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Im Fokus

Nachhaltig mobil sein

Neue Mobilitätskonzepte als Beitrag zur Verkehrswende

Christiane Weihe

Mehr Verkehr in Deutschland muss verlagert werden – weg vom eigenen Pkw, hin zu öffentlichen Verkehrsmitteln und zum Fuß- und Radverkehr. Nur so wird nachhaltige Mobilität auch in Städten möglich, für die Carsharing ebenso eine wichtige Rolle spielen kann. Für diese Verlagerung genügt nicht eine einzelne Maßnahme, viele unterschiedliche Instrumente sind notwendig (siehe dazu auch „Im Stau“ auf Seite 8). Denn ein nachhaltigeres Verkehrsverhalten muss gefördert und gefordert, durch verschiedene Maßnahmen angeregt werden. Dabei spielt eine Anpassung der rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen ebenso eine Rolle wie die Schaffung neuer Angebote, die es den Menschen erlaubt, nachhaltig mobil zu sein. In zahlreichen unterschiedlichen Studien zeigt das Öko-Institut, wie dies gelingen kann.

Ob sich die Bevölkerung für andere Formen der Fortbewegung entscheidet, ist maßgeblich davon abhängig, welche Mobilitätsoptionen im Wohnumfeld zur Verfügung stehen. „Es braucht sinnvolle und attraktive Alternativen zum eigenen Auto – dazu gehören zum Beispiel Fahrrad- und Carsharing-Angebote oder auch eine gute ÖPNV-Anbindung“, sagt Dr. Manuela Schönau vom Öko-Institut. Wie nachhaltige Mobilität in Wohnquartieren konkret gelingen kann, untersucht die Wissenschaftlerin gemeinsam mit dem Verkehrsclub Deutschland (VCD) und dem Deutschen Mieterbund noch bis Ende 2019 im Projekt „Wohnen leitet Mobilität“. „Wir haben uns zunächst Best-Practice-Quartiere angeschaut, so etwa die Gartenstadt Drewitz in Potsdam oder die Lincoln-Siedlung in Darmstadt“, erklärt Schönau, „aus den Erfahrungen dieser Quartiere haben wir Handlungsempfehlungen entwickelt, die der Immobilienwirtschaft und kommunalen Verwaltungen in Zukunft helfen sollen, Maßnahmen für nachhaltigere Mobilität einfacher umzusetzen.“ Hierzu zählen zum Beispiel weniger Pkw-Stellflächen und Parkraumbewirtschaftung, mehr Grünflächen und Begegnungsorte, Tempo 30-Zonen und gute Abstellmöglichkeiten für Fahrräder, Barrierefreiheit sowie eine dichte Taktung des öffentlichen Verkehrs, Miet(lasten)-räder und eine Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge. „Zusätzlich haben wir untersucht, durch welche Akteure solche Maßnahmen umgesetzt werden können – und welche Prozesse es dafür braucht.“

Das vom Bundesumweltministerium geförderte Projekt zeigt: Für eine Verkehrswende im eigenen Quartier müssen alle Beteiligten – Wohnungsunternehmen und Stadtverwaltung, Mobilitätsanbieter und die Bewohnerinnen und Bewohner – eng zusammenarbeiten. „Die Umgestaltung dauert oft mehrere Jahre, das geht nur mit engagierten Akteuren“, sagt die Wissenschaftlerin, „daher sind auch die so genannten Regionalforen des Projekts so wichtig, bei denen sich Praxisakteure vernetzen und austauschen können.“ Dabei ist es auch zentral, genau zu erfragen, was die Bürgerinnen und Bürger in ihren Wohnquartieren wollen und brauchen und ihnen frühzeitig alle relevanten Maßnahmen anzukündigen und deren Mehrwert zu erläutern. Zentral sind aber auch die passenden Rahmenbedingungen. „Regeln und Verordnungen können die Umsetzung nachhaltiger Mobilitätmaßnahmen durchaus erschweren“, so Schönau, „beim Uferwerk Werder gab es zum Beispiel den Fall, dass die Stellplatzsatzung der Gemeinde den Nachweis von über 70 Auto-Stellplätzen erforderte, aber nur 25 gebraucht wurden.“ Und natürlich ist es auch wichtig, dass ein Umdenken in der Bevölkerung stattfindet. „Aus meiner Sicht sollte jeder von uns die eigene Mobilität auf den Prüfstand stellen und sich fragen, wie er sie nachhaltiger gestalten kann. Dazu gehört auch, sich auf neue Formen der Mobilität einzulassen und sie auszuprobieren. Und so etwa für die nächste Fahrt zum Supermarkt das Lastenfahrrad statt ein Auto zu nutzen.“

