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Im Fokus

Ein pralles Ökosystem

Der Schutz von Böden

Christiane Weihe

Er liegt uns allen zu Füßen. Doch wir behandeln ihn mit deutlich weniger Respekt. Und so ist er stark belastet, etwa durch massiven Pestizideinsatz oder Versiegelung. Schon heute sind 60 Prozent der Böden in der EU in keinem guten Zustand. Dabei brauchen wir den Boden, sehr dringend sogar. Für die Land- und Forstwirtschaft. Für die Speicherung von Wasser und die Kühlung der Luft. Eine Regulierung auf EU-Ebene sowie die Novellierung des deutschen Bodenschutzgesetzes sollen unseren Umgang mit dem Boden verbessern. Bei der Frage, wie dies gelingen kann, bringt auch das Öko-Institut seine Expertise ein.

Unsere Böden sind prall angefüllt mit Lebewesen und Mikroorganismen. Alleine in einem Teelöffel davon sind 120.000 Pilze und eine Million Bakterien zu finden. Im Boden leben Regenwürmer, Asseln und Insektenlarven – Millionen von Bodentieren können sich unter einem Quadratmeter befinden. All diese Organismen spielen eine wichtige Rolle für die natürlichen Bodenfunktio­nen, sie zersetzen organische Pflanzenabfälle und setzen so Nährstoffe frei, sie bauen Schadstoffe ab und sind wesentlich daran beteiligt, dass der Boden Wasser speichern kann. „Wir wissen aber bei Weitem noch nicht genug über das Bodenleben, der größte Teil dieses hochkomplexen Systems ist noch nicht ausreichend erforscht. Gleichzeitig gibt es nicht genug Kenntnisse darüber, wie man die Bodenökologie schützen und Bodendegradation verhindern kann“, sagt Dr. Laura von Vittorelli vom Öko-Institut.

Klar ist aber schon heute, dass wir nicht sorgsam genug mit dem Boden umgehen. Denn: Böden werden durch Bauvorhaben versiegelt. Sie werden oft nicht nachhaltig bewirtschaftet, durch Pestizide belastet und schwere landwirtschaftliche Maschinen beschädigt. Sie leiden durch Schadstoffe oder Mikroplastik etwa aus Reifenabrieb. Auch die Abholzung von Wäldern schadet dem Boden. „All dies ist umso weniger verständlich, da die hohe Konkurrenz um die verfügbaren Flächen zeigt: Wir brauchen den Boden. Für den Anbau von Nahrungsmitteln oder anderen biotischen Rohstoffen zum Beispiel. Aber auch für Ökosystemdienstleistungen wie die Bodenkühlung oder die Wasseraufnahmefähigkeit.“

Boden schützen

Böden können deutlich nachhaltiger genutzt werden als bislang. Etwa durch eine ökologische Landwirtschaft, die mit deutlich geringeren Umweltbelastungen verbunden ist, und eine ökologische Tierhaltung, die die Ammoniakbelastung verringert. „Wertvoll sind unter anderem eine Wiedervernässung von Mooren und Feuchtgebieten, um so mehr Kohlenstoff im Boden zu binden, oder auch die Etablierung von arten- und strukturreichen sowie klimaresilienten Wäldern.“ Eine reduzierte Neuinanspruchnahme von Flächen wirkt sich natürlich ebenso auf den Boden aus. (Siehe hierzu ausführlich „28.000 Fußballfelder. Flächen sparen statt verbrauchen“ auf Seite 10.) „In Deutschland sind Boden- und Flächenschutz allerdings rechtlich getrennt. Beim Thema Boden müssen wir daher auf Bodenschutzgesetz und -verordnung blicken“, sagt die Wissenschaftlerin vom Öko-Institut. Das so genannte Bodenschutzregime soll die Bodenfunktionen sichern oder wiederherstellen, konzentriert sich bislang aber vor allem auf Altlasten. „Darüber hinaus gibt es weitere Verordnungen, die den Bodenschutz betreffen – so etwa im Bau- und Raumordnungsrecht oder im Naturschutzgesetz. Bislang folgt das Bodenschutzgesetz dem Prinzip der Subsidiarität: Es kommt nicht zur Anwendung, wenn etwas in einem anderen Gesetz geregelt ist. Dadurch ist der Bodenschutz sehr auf unterschiedliche Regelungen verstreut.“ Zudem gibt es unterschiedliche Vorgaben und Modellprojekte auf Länderebene. „Das ist aber bislang ein ziemlicher Flickenteppich.“

