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Wie gelingt die Verkehrswende?

Christiane Weihe

Wer wissen will, wie es um die deutsche Verkehrswende bestellt ist, muss nur eine Suchmaschine mit den Worten „Klimaschutz“ und „Verkehrssektor“ füttern. Vom „Sorgenkind Verkehr“ ist schnell zu lesen, von den notwendigen „erheblichen politischen Umsteuerungen“ und auch dem erforderlichen „radikalen Wandel“. Denn: Zum Klimaschutz trägt der Verkehrssektor bislang nichts bei. Seine Emissionen lagen 2018 mit rund 163 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten auf dem Niveau von 1990. Dabei sollen sie laut dem Ziel der Bundesregierung bis 2030 um 40 bis 42 Prozent sinken. Kann die Verkehrswende noch gelingen? Und wenn ja, was ist dafür nötig? Mit diesen Fragen beschäftigt sich auch das Öko-Institut.

Dass eine Verkehrswende dringend notwendig ist, darüber herrscht über viele Arbeitsbereiche hinweg Einigkeit. Sie ist zudem nicht nur mit Blick auf den Klimaschutz erforderlich, sondern auch, um Lärm, Luftschadstoffe oder hohe Unfall- und Todeszahlen zu verringern, wie Dr. Wiebke Zimmer, stellvertretende Leiterin des Bereichs Ressourcen & Mobilität am Öko-Institut betont: „Nachhaltige Mobilität ist viel mehr als nur die Treibhausgasemissionen von Pkw und Lkw zu senken. Dazu gehört zum Beispiel ebenso, den Ressourcen- und Flächenverbrauch zu reduzieren.“

Das Öko-Institut ist als Gutachter in die so genannte Verkehrskommission eingebunden. Die Arbeitsgruppe 1 in der „Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität“ (NPM) diskutiert seit Herbst 2018 darüber, wie das Klimaziel des Verkehrssektors bis 2030 noch erreicht werden kann. Beteiligt sind Vertreterinnen und Vertreter aus Industrie und Wissenschaft sowie von Umwelt- und Verkehrsverbänden. „Die Verkehrskommission konnte sich bereits auf einige Instrumente einigen – so etwa Investitionen in die Infrastruktur, günstigere Preise für Bahntickets oder eine CO2-Bepreisung – das reicht aber bei Weitem nicht aus“, sagt Zimmer. Bei der Frage, wie nachhaltige Mobilität wirklich gelingen kann, rückt sie ohne zu zögern den Pkw in den Fokus. „Mit Blick auf die Emissionen ist natürlich eine Elektrifizierung des Verkehrs auf Basis erneuerbarer Energien unverzichtbar“, so die Wissenschaftlerin, „doch die Verkehrswende braucht mehr als alternative Antriebe, mehr als Elektromobilität. Nötig ist eine Verlagerung des Verkehrs weg vom privaten Pkw und dafür braucht es geänderte Rahmenbedingungen.“

Weniger Privilegien, angepasste Abgaben

Rund 80 Prozent der Personenverkehrsleistung wird hierzulande durch den Pkw erbracht, er ist für etwa 60 Prozent der Treibhausgasemissionen des Verkehrs verantwortlich. Eine Ursache hierfür sieht die Expertin vom Öko-Institut auch in der jahrzehntelangen Fokussierung der gesetzlichen Rahmenbedingungen, der Infrastrukturen, der Verkehrs- und Siedlungsplanung sowie der Einstellungen und Leitbilder auf das Auto. „Das fängt schon mit der Straßenverkehrsordnung an – sie orientiert sich hauptsächlich daran, dass Autos freie Fahrt haben und stellt die Bedürfnisse anderer Verkehrsteilnehmer hintenan“, sagt sie, „gleichzeitig ist es auch im europäischen Vergleich einfach viel zu günstig, einen privaten Pkw zu besitzen, ihn zu parken und damit durch die Gegend zu fahren.“

Wesentlich für eine Minderung der CO2-Emissionen im Verkehrssektor seien eine Verlagerung des Personenverkehrs auf den ÖPNV sowie den Rad- und Fußverkehr und eine geringere Verkehrsnachfrage insgesamt durch weniger und kürzere Wege. „Die Förderung von umweltfreundlichen Alternativen allein reicht dazu nicht aus. Sollen durch die Verlagerung signifikante CO2-Minderungen erreicht werden, braucht es eine Kombination aus fordernden und fördernden Instrumenten.“

