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“Viele haben den Wert des Essens komplett aus dem Blick verloren”

Interview mit Thomas Voß, Kaufmännischer Direktor der LWL-Kliniken Münster und Lengerich

Christiane Weihe

Über 1.700 Mittagessen werden jeden Tag in zwei Kliniken in Münster und Lengerich zubereitet und verspeist. Dazu noch Frühstück, Abendessen, Zwischenmahlzeiten. Doch wer bei Krankenhaus an fade und billige Kost denkt, kennt die beiden Kliniken für Psychiatrie und Psychotherapie des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) nicht. Denn auf das Essen wird hier großen Wert gelegt, mit Blick auf seinen Geschmack ebenso wie in Sachen Nachhaltigkeit. Thomas Voß, Kaufmännischer Direktor der beiden Kliniken, hat den Wandel in Richtung Nachhaltigkeit entscheidend geprägt – schon 1999, als die Klinik in Münster als erstes psychiatrisches Fachkrankenhaus in Deutschland das EU-Umweltmanagement-Gütesiegel EMAS erhielt. Im Interview mit eco@work spricht er über den Einsatz von Biolebensmitteln und den Verzicht auf Fleisch ebenso wie über die Vermeidung von Lebensmittelabfällen.

Herr Voß, warum hat Krankenhausessen so einen schlechten Ruf?

Weil es oft sehr schlecht ist. Viele Krankenhäuser sind extrem auf Ökonomie getrimmt worden, da hat die Küchenleitung manchmal nur drei Euro pro Person und Tag für den Wareneinsatz zur Verfügung. Dabei haben viele den Wert des Essens komplett aus dem Blick verloren.

Was sind für Sie die wesentlichen Säulen einer nachhaltigen Gemeinschaftsverpflegung?

Sie hat eine soziale, ökologische und ökonomische Seite. Das geht los mit einer angemessenen Bezahlung des Küchenpersonals und vernünftigen Arbeitszeiten. In der Küche ist die körperliche und zeitliche Belastung sehr hoch, das müssen wir immer im Hinterkopf haben. Zudem wollen wir eine vernünftige Ernährung auf den Tisch bringen. Daher stehen unseren Küchenleitern pro Tag 5,27 Euro für den Lebensmitteleinkauf pro Person zur Verfügung – damit sind wir im Vergleich zu anderen Krankenhäusern im oberen Drittel. Mit Blick auf die Ökologie spielen natürlich Themen wie Ökostrom und ein gutes Mobilitätsmanagement eine große Rolle. Und nicht zuletzt: Nachhaltiges Essen und eine möglichst geringe Lebensmittelverschwendung.

Wie setzen Sie dieses um?

Zum Beispiel durch einen möglichst hohen Anteil an ökologisch erzeugten Lebensmitteln. Dieser liegt bei uns derzeit bei etwa 22 Prozent. Wir achten auf eine artgerechte Tierhaltung, soweit das machbar ist. Darüber hinaus haben wir viele vegetarische Gerichte, jeden Mittwoch gibt es ausschließlich fleischlose Kost. Bei den Lebensmittelabfällen sind es viele kleine Schritte, die wir gehen.

Zum Beispiel?

Wir haben uns in den vergangenen Jahren genau angeschaut, welche Abfälle entstehen und warum sie entstehen. So haben wir zum Beispiel gelernt, dass die Portionen oft zu groß waren. Also kommt heute eine überschaubare Menge auf den Teller und wer noch Hunger hat, erhält einen Nachschlag. Das hat die Reste auf den Tellern deutlich reduziert. Produkte, die das Mindesthaltbarkeitsdatum erreicht haben, schmeißen wir nicht blind weg, sondern prüfen sie und setzen sie in der Mitarbeiterverpflegung ein, wenn sie noch gut sind. Durch solche Maßnahmen verschwenden wir heute etwa 13 Tonnen Lebensmittel weniger als noch 2014. So sparen wir sehr viel Geld ein, das wir direkt dazu nutzen können, hochwertige Biolebensmittel einzukaufen.

Das wird wahrscheinlich nicht ausreichen, um höhere Kosten zu decken.

Nein, aber wir haben viele Stellschrauben, an denen wir drehen können, um Kosten zu reduzieren ohne auf Qualität zu verzichten. So haben wir etwa teures Kalbfleisch ausgelistet, die Fleischportionen verkleinert. Zudem achten wir sehr darauf, welche Lebensmittel gerade Saison haben – was keine Saison hat, ist oft auch sehr teuer.

Woher beziehen Sie Ihre Lebensmittel?

So viel wie möglich aus der Region. Wir beziehen zum Beispiel Schweinefleisch nur noch Bio von einer Erzeugergemeinschaft aus Berkamen. Ein Biolandwirt aus Harsewinkel beliefert uns mehrfach im Jahr mit Rindfleisch. Eier nutzen wir nur noch von zertifizierten Biohöfen im Münsterland. Und unsere Frischmilchprodukte stammen von einer Hofmolkerei in Münster, die zwar keine Bioprodukte herstellt, aber die Tiere anständig hält.

Welche Schritte unternehmen Sie, um noch besser zu werden?

Wir befragen zum Beispiel regelmäßig die Gäste. So lernen wir, was gut läuft und was wir besser machen können. Natürlich gibt es noch viel zu tun. Ich würde zum Beispiel sehr gerne komplett auf Bio-Geflügel umstellen, aber das ist nicht so ohne Weiteres bezahlbar. Zudem wird auf den Stationen sehr viel Brot weggeworfen, das wollen wir nun angehen. Ich denke aber, dass wir insgesamt gesehen schon heute ein sehr gutes Level erreicht haben.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Christiane Weihe.