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Perspektive

Das gedruckte Herz

Additive Manufacturing als Produktion der Zukunft?

In einer fernen Zukunft sollen Organe aus dem Drucker kommen. Elektronische Geräte übrigens auch. Und jeder produziert sich zu Hause selbst alles, das er so braucht. Doch damit nicht genug: Unser gesamtes Wirtschaftsgefüge soll sich ändern. Und Entwicklungsländer sollen unabhängig von Importen werden. Das alles – durch 3D-Drucker? Der Hype um sie bzw. das Additive Manufacturing (AM), also das computergestützte und schichtweise Zusammenfügen von Materialien zu dreidimensionalen Produkten, kennt an vielen Stellen keine Grenzen mehr. Auch ich sehe das durchaus sehr große Potenzial von AM. Doch so manche Zukunftsvision geht meiner Ansicht nach deutlich zu weit. Ja, 3D-Drucker sind wichtige Instrumente, die schon heute in vielen Bereichen wertvolle Funktionen erfüllen und ihr Potenzial in den kommenden Jahren und Jahrzehnten sicher weiter entfalten werden. Doch sind sie das technische Wundermittel des Jahrhunderts, das unsere ganze Welt revolutionieren wird, wie sie in manchen Visionen gepriesen werden? Ich glaube nicht.

Ohne Zweifel profitieren schon heute zahlreiche Wirtschaftszweige in besonderem Maße von 3D-Druckern. Sie werden für Prototypen, aber auch zur Herstellung von Endprodukten wie Hörgeräten, Auto- und Flugzeugteilen, Medizinprodukten oder Designerstücken eingesetzt. Und auch der Unterkieferknochen aus dem Drucker ist keine Zukunftsmusik mehr. Wer sich intensiv mit Additive Manufacturing befasst, wird zudem feststellen: 3D-Drucker stecken noch immer mitten in der Entwicklung – etwa, was mögliche Techniken, Einsatzmöglichkeiten und Materialien betrifft. Die Forscher tüfteln an Möglichkeiten, aus zerkleinertem Holz und einer Art Bindemittel einen Holzersatz als Rohstoff für 3D-Drucker zu produzieren. Sie befassen sich mit der Herstellung von elektronischen Bauteilen und Geräten sowie der Verwendung von organischem Material. Vielleicht wird es eines Tages tatsächlich Organe aus dem 3D-Drucker geben.

Viele Fragen sind in Bezug auf das Additive Manufacturing nach wie vor offen. Eine wichtige dabei: die nach seinem Umweltpotenzial. Eine Frage, um dies vorweg zu nehmen, bei der wir noch ganz am Anfang stehen. Und damit eine Frage, die wir umfassend erforschen müssen. AM bietet mit Blick auf den Schutz von Klima und Ressourcen viele Chancen. Denn durch den 3D-Druck können etwa Auto- oder Flugzeugteile hergestellt werden, die den konventionell produzierten Teilen in punkto Stabilität in nichts nachstehen, jedoch durch ihre Hohlräume leichter sind. Und geringeres Gewicht bedeutet hier: weniger Energieverbrauch. Richtig ist auch, dass beim 3D-Druck nur das Material verwendet wird, das man wirklich braucht, es wird nichts ausgeschnitten oder ausgefräst. Produkte können also mit geringerem Materialaufwand hergestellt werden, zumindest in der Theorie. Doch was passiert zum Beispiel mit Fehlchargen oder überschüssigem Rohmaterial? Entscheidend für den geringeren Materialaufwand und damit die Umweltbilanz ist auch, ob das überschüssige Rohmaterial sauber getrennt und erneut eingesetzt werden kann.

Vielfach wird behauptet, eine geringere Zahl von Vorstufen in der Produktion sowie weniger Transporte machen den 3D-Druck umweltfreundlicher als die konventionelle Herstellung. Doch der Transport etwa ist im Normalfall für die Umweltbilanz nicht ausschlaggebend. Eine entscheidende Rolle spielt hingegen neben dem oben beschriebenen Materialaufwand das Material, aus dem ein Produkt hergestellt wird. Verarbeitet werden beim Additive Manufacturing in der Regel Plastik, Metall oder Keramik. Aus Umweltsicht wäre es zum Beispiel problematisch, wenn Holzprodukte in Zukunft durch Waren aus Plastik ersetzt würden, weil für dieses ein 3D-Druck möglich ist, für das natürliche Material Holz jedoch nicht. Gleichzeitig bringen 3D-Drucker die Gefahr der kürzeren Verwendung von Produkten: Wer sich eine neue Vase einfach ausdrucken kann, entscheidet wahrscheinlich schneller, dass ihm die alte nicht mehr gefällt.

Schon diese wenigen Punkte zeigen: Erst nach systematischen Untersuchungen können wir beantworten, ob sich AM aus Umweltgesichtspunkten wirklich lohnt. Ein Faktor, der natürlich auch Einfluss darauf hat, wie 3D-Drucker in Zukunft eingesetzt werden sollten. Wenn man nicht gerade ein Herz ausdruckt. Hartmut Stahl