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Im Fokus

Im Initiativendschungel

Welche Ansätze sind wirklich sinnvoll?

Christiane Weihe

Das Steak verspricht: ohne Gentechnik. Die Jeans sagt: Bio-Baumwolle aus zertifiziertem Anbau. Die Kosmetika werben: Für unser Palmöl musste kein Regenwald sterben. Unternehmen verzieren ihre Produkte mit vielfältigen Nachhaltigkeitssiegeln oder -versprechen, kaum eine Branche kommt heute ohne entsprechende Initiativen aus. Doch wie ernst sind diese Initiativen zu nehmen? Welche Ansätze versprechen nachhaltiges Handeln nicht nur, sondern setzen es auch effektiv um? Im Eigenprojekt „Brennpunkt globale Lieferketten: Herausforderungen & Lösungsstrategien“ überprüft das Öko-Institut derzeit etwa 80 Standards und Initiativen aus fünf unterschiedlichen Bereichen, analysiert vielversprechende Ansätze, ihre Mechanismen und Erfolgsfaktoren.

In einem ersten Schritt hat die Wissenschaftlerin Dr. Nele Kampffmeyer zunächst jene Importgüter identifiziert, die für das Industrieland Deutschland die größte Rolle spielen und eine Auswahl der zu analysierenden Branchen und Rohstoffe getroffen. „Sämtliche Bereiche zu betrachten wäre in einem solchen Projekt nicht zu leisten, deshalb konzentriert es sich auf die Mineralöl- und Kohleindustrie, den Abbau von Metallen und Konfliktmineralien, Soja und Baumwolle sowie die Fertigung von Textilien und Informations- und Kommunikationstechnologien“, erklärt die Betriebswirtin und Sozialwissenschaftlerin, „für diese Themen wurden zunächst die größten Brennpunkte, die so genannten Hot Spots, zusammengetragen, um dann Initiativen zu betrachten, die genau diese Brennpunkte adressieren.“

Bei der Mineralölindustrie gibt es vor allem ökologische Brennpunkte – dazu gehört die Ölförderung in Naturschutzgebieten oder auf hoher See ebenso wie die Verunreinigung ganzer Landstriche. „Aber auch soziale Themen kommen hier zum Tragen, etwa mit Blick auf die extreme Korruption, die Verteilung der generierten Gewinne oder den Umgang mit Bürgerrechtlern und Umweltschützern.“ Initiativen für mehr Nachhaltigkeit hingegen gibt es kaum: „Auf Druck der UN ist IPIECA entstanden, die International Petroleum Industry Environmental Association. Sie hat bisher aber nur ein paar Arbeitsgruppen gebildet, verbindliche Standards sind noch nicht einmal zu erahnen“, so Kampffmeyer. Ähnlich schwierig sieht die Lage beim Thema Kohle aus. „Hier gibt es Bettercoal, eine ernsthafte Initiative, die aber noch in den Kinderschuhen steckt.“ Dabei bestehen auch beim Kohleabbau schwerwiegende soziale und ökologische Hot Spots, so etwa Gesundheitsschäden sowie Umweltzerstörung durch Kohlestaub in Kolumbien. „Öl und Kohle werden auch mit einem grünen Anstrich als Produkte zur Energieerzeugung aufgrund der CO2-Emissionen nicht umweltfreundlich und es gibt in der Regel keine direkte Verbindung zum Endverbraucher. Gleichzeitig kann bei unserer gegenwärtigen Wirtschaftsstruktur kaum jemand vollständig auf die Nutzung fossiler Rohstoffe verzichten. Das sind sicherlich ein paar der Gründe, warum hier nicht mehr passiert“, sagt die Wissenschaftlerin vom Öko-Institut.

Auch der Abbau von Metallerzen und Mineralien hat Konsequenzen für Mensch und Umwelt – so etwa mit Blick auf schlechte Arbeitsbedingungen im Kleinbergbau, die Finanzierung von Konflikten, die Umsiedlung von Menschen zur Erschließung neuer Vorkommen oder auch die Kontamination ganzer Landstriche mit Quecksilber, wie sie im Zusammenhang mit der Goldgewinnung in Peru zu beobachten ist. „Verpflichtende Initiativen sind in diesem Bereich mehr als bei Öl und Kohle zu finden, so zum Beispiel die Mining Association of Canada, die für ihre Mitglieder klare Nachhaltigkeitsstandards setzt und regelmäßige Audits der Minen vorschreibt, oder die London Bullion Market Association, ein wichtiger Handelsplatz für Feingold, der für alle Unternehmen, die ihre Produkte hier handeln wollen, Nachhaltigkeitskriterien etwa mit Blick auf Menschenrechte und die Vermeidung von Konfliktfinanzierung eingeführt hat.“

