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Vermeiden! Verlagern! Verringern!

Verkehr und Klimaschutz

Christiane Weihe

Er ist ein schwarzes Schaf, ein Sorgenkind. In Sachen Klimaschutz hat der Verkehrssektor noch nicht viel erreicht. Auf ihn geht hierzulande etwa ein Fünftel der Treibhausgasemissionen zurück, zwischen 1990 und 2012 wurden seine Emissionen nur um 5,5 Prozent reduziert. Sie stiegen sogar, wenn der von der Bundesrepublik ausgehende internationale Luft- und Seeverkehr berücksichtigt wird. Will Deutschland jedoch seine Klimaziele erreichen – also eine Senkung der Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent bis 2050 im Vergleich zu 1990 – müssen die Emissionen des Verkehrssektors deutlich zurückgehen. Ansatzpunkte für mehr Klimaschutz im Verkehr gibt es auf vielen Ebenen: mit Blick auf Antriebstechnologien und Kraftstoffe ebenso wie durch die Vermeidung und Verlagerung von Verkehr.

„Der Verkehr kann einen substanziellen Beitrag zur Emissionsminderung leisten“, sagt Dr. Wiebke Zimmer. Dass dies möglich ist, haben die Experten des Öko-Instituts in einem Verbändeprojekt von WWF, BUND, Germanwatch, NABU und VCD auf Grundlage eines Klimaschutzszenarios errechnet (siehe hierzu ausführlich Infokasten „Der Verkehr von morgen“ auf Seite 11). Wie dies möglich ist, erklärt die stellvertretende Leiterin des Institutsbereichs Infrastruktur & Unternehmen. „Ein zentraler Schritt ist die Verkehrsvermeidung und -verlagerung“, sagt Wiebke Zimmer, „das betrifft den Personen- ebenso wie den Güterverkehr.“ So müsse etwa der Anteil der Transporte mit Bahn und Binnenschiff deutlich erhöht werden. Denn insbesondere der Güterverkehr auf der Straße hat einen erheblichen Anteil an der schlechten Klimabilanz des Verkehrs. „Kein Wunder: 2011 gab es hierzulande mehr als doppelt so viel Güterverkehr wie 1990“, so Zimmer. Ansatzpunkte, um den Verkehr auf die Schiene und Schiffe zu verlagern, sind unter anderem eine Verbesserung der Schieneninfrastruktur, Investitionen in das Kanalnetz oder auch eine Ausweitung der Maut für Lkw auf alle Straßen. „Grundlage solcher Maßnahmen muss eine entsprechende netzübergreifende, multimodale Verkehrsplanung im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans sein“, erklärt die Wissenschaftlerin vom Öko-Institut.

Verkehrsvermeidung und -verlagerung betrifft ebenso den privaten Verkehr. „Es gilt natürlich ebenso, mehr Menschen aus dem Auto aufs Fahrrad, in den ÖPNV und in die Bahn zu bringen“, so die Expertin. Die Ansatzpunkte sind auch hier vielfältig: Sie umfassen deutliche Angebotsverbesserungen im ÖPNV wie etwa zusätzliche Linien, eine dichtere Taktung sowie eine bessere Vernetzung zwischen den unterschiedlichen Verkehrsmitteln ebenso wie die Verbesserung der Fahrradinfrastruktur. Hierzu gehört der Ausbau des Fahrradroutennetzes sowie die Schaffung von Fahrradschnellwegen, aber auch die Einrichtung von Fahrradstationen an zentralen Punkten. „Außerdem müssen wir neue Mobilitätskonzepte und multimodale Angebote fördern“, sagt Wiebke Zimmer, „dazu gehört auch das Carsharing, das sich hierzulande insbesondere in den Großstädten einer wachsenden Zahl von Nutzern erfreut.“ Ursachen hierfür liegen in neuen Angeboten und den praktischen Nutzungsmöglichkeiten durch Apps und Smartphones ebenso wie in einer zurückgehenden Autoaffinität junger Erwachsener (siehe hierzu auch das Interview mit Dr. Konrad Götz). Gefördert werden kann das Carsharing etwa durch besondere Rechte bei der Parkraumbewirtschaftung.

Lebenswerte Städte

Die Vorteile neuer Mobilitätsangebote werden inzwischen von zahlreichen Nutzern erkannt. Andere verkehrspolitische Maßnahmen – wie etwa die Einführung von Tempolimits oder einer Pkw-Maut – stoßen auf deutlich weniger Gegenliebe. „Dabei wird vergessen, dass solche Maßnahmen viel Lebensqualität schaffen können“, sagt Wiebke Zimmer, „denn weniger Autos bedeutet natürlich auch: weniger Lärm, weniger Schadstoffe.“ Insbesondere Städte und Kommunen seien durch die negativen Konsequenzen des Verkehrs direkt belastet, so durch verschmutzte Luft oder durch die mit Parkplätzen blockierten Flächen. „Die Strategien für mehr Klimaschutz im Verkehr setzen meist auf nationaler, europäischer oder internationaler Ebene an, doch auch die Kommunen spielen eine entscheidende Rolle“, sagt Wiebke Zimmer, „hier ist sozusagen die Keimzelle nachhaltiger Mobilität.“ So könnten durch die Verkehrsplanung der Kommunen entscheidende Weichen gestellt werden, wie sich ihre Bewohner auf nationaler Ebene fortbewegen. „Darüber hinaus können Städte und Kommunen nicht nur von weniger Lärm und Schadstoffen profitieren“, ergänzt die Wissenschaftlerin, „sondern ebenso von den entstehenden Gestaltungsräumen, die durch die Einrichtung autofreier Zonen entstehen.“

