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Im Fokus

„Die Kraft der Vielen ist nicht zu unterschätzen“

Im Interview: Maren Barthel (Otto Group)

Christiane Weihe

Gerade war sie noch in Indien: Nur wenige Tage vor dem Interview hat Maren Barthel von der Otto Group dort die Durchführung eines Lieferantenqualifizierungsprogramms für Textilfabriken begleitet. Das Unternehmen lässt Kleidung vor allem in China, Bangladesch, Indien und der Türkei produzieren. Im Gespräch mit eco@work berichtet die Managerin Corporate Responsibility von ihren Erfahrungen in den Textilfabriken vor Ort, den Anforderungen der Otto Group an ihre Lieferanten und den Herausforderungen bei der Etablierung nachhaltiger Lieferketten.

Was genau muss man sich unter einem Lieferantenqualifizierungsprogramm vorstellen?

Das ist ein weltweites Programm der Otto Group: Es soll den Fabriken, die schon etwas länger mit uns arbeiten, dabei helfen, Nachhaltigkeit nicht als Einzelaufgabe zu betrachten, sondern sie umfassend in ihre Prozesse zu integrieren. In Indien sind unsere Lieferanten allerdings inzwischen so gut, dass wir weitergehende Programme aufsetzen mussten.

Welche Anforderungen haben Sie an Ihre Lieferanten in punkto Nachhaltigkeit?

Sie orientieren sich im Wesentlichen am Code of Conduct der Business Social Compliance Initiative, kurz BSCI. Darin sind zentrale Anforderungen etwa an Arbeitszeiten, Arbeitsschutz oder auch Umweltschutz festgeschrieben. Darüber hinaus hat die Otto Group einige zusätzliche Anforderungen definiert, so etwa im Bereich Umweltschutz oder Korruption.

Wie kontrollieren Sie, ob diese Anforderungen eingehalten werden?

Jede Fabrik, die für uns produzieren will, muss vor der ersten Auftragsplatzierung zunächst einen so genannten Onboarding-Prozess durchlaufen, eine Art Bestandsaufnahme des Produzenten. Dazu gehört neben einer Qualitätsprüfung auch ein so genanntes Social Audit. Dabei schauen wir uns an, ob die Anforderungen aus dem Code of Conduct der BSCI erfüllt werden. Diese Audits werden dann in regelmäßigen Abständen wiederholt – bei jenen, die schlechter abschneiden, natürlich früher als bei jenen, die ein gutes Ergebnis erzielt haben.

Überprüfen Sie auch die Vorlieferanten Ihrer Lieferanten?

Nein, das wäre für uns bei einer so verzweigten Lieferkette nicht leistbar. Wir setzen auf einen Kaskadeneffekt: Wir erwarten von unseren Lieferanten, dass sie die Anforderungen in ihre eigene Lieferkette hineintragen – und trainieren sie auch entsprechend. Das ist natürlich keine Garantie.

Fragt der Konsument heute mehr nachhaltige Textilien nach?

Es gibt ein stärkeres Bewusstsein und nachhaltige Produkte werden auch verstärkt nachgefragt. Ich habe aber den Eindruck, dass viele Verbraucher nach wie vor nicht bereit sind, für wirklich nachhaltigen Konsum auch mehr zu bezahlen. Zusätzlich wollen sie ständig etwas Neues, was leider auch nicht sehr nachhaltig ist.

Wer kann das Thema Nachhaltigkeit in der Textilindustrie weiter voranbringen?

Dies kann nur mit vereinten Kräften gelingen. Die Regierungen müssen die richtigen Rahmenbedingungen setzen und die Nichtregierungsorganisationen leisten mit ihren fordernden Kampagnen einen Beitrag. Auch die Unternehmen haben durch ihr Engagement schon viel bewegt. Zusätzlich müssten die Kunden ihr Einkaufsverhalten überdenken und sich neben den Kosten der Kleidung auch bewusst machen, was wirklich dahinter steckt, was Herstellung und Entsorgung für Mensch und Umwelt bedeuten.

Welchen Wert haben Unternehmenskooperationen wie das Bündnis für nachhaltige Textilien?

Einen sehr hohen. Die Kraft der Vielen ist nicht zu unterschätzen: Wenn beispielsweise mehrere Unternehmen einen Lieferanten auf ihre schwarze Liste setzen, weil er Umwelt- oder Sozialstandards verletzt, hat das automatisch eine größere Wirkung. Das Bündnis bietet eine Plattform, um Erfahrungen zu teilen, voneinander zu lernen und gemeinsame Lösungen für soziale und ökologische Verbesserungen in der Textilindustrie zu entwickeln und umzusetzen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Christiane Weihe.