Blickt man hingegen auf die Sojaproduktion, liegen die Brennpunkte hier in deutlich anderen Feldern: Riesige Plantagen zum Beispiel in Brasilien, Argentinien oder den USA bringen ökologische und soziale Probleme mit sich. Sie resultieren zum Beispiel aus Flächenkonkurrenzen. „Hot Spots gibt es zum Beispiel in Argentinien, wo kleine Landwirte verdrängt oder sogar enteignet werden, sowie in Brasilien, wo Regenwald abgeholzt wird, um neue Anbauflächen zu schaffen“, erklärt Kampffmeyer, „darüber hinaus gibt es auf dem Weltmarkt quasi nur noch genmanipuliertes Soja – ein Produkt, das mit einem massiven Einsatz von Pestiziden und Herbiziden sowie mit vielen ungeklärten Risiken verbunden ist.“ Für eine verantwortungsbewusste Entwicklung beim Sojaanbau setzt sich etwa der Round Table on Responsible Soy ein, der im Rahmen seines Zertifizierungsverfahrens unter anderem die Themen Pestizide, Biodiversität und Arbeitnehmerrechte behandelt. „Mit Abstand am weitesten in Sachen Initiativen ist allerdings der Textilsektor – siehe etwa die Fair Wear Foundation, Detox oder der Bangladesh Accord. Da ist viel durch öffentlichen Druck entstanden“, so die Wissenschaftlerin, „neben den weithin bekannten sozialen Problemen in den Nähereien liegen die Brennpunkte hier unter anderem beim Chemikalieneinsatz in Färbereien sowie dem Anbau von genmanipulierter Baumwolle, die inzwischen 80 Prozent des Gesamtmarktes ausmacht und ebenso mit einem immensen Pestizid- und Herbizideinsatz verbunden ist.“ Einen besonders interessanten Ansatz sieht Kampffmeyer im so genannten Higg Index, einer umfangreichen Datenbank der Sustainable Apparel Coalition. „Hier können alle Akteure entlang der Lieferkette, so etwa Färbereien, Nähereien oder Transportdienstleister, ihre Nachhaltigkeitsdaten eintragen und sie anderen Unternehmen zugänglich machen.“

WEGWEISER IM INITIATIVENDSCHUNGEL

Nach einer ersten Sichtung und einer strukturierten Erfassung zentraler Variablen von etwa 80 Initiativen – so etwa ihrer Urheber, der beteiligten Akteure, ihrer Mechanismen, Reichweite und Transparenz sowie bereits belegter positiver Auswirkungen – wird Dr. Nele Kampffmeyer bis zu zehn besonders vielversprechende Ansätze auswählen und sie einer detaillierten Stärken-Schwächen-Analyse unterziehen. „Darunter werden die Mining Association of Canada und der Higg Index sein, aber auch übergreifende Initiativen wie die Extractive Industries Transparency Initiative, die sich der Transparenz und dem Kampf gegen Korruption im gesamten rohstoffgewinnenden Sektor widmet, oder die ISEAL Alliance, die Standards für Standards entwickelt und damit zu einer Vereinheitlichung beitragen will. Auch die Business Social Compliance Initiative wird Teil dieser tiefergehenden Analyse sein. Sie arbeitet gegen eine Fragmentierung in zu viele Standards und Initiativen und sammelt zum Beispiel die Audits unterschiedlicher Zulieferer, damit diese nicht mehrfach erfolgen müssen.“

Ziel dieser Arbeit ist es unter anderem, besonders überzeugende und erfolgreiche Ansätze zu ermitteln sowie zu analysieren, worin ihr Erfolg begründet ist und wie sich ihre Erfolgsfaktoren auf andere Branchen übertragen lassen. „Wenn neue Initiativen gestartet werden – so zum Beispiel die European Garment Initiative, die vor Kurzem für den Textilsektor ins Leben gerufen wurde – kann diese Analyse zentrale Probleme ebenso aufzeigen wie erfolgreiche Akteure und sinnvolle Mechanismen.“ Daher soll dieses Wissen unter anderem politischen Entscheidern zur Verfügung gestellt werden, die

Dr. Nele Kampffmeyer deutlich stärker in der Pflicht sieht, in Deutschland und darüber hinaus. „Die Initiativen und Standards bilden die Grundlage, um nachhaltige Lieferketten in der Praxis umzusetzen. Die Politik ist aber dafür verantwortlich, entsprechende soziale und ökologische Anforderungen gesetzlich zu verankern und auch die Rahmenbedingungen zu schaffen, dass diese eingehalten werden können. Dies würde, bei allen Bedenken seitens der Wirtschaft, auch den Unternehmen helfen, da hierdurch einheitlichere Wettbewerbsbedingungen entstünden.“