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Perspektive

Kein Jubel für die Umwelt?

Mehr Nachhaltigkeit bei Sportveranstaltungen

Daniel Beher

Wir sind Weltmeister! Die Krönung einer fantastischen Fußball-WM in Brasilien. In diesem Sommer haben wir besondere Sportmomente erlebt, die ich nicht missen will. Doch bietet ein solch sportliches Großereignis nicht nur Jubelanlässe, sondern auch Anlass zur Besorgnis, was die ökologische und soziale Nachhaltigkeit betrifft. Für die Umwelt war diese WM eine große Belastung. Und auch, wenn ich mich an dieser Stelle mit den ökologischen Folgen befasse, ist klar: Zu Recht steht auch die soziale Nachhaltigkeit im Fokus. Es ist abzusehen, dass diese WM nicht dazu genutzt wurde, dauerhafte soziale und ökologische Verbesserungen in Brasilien umzusetzen. Auch wenn während der WM nicht protestiert wurde, die Bürger sind wütend. Die Staatpräsidentin Dilma Rousseff weiß das, man konnte es ihr bei der Überreichung des WM-Pokals ansehen.

Zurück zur Umwelt: Die Belastungen während einer Fußball-WM werden vor allem durch die Mobilität verursacht – das betrifft die Anreise der Teams, Journalisten und Fans ebenso wie Reisen innerhalb des Landes. Beides zusammen macht über 80 Prozent der Treibhausgasemissionen dieser WM aus. Etwa die Hälfte der mobilitätsbedingten Emissionen geht auf die Anreise zurück. Allein die Zahl der Ticketverkäufe für die WM macht deutlich, von wie vielen Reisen wir hier sprechen. Anfang Juni waren fast drei Millionen Tickets verkauft worden, davon 40 Prozent an Fans außerhalb Brasiliens. Deutschland lag mit fast 59.000 Tickets hinter dem Gastgeber sowie den USA und Argentinien an vierter Stelle. Hinzu kommen die Reisen zwischen den Spielorten. Diese dürften aufgrund großer Distanzen und fehlender bzw. aufwändiger Zug- oder Busverbindungen im Wesentlichen mit dem Flugzeug zurückgelegt worden sein. Ich sehe die Veranstalter viel stärker in der Pflicht, attraktive Angebote im Personenfern- und -nahverkehr zu schaffen. Hier braucht es mehr Kooperationen der FIFA mit den nationalen Fußballverbänden und den relevanten Partnern vor Ort. Dies könnte etwa Ermäßigungen oder sogar kostenlose Fahrten für Ticket-Inhaber ermöglichen. Ich weiß, die FIFA ist ein Fußballverband und kein Reiseunternehmen, aber warum gab es zum Beispiel keine FIFA-Fernbusverbindungen, mit denen Fans kostenlos zwischen den Spielorten reisen konnten? Sowohl der Weltfußballverband als auch die nationalen Verbände erreichen mit ihrer Kommunikation die Fans und sind daher auch in der Lage, die Nachfrage für solche Angebote zu wecken. Hier ist in punkto Nachhaltigkeit noch reichlich Luft nach oben.

Im Vergleich zur WM von 2006 und der Frauen-WM 2011, für die das Öko-Institut im Projekt Green Goal für den Deutschen Fußball-Bund (DFB) umfassende Umweltkonzepte erstellt hat, hatte die WM in Brasilien nicht nur eine absolut höhere Umweltbelastung, es wurde auch versäumt, langfristige Maßnahmen anzustoßen. Beispiel Umweltmanagement im Stadion: In vielen deutschen Fußballarenen gehört es heute zum normalen Stadionmanagement, Energieverbräuche zu reduzieren, erneuerbare Energien einzusetzen und ein gutes ÖPNV-Angebot zu schaffen. Ja, der Weltfußballverband fordert von WM-Bewerbern, die Umweltauswirkungen einer WM zu berücksichtigen. Verbindliche und ambitionierte Nachhaltigkeitsstandards, deren Umsetzung geprüft wird, fehlen allerdings. Das muss sich ändern. Nur wenn ein nachhaltiges, grünes Erbe durch die Ausrichtung einer WM entsteht, müssen sich Staatsoberhäupter von demokratischen Ländern nicht mehr bei der Pokalübergabe von den Fans auspfeifen lassen.

Natürlich freue ich mich über den vierten Stern für die deutsche Mannschaft. Den Preis dafür bezahlen aber die Umwelt und die brasilianische Bevölkerung. Dass sich das bei zukünftigen Großveranstaltungen ändert, dafür setze ich mich mit meiner Arbeit am Öko-Institut ein. Daniel Bleher