Die Wissenschaftler*innen des Öko-Instituts unterstützen das Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt nun bei der Novellierung des Bodenschutzregimes. Das Projekt „Stärkung des Bodenschutzes und der Altlastensanierung durch Überarbeitung des Bodenschutzrechts“ wird vom Ecologic Institut geleitet und gemeinsam mit dem Ingenieurbüro Schnittstelle Boden durchgeführt. „Wir analysieren, wie der Bodenschutz bislang geregelt ist und was man verbessern kann“, sagt von Vittorelli. „Hierzu haben wir bereits sieben rechtliche Hintergrundpapiere erstellt. Dabei betrachten wir auch die Schnittstellen mit anderen bodenschutzrelevanten Bestimmungen etwa im Chemikalien- oder Landwirtschaftsrecht.“

Eine Analyse befasst sich zum Beispiel mit der Subsidiarität und schlägt vor, die Anwendung dieses Prinzips anzupassen, da es den Bodenschutz schwächt. „Diese Klausel könnte gestrichen werden, damit das Bodenschutzrecht und die geplanten Weiterentwicklungen zum Einsatz kommen und die entsprechenden Behörden es anwenden können. Andere Umweltgesetze wie etwa das Naturschutzgesetz kommen schließlich ebenfalls ohne Subsidiarität aus.“ Ein weiteres Hintergrundpapier widmet sich dem konkreten Schutz des Bodens. Dieser ist bislang so definiert, dass die Funktionen des Bodens geschützt werden sollen, auch mit Blick auf die Nutzung. „Das Ziel ist bislang nicht, den Boden als Medium an sich zu schützen – eine Lücke, die geschlossen werden sollte“, sagt die Wissenschaftlerin. „Sinnvoll wäre es aus unserer Sicht, den grundsätzlichen Bodenschutz insgesamt hervorzuheben, weitere Funktionen wie die Speicherung von Klimagasen zu ergänzen und gegebenenfalls weitere Schutzziele hinzuzufügen. So etwa, dass ein guter Zustand bis zu einem Stichjahr erreicht werden soll.“

Ein zentraler Faktor bei der Belastung von Böden ist der Eintrag von Schadstoffen. Auch diesem Thema haben sich die Wissenschaftler*innen gewidmet. „Aus unserer Sicht ist es zentral, die Stoffe, die dem Boden schaden können, zu begrenzen. Ähnlich wie im Wasserrecht könnte man hierfür zum Beispiel prioritäre Stoffe einfügen – so etwa jene, die im Anhang XIV der europäischen Chemikalienverordnung REACH aufgelistet sind.“ Wichtig sei darüber hinaus, die Liste der begrenzten Stoffe kontinuierlich zu prüfen und gegebenenfalls zu erweitern. „Das Gesetzgebungsverfahren ist fast so komplex wie die Bodenökologie selbst“, so Laura von Vittorelli, „mitunter liegen verschiedene Bodentypen sehr nah aneinander. Und es ist sehr aufwändig, ihren jeweiligen Zustand zu erfassen. Das macht es schwer, übergreifende Regelungen zu definieren.“

Und was macht Europa?

Auch auf europäischer Ebene gibt es Bewegung beim Bodenschutz. Ein entsprechendes Gesetz gibt es hier bislang nicht, dies ist unter anderem an den Widerständen der alten Bundesregierung gescheitert.  „Nun liegt ein neuer Entwurf vor. Er ist Resultat der Bodenstrategie der Europäischen Kommission, die erreichen will, dass bis 2050 alle Bodenökosysteme in der EU gesund sind“, so die Juristin aus dem Öko-Institut. Eine gewaltige Aufgabe, wenn man bedenkt, dass dies derzeit bei maximal 40 Prozent der Böden der Fall ist.

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Die Juristin Dr. Laura von Vittorelli ist seit 2021 im Bereich Umweltrecht & Governance des Öko-Instituts tätig. Die Schwerpunkte ihrer Arbeit sind unter anderem das nationale und europäische Wasserrecht, der Biodiversitätsschutz sowie das nationale, europäische und internationale Energie- und Umweltrecht.