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Perspektive

Stillstand statt Aufbruch

Die Klimakonferenz von Madrid

Klimakonferenzen sind ein Paralleluniversum der besonderen Art. Zwei Wochen lang verbringen Tausende von Menschen Tage und Nächte in meist fensterlosen Räumen und streiten über große politische Fragen und kleine Details. Sie machen oft aus, wie viel Klimaschutz am Ende dabei herauskommt. Ob sich Länder zum Beispiel mit Tricks ihre Klimaziele schön rechnen können oder eben nicht.

Das Universum der letzten Klimakonferenz in Madrid schien noch ein paar Lichtjahre weiter entfernt. Während in Deutschland und in der EU durch den Druck der Fridays for Future und anderer Protestbewegungen einiges in Bewegung gekommen ist, hat man von Aufbruch in Madrid wenig gespürt. Nach langem Ringen und zahlreichen Kompromissvorschlägen konnten sich die Staaten bei zentralen Fragen nicht einigen und haben wichtige Entscheidungen vertagt. Dabei haben wir für Stillstand beim Klimaschutz einfach keine Zeit mehr. Noch immer steigen die globalen Emissionen, obwohl sie nun drastisch sinken müssten, um die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen.

Auf der Klimakonferenz in Katowice 2018 haben die Staaten ein umfassendes Regelwerk verabschiedet, das das Pariser Klimaschutzabkommen mit Leben füllt. Dazu gehörten vor allem Regeln, wie Länder ihre Klimaziele definieren und wie sie den Fortschritt zur Erreichung dieser Ziele berichten. Bei einem Thema konnte allerdings keine Einigung erzielt werden: den Regeln für so genannte Marktmechanismen. Unter diesen können Länder Klimaschutz in anderen Ländern finanzieren, hierfür Klimaschutzzertifikate erwerben und sich diese auf ihre eigenen Klimaziele anrechnen. Wenn also Kanada eine Windkraftanlage in Indien finanziert, kann es sich die dadurch erzielten Emissionsminderungen auf die eigenen Klimaziele anrechnen.

Grundsätzlich kann eine solche Kooperation zwischen Ländern den Klimaschutz voranbringen, denn die Marktmechanismen können Kosten reduzieren und neue Möglichkeiten identifizieren, Treibhausgase zu verringern. Wenn die Regeln für den Handel mit Klimaschutzzertifikaten aber nicht wasserdicht ausgestaltet werden, können Marktmechanismen auch die gegenteilige Wirkung haben und zu höheren Emissionen führen. Etwa, wenn Länder sich Klimaschutzprojekte anrechnen, die sowieso umgesetzt worden wären. Eine Gefahr liegt zudem in der Doppelzählung von Emissionsminderungen, bei denen sich neben dem Zertifikatekäufer auch der Verkäufer die Emissionsreduktion anrechnet. Einige Länder, allen voran Brasilien, setzen sich für Regeln ein, die genau dies ermöglichen. Schwierigkeiten gibt es bei den Marktmechanismen aber auch mit Blick auf die Klimaziele der Staaten.

Reibungspunkte gab es unter den Delegierten in Madrid auch zu der Frage, ob und in welchem Umfang alte Zertifikate aus dem Kyoto-Protokoll auf die Pariser Verpflichtungen angerechnet werden können. Eine Anrechnung würde dem Klimaschutz schaden, weil die meisten zugrundeliegenden Klimaschutzprojekte so oder so weiterlaufen und die Käufer der Zertifikate dann weniger Emissionen reduzieren müssen, um ihre Ziele zu erreichen. Vor allem die Industriestaaten lehnten zudem den Vorschlag der Inselstaaten ab, dass Käufer von Klimazertifikaten nur einen Teil davon für die eigenen Klimaziele nutzen dürfen und der Rest quasi direkt dem Klima zugute kommt. Eine gute Idee, wie ich persönlich finde. Aber natürlich auch eine Idee, die den Klimaschutz für die Käufer der Zertifikate teurer macht. Zusätzlich wurden einige Ergebnisse der Klimakonferenz in Katowice nun wieder in Frage gestellt. Und auch der Rückzug der Trump-Administration aus dem Pariser Klimaschutzabkommen hat seine Schatten auf die Konferenz geworfen. Dennoch hat die US-Delegation konstruktiv mitverhandelt – wohl auch vor dem Hintergrund, dass eine zukünftige Administration dem Abkommen wieder beitreten könnte und es dann wichtig ist, dass originäre Interessen der USA in den Umsetzungsregeln berücksichtigt worden sind.

Auch wenn internationale Klimaverhandlungen oft sehr mühsam sind und es immer wieder Rückschläge gibt, so sind sie für den Klimaschutz doch unerlässlich. Nur mit einem internationalen Regelwerk können wir erreichen, dass sich alle Länder am Klimaschutz beteiligen und Transparenz über die Fortschritte erzielt wird.

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Lambert Schneider ist als Mitglied der EU-Delegation an den internationalen Klimaverhandlungen beteiligt. Sein Hauptthema dabei sind die so genannten Marktmechanismen. Der Forschungs-koordinator für internationale Klimapolitik widmet sich am Öko-Institut unter anderem internationalen Kohlenstoffmärkten und dem Emissionshandel sowie der Quantifizierung und Anrechnung von Treibhausgasemissionen.