Innovative Mobilitätsdienstleistungen

Das Projekt „WohnMobil“ hat sich ebenfalls mit nachhaltiger Mobilität im Wohnquartier befasst und konzentriert sich dabei auf gemeinschaftliche Wohnformen, so unter anderem Wohninitiativen. Auch hier können Mobilitätsangebote wie das nachbarschaftliche Teilen von privaten Autos, (Lasten)-
rädern oder ÖPNV-Tickets einen Beitrag zur Verkehrsverlagerung leisten. Gemeinsam mit dem ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung und dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) hat das Öko-Institut wohnbegleitende Dienstleistungen zusammen mit den Wohninitiativen „Uferwerk“ in Werder und „Wohnen am Hochdamm“ in Berlin partizipativ entwickelt. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung. „Die Studie zeigt, dass wohnbegleitende Mobilitätsdienstleistungen einen vielschichtigen ökologischen, sozialen und ökonomischen Mehrwert haben“, sagt Dr. Manuela Schönau vom Öko-Institut, „wichtig ist auch hier, dass die Dienstleistungen gemeinsam mit den Bewohnern und Bewohnerinnen entwickelt werden und sich an deren Bedürfnissen orientieren.“

Emissionsminderung durch E-Bikes

Wie sich gesellschaftlicher Wandel unter sozialökologischen Gesichtspunkten gestalten lässt, hat das Öko-Institut gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen des Projektes „Trafo 3.0“ untersucht. Für drei Bereiche hat das Projektteam dabei analysiert, was die notwendige Transformation fördert und was sie hemmt – etwa mit Blick auf E-Bikes im Stadt- und Regionalverkehr. „Dabei haben wir auch Praxisinitiativen begleitet, zum Beispiel ein Projekt in München, das es Neubürgerinnen und -bürgern ermöglicht, Elektrofahrräder auszuprobieren“, sagt Ruth Blanck, Senior Researcher im Bereich Ressourcen & Mobilität des Öko-Instituts. Eine Verlagerung vom Pkw auf E-Bikes hat zahlreiche positive Wirkungen: Der Flächen- und Ressourcenverbrauch sinkt, es entstehen weniger Lärm und Schadstoffemissionen und die aktive Mobilität ist gut für die Gesundheit. „Es gibt eine große Dynamik auf dem E-Bike-Markt, denn sie ermöglichen zum Beispiel längere Distanzen als das klassische Fahrrad oder auch einen einfacheren Lastentransport“, so die Wissenschaftlerin, „auch für Berufspendlerinnen und -pendler eignen sich E-Bikes sehr gut, weil man damit nicht verschwitzt im Büro ankommt.“ Mit entsprechenden Maßnahmen kann diese Dynamik aufgenommen und weitergetragen werden: „E-Bikes sind erfolgreich, aber da ist durchaus Luft nach oben. Und ihr Treibhausgasminderungspotenzial ist im Vergleich zu anderen Verkehrsträgern relativ einfach zu heben.“