Effizient und alternativ

Weniger Lärm, weniger Schadstoffe, mehr Klimaschutz – auch Technologien bieten hierfür wichtige Ansatzpunkte. Das zeigt die Elektromobilität: Durch sie können die Treibhausgasemissionen des Verkehrs deutlich gesenkt werden, wenn die eingesetzte Energie aus regenerativen Quellen stammt (siehe hierzu ausführlich „Verkehr aus der Steckdose“ auf Seite 12). „Elektromobilität eignet sich im Übrigen hervorragend für das Carsharing“, so Zimmer, „hier spielt etwa die begrenzte Reichweite eine untergeordnete Rolle.“ Darüber hinaus müssen bei allen Verkehrsträgern bestehende Effizienzpotenziale gehoben werden. Hierfür sind EU-weite ambitionierte Effizienzvorgaben sowohl für Pkw als auch für leichte und schwere Nutzfahrzeuge notwendig.

Die Minderung des Endenergiebedarfs ist zentral für mehr Klimaschutz im Verkehr. „Sie alleine aber wird wohl eine Reduzierung der Treibhausgasemissionen um 95 Prozent bis 2050 nicht bewirken – und Deutschland sollte sich als Industrieland am oberen Rand der Minderungsziele orientieren“, sagt die Expertin vom Öko-Institut, „für dieses Ziel braucht es zusätzlich nachhaltige und emissionsarme Kraftstoffalternativen.“ Mögliche Optionen sind nachhaltige Biokraftstoffe auf Basis von Rest- und Abfallstoffen und strombasierte Kraftstoffe aus erneuerbaren Energien.

Eine besondere Herausforderung für den Klimaschutz im Verkehr sind im Übrigen der Verkehr zu See und in der Luft, da diese Bereiche ein besonders hohes Wachstum aufweisen. Hier besteht zudem eine große Herausforderung in der Etablierung internationaler Mechanismen zur Emissionsminderung (siehe hierzu ausführlich „Klimaschutz im Luftverkehr“ sowie „Klimaschutz im Seeverkehr“).

Viele Schritte

Die beschriebenen Maßnahmen zeigen: Es gibt viel zu tun in Sachen Verkehr und Klimaschutz. „Sie zeigen aber auch: Man muss nicht nur viel tun, man kann auch viel tun“, sagt die Wissenschaftlerin, „jetzt gilt es für die Verkehrspolitik, die richtigen Weichen zu stellen. Und für die Nutzer, ihr Mobilitätsverhalten grundlegend in Frage zu stellen.“ Christiane Weihe

info: w.zimmer@oeko.de

Der Verkehr von morgen

Eine Senkung der Treibhausgasemissionen des Verkehrs um über 80 Prozent bis 2050 ist möglich – das zeigt ein Konzept der Umweltverbände WWF, BUND, Germanwatch, NABU und VCD, das vom Öko-Institut wissenschaftlich begleitet wurde. Kern des Verbändekonzepts „Klimafreundlicher Verkehr in Deutschland“ ist ein Klimaschutzszenario, das die Ideen der Verbände umfasst, wie die Ziele eines nachhaltigen Verkehrssystems erreicht werden können. Das Szenario sieht ein umfangreiches Bündel an Strategien und Maßnahmen vor, darunter die Verlagerung und Vermeidung von Verkehr sowie die Steigerung der Effizienz aller Verkehrsträger. Teil des Maßnahmenbündels sind zudem die Einführung von alternativen Antrieben und der Einsatz von treibhausgasarmen Kraftstoffen. Das Verbändekonzept befasst sich auch mit politischen Maßnahmen, die Ideen zur Minderung des Personenverkehrs fördern sowie auf europäischer Ebene die CO2-Grenzwerte von Pkw und Lkw verschärfen.

Bis 2050 kann sich der Personenverkehr um 15 Prozent verringern, so das Szenario. Es wird erwartet, dass bis dahin auf flexible Mobilitätsangebote des ÖPNV, auf Fahrräder sowie auf Carsharing-Angebote zurückgegriffen wird. Der Güterverkehr nimmt zunächst weiter zu, geht dann aber etwa auf das heutige Niveau zurück. Ein Verzicht auf fossile Kraftstoffe sowie die Verkehrsverlagerung auf Schiene und Binnenschiffe könnten eine deutliche, langfristige Emissionsminderung bewirken.

Auf Grundlage der skizzierten Maßnahmen berechnete das Öko-Institut eine mögliche Minderung des Endenergiebedarfs im Verkehrssektor um rund 70 Prozent bis 2050 im Vergleich zu 2005. Damit ist eine Senkung der Treibhausgasemissionen um 86 Prozent im Vergleich zu 1990 möglich, so das Verbändekonzept. Voraussetzung ist, dass die Energiewende im Stromsektor konsequent realisiert wird und für den Fahrzeugbetrieb strombasierte Gas- und Flüssigkraftstoffe auf regenerativer Basis genutzt werden. Es braucht jedoch eine weitere Diskussion, so die Experten des Öko-Instituts, ob und wie unter anspruchsvollen Nachhaltigkeitsanforderungen Biokraftstoffe sowie strombasierte Kraftstoffe eingesetzt werden können.