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Im Fokus

Nicht zum Ladenpreis

Was kostet unser Essen?

Christiane Weihe

Wir tun es jeden Tag. Mehrfach. Manchmal gleichgültig, manchmal bewusst. Manchmal achtlos, manchmal mit allen Sinnen. Essen gehört zu unserem Leben wie Atmen oder Schlafen. Wo, wie und was wir essen, hat einen großen Einfluss auf unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit. Doch unsere Ernährung berührt nicht nur uns selbst – sondern ebenso Umwelt, Klima und Gesellschaft. Denn mit der Produktion von Lebensmitteln sind vielfältige Umwelt- als auch gesellschaftliche Auswirkungen verbunden. Diese ziehen Folgekosten nach sich, wie zum Beispiel für die Erschließung neuer Trinkwasserressourcen aufgrund der Belastung durch Pestizide oder Dünger in anderen Vorkommen. Im Rahmen eines Spendenprojekts haben die Wissenschaftler des Öko-Instituts analysiert, welche Treibhausgasemissionen unterschiedliche Ernährungsstile verursachen sowie welche externen Kosten – also Kosten, die nicht im Ladenpreis enthalten sind – mit der Ernährung verbunden sind.

Mehr Nachhaltigkeit

Etwa ein Fünftel der hierzulande verursachten Treibhausgasemissionen gehen auf die Ernährung zurück, über die Hälfte davon auf die Landwirtschaft. Die Emissionen entstehen unter anderem durch den Verdauungsprozess von Wiederkäuern wie Rindern. „Bei der Fermentation wird das Klimagas Methan erzeugt“, erklärt Dr. Jenny Teufel, Wissenschaftlerin am Öko-Institut, „Treibhausgase entstehen aber auch durch die Düngung der Böden oder wenn Wiesen oder Weiden zu Äckern umgewandelt werden.“ Wie hoch das Treibhausgaspotenzial unterschiedlicher Ernährungsstile ist, das haben Wissenschaftler des Öko-Instituts für das Spendenprojekt „Ist gutes Essen wirklich teuer?“ analysiert. „Wir haben uns eine vegane sowie eine ovo-lacto-vegetarische Ernährung angeschaut, also pflanzliche Kost kombiniert mit Eiern und Milchprodukten“, berichtet Teufel, „darüber hinaus wurden die Treibhausgasemissionen für einen Ernährungsstil untersucht, der auf den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung DGE basiert, sowie für einen fleischbetonten Ernährungsstil, der sich an den durchschnittlichen Ernährungsstil in Deutschland anlehnt.“ Das höchste Treibhausgaspotenzial hatte in diesem Vergleich die fleischbetonte Ernährung mit etwa 1,8 Gramm Kohlendioxidäquivalenten je Kalorie (g CO2e/kcal). Wer sich hingegen nach den Empfehlungen der DGE richtet – und damit seinen Fleischkonsum im Vergleich zur fleischbetonten Ernährung um etwa 60 Prozent reduziert, gleichzeitig aber den Verbrauch von Milchprodukten um rund 30 Prozent erhöht – verursacht rund 12 Prozent weniger Treibhausgasemissionen, etwa 1,58 g CO2e/kcal. „Der aus Klimagesichtspunkten nachhaltigste Ernährungsstil verzichtet vollständig auf Fleisch, Milchprodukte und Eier“, so die Wissenschaftlerin, „bei einer ovo-lacto-vegetarischen Ernährung entstehen 1,34, bei einer veganen noch 1,13 Gramm Kohlendioxidäquivalent je Kalorie.“

Die Ernährungsumstellung hin zu fleischreduzierter Kost lohnt sich also für Umwelt und Klima. „Und auch die Umstellung auf Biolebensmittel ist ein wichtiger Schritt“, sagt Jenny Teufel, „denn ihrer Erzeugung liegen wichtige Nachhaltigkeitsanforderungen zugrunde.“ Die Ernährung auf Basis von Bioprodukten verursache für den Verbraucher aber auch höhere Kosten – insbesondere das Fleisch aus biologischer Erzeugung sei teurer als jenes aus konventionellen Betrieben. „Unsere Studie hat gezeigt: Aspekte, die für viele Verbraucher relevant sind, so etwa die artgerechte Tierhaltung oder auch die Rückverfolgbarkeit von Futtermitteln, haben ihren Preis“, erklärt Jenny Teufel. Viele Haushalte können es sich vor diesem Hintergrund nicht leisten, die komplette Ernährung auf bio umzustellen. Eine nachhaltigere Ernährung ist aber auch ohne eine vollständige Umstellung des Ernährungsstils möglich und machbar. „Die Reduzierung des Verbrauchs von Fleisch und Milchprodukten ist sehr wichtig, denn diese beiden Produktgruppen haben einen großen Einfluss auf Umwelt und Klima“, so Teufel, „wer zum Beispiel gerne Fisch ist, sollte auf jeden Fall gefährdete Arten meiden.“ Das Verbraucherverhalten ist ein wichtiger Faktor auf dem Weg zu einer umweltbewussten Ernährung. Denn immerhin ein knappes Drittel der ernährungsbedingten Emissionen wird durch den privaten Konsum verursacht – dazu gehören die Einkaufsfahrt, die Lagerung und Zubereitung der Lebensmittel sowie der Abwasch. „Für die Klimabilanz macht es einen Unterschied, ob ich einen Schnellkochtopf verwende oder nicht“, erklärt die Wissenschaftlerin. Hier könne der Verbraucher viel tun. Auch, was den Einkaufsweg und die Einkaufsplanung betrifft.