Trafo 3.0, an dem zahlreiche Projektpartner und Praxisakteure beteiligt waren, zeigt: Transformation ist nicht einfach steuerbar, es gibt jedoch Gestaltungsmöglichkeiten. „Dazu gehört zum Beispiel, Innovationen zu fördern, etwa Verleihsysteme für E-Bikes“, sagt Blanck, „aber auch das Beenden von nicht-nachhaltigen Strukturen könnte einen wesentlichen Einfluss haben – etwa durch eine Abwrackprämie für Mopeds oder sogar ein Verbot von klassischen Zweitaktern, wie es in China bereits in einigen größeren Metropolen umgesetzt wurde.“ Zentral für den weiteren Erfolg von E-Bikes ist laut der Expertin vom Öko-Institut auch und vor allem eine adäquate Infrastruktur. „Mit elektrischen Fahrrädern werden die Geschwindigkeiten auf den Radwegen heterogener, das muss bei der Infrastrukturplanung berücksichtigt werden“, sagt sie, „so sollten die Radwege deutlich breiter sein als bisher üblich, damit Platz ist fürs Überholen und auch für die größeren Lastenfahrräder. Wichtig sind zudem bessere Abstellmöglichkeiten. Davon profitieren nicht nur E-Bikes, sondern der Radverkehr insgesamt – und wenn mehr Leute aufs Rad umsteigen, haben auch die Autofahrer was davon, da sie seltener im Stau stehen.“ Für die Umsetzung sieht Ruth Blanck hier vor allem Bund und Kommunen in der Pflicht. „Der Bund kann die richtigen Rahmenbedingungen setzen und solche Projekte finanziell fördern, die Umsetzung muss aber natürlich in den Kommunen passieren.“

Nutzung von Carsharing

In der mehrjährigen, vom Bundesumweltministerium geförderten Studie „share“ hat das Öko-Institut gemeinsam mit dem ISOE – Institut für sozial-ökologische Forschung die Nutzung von so genanntem Free-floating-Carsharing umfassend analysiert. Darunter versteht man die zeitweise Nutzung von Fahrzeugen, die im öffentlichen Raum für eine spontane Nutzung zur Verfügung stehen und dann an einem beliebigen öffentlichen Parkplatz wieder abgestellt werden können. „Wir haben uns dabei angeschaut, wer diese Art des Carsharing nutzt, was den Gebrauch hemmt oder fördert und wie Elektrofahrzeuge akzeptiert werden“, sagt Dr. Wiebke Zimmer, stellvertretende Leiterin des Bereichs Ressourcen & Mobilität, „darüber hinaus stand im Fokus der Analyse, welche Wirkung das Carsharing auf den Pkw-Besitz sowie das Verkehrsverhalten und damit auf die Emissionen hat.“ Hierfür wurden zwischen 2013 und 2017 in Stuttgart, Köln und Frankfurt am Main Nutzerinnen und Nutzer sowie eine Kontrollgruppe, die kein Free-floating-Carsharing verwendet, vier Mal befragt. Die Analyse zeigt unter anderem, dass vor allem jüngere Menschen mit Abitur bei der Nutzung überrepräsentiert sind und Elektromobilität positiv wahrgenommen wird. Eine Treibhausgasminderung wird durch das Carsharing allein jedoch nicht erreicht, auch die Anzahl von Pkw wird nicht reduziert. „Diese Ergebnisse zeigen uns klar, dass es begleitende Maßnahmen braucht. Damit Free-floating-Carsharing insgesamt zu nachhaltigerer Mobilität führt, ist es zum Beispiel notwendig, private Autofahrten zu verteuern und mehr Raum für Radfahrer und Fußgänger zu schaffen“, erklärt Dr. Wiebke Zimmer. Und betont damit erneut: Der Weg weg vom privaten Pkw hin zu nachhaltigeren Mobilitätsformen ist möglich und nötig. Ein einzelnes Instrument wird jedoch nicht ausreichen, um ihn wirksam zu beschreiten.

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Nachhaltige Mobilität steht im Mittelpunkt der Forschung von Ruth Blanck und Dr. Manuela Schönau. Die Diplom-Mathematikerin Blanck entwickelt Langfristszenarien für eine nachhaltige Entwicklung des Verkehrssektors sowie Modelle zu Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen. Schönau, promovierte Sozialwissenschaftlerin, widmet sich zum Beispiel der wohnstandortnahen Mobilität, den Nachhaltigkeitswirkungen von Mobilitätsdienstleistungen sowie der Digitalisierung im Verkehr.