend erschlossen werden. Es sollte generell eine breite Teilnahme von Bürgerinnen und Bürgern an der Energiewende angestrebt werden. Ein kleinteiliges, regional verteiltes Strom-Wärme-System bietet dabei die Gelegenheit, Akteure auf lokaler und regionaler Ebene anzusprechen und stärker einzubinden und so Akzeptanz auf breiter Ebene zu schaffen.

Fazit

Die Dezentralisierung des Energiesystems findet statt. Sie birgt Chancen, beispielsweise durch die Möglichkeit einer breiten gesellschaftlichen Teilhabe an der Energiewende. Um diese positiven Effekte zu erschließen, muss die Energiewende politisch begleitet werden. Andernfalls kann es zu Ineffizienzen kommen, die ein Erreichen der Klimaschutzziele gefährden.

Alle Leitplanken für die Dezentralisierung des Energiesystems finden sich in der Studie „Pilotprojekt Dezentralisierung - Stärkere Dezentralisierung des bundesdeutschen Strom-Wärme-Systems: Rechtliche und organisatorische Rahmenbedingungen sowie infrastrukturelle Folgen“