Privater Konsum

„Man sollte viele Erledigungen kombinieren und möglichst nachhaltig unterwegs sein – am besten zu Fuß oder mit dem Fahrrad“, sagt sie. „außerdem sollte man nur die Dinge einkaufen, die man auf jeden Fall braucht und auch verbraucht – viel zu viele Lebensmittel werden weggeworfen, das hat natürlich auch Folgen für die Umwelt.“

Wer solch einfache Leitlinien beachtet, kann ohne hohe Kosten einen wichtigen Beitrag für mehr Nachhaltigkeit leisten. Doch sind die eigenen Ausgaben nicht die einzigen Kosten, die mit unserer Ernährung verbunden sind. „Darüber hinaus gibt es die so genannten indirekten oder auch externen Kosten“, so Jenny Teufel, „darunter versteht man jene Kosten, die im Rahmen der Erzeugung eines Produktes entstehen, in dessen Preis aber nicht enthalten sind – so etwa soziale Kosten von nicht nachhaltigen Erzeugungspraktiken oder auch Kosten, die in Folge von Umweltauswirkungen der Erzeugung entstehen. Diese Kosten werden von der Gesellschaft des Konsum- bzw. des Erzeugerlandes getragen.“ Wenn etwa Nitrate oder Pestizide aus der Landwirtschaft das Grundwasser belasten, verursacht dies unter anderem Kosten für die Erschließung neuer Trinkwasserreserven und die Behandlung von akuten und chronischen Erkrankungen durch Pestizideinsatz, Kosten durch die Entstehung von Pestizidresistenzen und den Verlust an Artenvielfalt sowie Kosten durch die Entwicklung und Implementierungen von gesetzlichen Maßnahmen zur Begrenzung der Schäden. Eine Studie von 2005 beziffert die allein in Deutschland entstehenden jährlichen Kosten durch den Einsatz von Pestiziden auf fast 121 Millionen Euro. Die massive Verwendung von Antibiotika in der konventionellen Tierhaltung wird für die Entstehung von Antibiotikaresistenzen verantwortlich gemacht – Kosten entstehen bei der Entwicklung neuer Antibiotika. Diese sind jedoch bislang nicht beziffert worden. Zu den indirekten Ernährungskosten zählen ebenso Agrarsubventionen, wie sie etwa die Gemeinsame Europäische Agrarpolitik (GAP) reguliert. Immerhin 100 Euro kosten diese jeden EU-Bürger jedes Jahr. „Auch Gesundheitskosten, die durch einen übermäßigen Konsum etwa von Fleisch, Milch oder Zucker entstehen, zählen im weiteren Sinne zu den indirekten Kosten der Ernährung“, sagt die Wissenschaftlerin, „die Behandlung von Fettleibigkeit etwa verursacht in den meisten Ländern ein bis drei Prozent der Kosten des Gesundheitssystems, in den USA sind es sogar etwa fünf bis zehn Prozent.“ Übergewicht wird zudem als eine der Hauptursachen für den Typ-2-Diabetes mellitus angesehen. „Laut Statistischem Bundesamt sind 2008 hierzulande Gesundheitskosten von über sechs Milliarden Euro allein durch Diabetes mellitus entstanden“, so Jenny Teufel. Andere Folgekrankheiten einer ungesunden Ernährung, wie die Behandlung von Übergewicht und Adipositas oder die Behandlung von Herzkreislaufkrankheiten, die unter anderem als Folge von Übergewicht auftreten können, verursachen zusätzliche Gesundheitskosten.

Welche externen Kosten für ein Produkt konkret von Bedeutung sein können, haben die Wissenschaftler des Öko-Instituts im Rahmen des Spendenprojekts am Beispiel von frischen Tomaten untersucht, „Wir haben die Produktion in den Niederlanden, in Spanien und in Süddeutschland verglichen“, erläutert Jenny Teufel, „dabei hat sich gezeigt, dass in den Niederlanden offensichtlich finanzielle Unterstützungen für die Modernisierung und Ausweitung des Gewächshausanbaus nicht eingepreist sind.“ In Spanien verursache vor allem der Ausbau der Infrastruktur im Bereich der Wasserversorgung für den Tomatenanbau externe Kosten. Zudem spiele die Tatsache, dass im Vergleich zu den nationalen Lebensunterhaltungskosten hier geringere Löhne als in Deutschland und in den Niederlanden gezahlt werden, eine wichtige Rolle. „Hier muss unter Umständen der Staat einspringen. Solche externen Kosten werden nicht vom Verbraucher direkt bezahlt“, so Teufel, „er trägt sie indirekt, so beispielsweise über europäische oder nationale Haushaltskassen.“

Neue Indikatoren

Die Wissenschaftler des Öko-Instituts haben durch das Spendenprojekt zahlreiche wichtige Erkenntnisse gewonnen. Dennoch sieht Dr. Jenny Teufel heute noch an allen Ecken und Enden weiteren Forschungsbedarf im Ernährungsbereich und die Notwendigkeit zur Erhebung umfassender Daten. „Darüber hinaus müssen meiner Ansicht nach neue Indikatoren für die Bewertung der Lebensmittelproduktion definiert werden“, fordert sie, „Energieeffizienz ist nicht immer der richtige Indikator.“ Vielmehr gehe es bei Ernährung auch um Lebensqualität sowie den Erhalt von Kulturlandschaften. Und um die Frage, wie eine nachhaltige, aber auch menschengerechte Ernährung von morgen aussehen kann. Christiane Weihe