So müsse man die Privilegien des Pkw bei Dienstwagenbesteuerung und Pendlerpauschale abbauen und das Kostenniveau für das Autofahren anheben. Hierfür könnte etwa der Energiesteuersatz von Diesel an den von Benzin angeglichen, eine CO2-Komponente in den Energiesteuersatz integriert oder eine Pkw-Maut auf Autobahnen eingeführt werden. So brächte eine Maut von zwei Cent pro Kilometer bis 2030 immerhin eine Einsparung von 1,8 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr. Auch das Parkraummanagement ist ein wichtiger Hebel. So sollte aus Sicht des Öko-Instituts weniger öffentlicher Raum für Parkplätze zur Verfügung stehen, ihre Nutzung sollte teurer werden und so den Wert des öffentlichen Raums besser abbilden. „Wichtig ist natürlich, solche Instrumente sozial zu gestalten, damit einkommensschwache Haushalte nicht über Gebühr belastet werden.“

Auch ein Bonus-Malus-System, bei dem klimaschädliche Fahrzeuge teurer werden und Käufer von CO2-armen Fahrzeugen wie etwa elektrischen Pkw einen Bonus erhalten, sei ein sinnvolles Instrument, so Wiebke Zimmer. „Damit wird die Nachfrage nach CO2-effizienten Autos gefördert, gleichzeitig setzt es beim Verursacher an.“ Das sei wichtig, damit nicht jeder Steuerzahlende über den Staatshaushalt Elektroautos mitfinanziert, sondern diejenigen die Kosten tragen, die sich für Fahrzeuge mit hohen Emissionen entscheiden. Und auch ein Tempolimit auf Autobahnen kann aus der Sicht der Wissenschaftlerin viel erreichen. „Dadurch werden schließlich nicht nur die Emissionen reduziert – so kann ein Tempolimit von 130 km/h jährlich ein bis zwei Millionen Tonnen CO2 besonders kostengünstig einsparen – es sterben dann auch nachweislich weniger Menschen bei Unfällen. Zudem halte ich ein Tempolimit für ein sehr wichtiges Signal in der gesamten Diskussion um nachhaltige Mobilität.“

Strombasierte Kraftstoffe und fortschrittliche Biokraftstoffe hält die Expertin vom Öko-Institut hingegen nur bedingt für sinnvoll. „Sie sollten da eingesetzt werden, wo es technisch keine Alternativen gibt, so im Luft- und Seeverkehr, und erst dann, wenn die erforderlichen Mengen zur Verfügung stehen“, sagt sie, „darüber hinaus lohnen sich strombasierte Kraftstoffe aus meiner Sicht für die Verkehrswende nicht – auch wegen ihrer im Vergleich zur Elektromobilität geringeren Energieeffizienz und aufgrund der sehr hohen Herstellungskosten.“

Die Expertin vom Öko-Institut ist optimistisch, dass ein Wandel hin zu nachhaltiger Mobilität gelingen kann. Dafür muss die Politik deutlich stärker aktiv werden, sagt sie. Und erwartet durchaus Verständnis in der Gesellschaft für Veränderungen. „Man sieht gerade in urbanen Räumen immer stärker, dass die Bevölkerung bereit ist für Veränderungen – so etwa beim Volksentscheid Fahrrad in Berlin. Er hat zudem zahlreiche weitere Initiativen nach sich gezogen: Zum Beispiel die Volksinitiative Aufbruch Fahrrad in NRW oder auch die Radentscheide, die den Radverkehr unter anderem in Bamberg, Darmstadt und Frankfurt verbessern und sicherer machen wollen. Die Menschen erkennen, welche Vorteile eine nachhaltige Mobilität und weniger Fahrzeuge für die eigene Lebensqualität haben.“

Wer in die Suchmaschine die Begriffe „Klimaschutz“ und „Verkehrssektor“ eingibt, findet übrigens ebenfalls umfangreichen Lesestoff zu Strategien und Maßnahmen, mit denen sich die Klimaziele noch erreichen lassen. Damit die Verkehrswende gelingt, müssen diese nun endlich in die Tat umgesetzt werden.

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Dr. Wiebke Zimmer widmet sich am Öko-Institut umfassend nachhaltiger Mobilität. Die Diplom-Chemikerin und promovierte Physikerin entwickelt unter anderem Strategien zur CO2-Minderung im Transportsektor und berät Politik und Unternehmen. Darüber hinaus ist die stellvertretende Leiterin des Bereichs Ressourcen & Mobilität als Gutachterin in die AG 1 der nationalen Plattform Zukunft der Mobilität eingebunden.