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Im Fokus

Mehr Kontrollen, weniger Tiere

Landwirtschaft und Nachhaltigkeit

Christiane Weihe

Das Schnitzel, das auf unseren Tellern liegt. Oder die Milch, die wir morgens in den Kaffee rühren. Sie haben nicht allein Auswirkungen auf die Kühe, die für diese Nahrungsmittel aufgezogen und gehalten werden. Unser Fleisch- und Milchkonsum beeinflussen Umwelt und Klima auf unterschiedliche Weise. Sie sind mit einem hohen Flächen- und Ressourcenverbrauch verbunden, der Belastung des Oberflächen- und Grundwassers mit hohen Nitratwerten, Emissionen in die  Luft oder auch Landnutzungsänderungen für den Futtermittelanbau, die wiederum zum Verlust von Biodiversität und erhöhten Treibhausgasemissionen führen. In unterschiedlichen Projekten geht das Öko-Institut der Frage nach, wie diese negativen Einflüsse auf Umwelt und Klima verringert werden können.

„Der Konsum von tierischen Produkten wie Fleisch oder Milch wirkt sich auf verschiedenen Ebenen negativ aus – auf unsere Gesundheit und das Tierwohl ebenso wie auf Umwelt und Klima“, so Kirsten Wiegmann, Senior Researcher am Öko-Institut, „so werden zum Beispiel durch den Antibiotikaeinsatz Gewässer belastet und es besteht das Risiko von Antibiotikaresistenzen. Beim Futtermittelanbau kommen Pestizide, Herbizide und synthetisch hergestellte Mineraldünger zum Einsatz.“ Ein zentrales Problem der Tierhaltung sind zudem Stickstoffverluste in die Umwelt. Neben dem oft genannten Nitrat ist das vor allem Ammoniak, das unter anderem zur Bildung von Feinstaub und Ozon führt. Auch Klimagase sind ein Problem, vor allem Methan. „Dieses entsteht bei der Verdauung von Milchkühen und Rindern“, erklärt die Wissenschaftlerin aus dem Bereich Energie & Klimaschutz, „solche biologischen Prozesse sind natürlich schwer steuerbar. Bislang gibt es zudem keine gesicherte Technologie, die die Methanproduktion aus der Verdauung von Wiederkäuern reduzieren könnte, obwohl hier seit Jahren geforscht wird.

Für mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft braucht es eine vielteilige Strategie. Ein zentraler Ansatzpunkt ist es, die Stickstoffemissionen durch eine integrierte Politik zu verringern. Wie dies gelingen kann, hat das Öko-Institut gemeinsam mit dem Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) im Projekt „Instrumente und Maßnahmen zur Stickstoffreduktion im Rahmen der Stickstoffstrategie Baden-Württemberg“ untersucht. „Die Landwirtschaft setzt synthetischen Stickstoff als Dünger ein, da dieser Nährstoff in pflanzenverfügbarer Form in der Natur eigentlich Mangelware ist“, erklärt Kirsten Wiegmann, „dabei entstehen hohe Stickstoffüberschüsse, die in die Umwelt entweichen und so die Artenvielfalt und die menschliche Gesundheit gefährden.“ Die Überschüsse entstehen vor allem durch eine regionale Trennung von Pflanzenbau und Tierhaltung sowie zugekauftes Tierfutter. „Mist und Gülle sind zwar Dünger und die Vergärung von Gülle in Biogasanlagen, die überwiegend damit beschickt werden, könnte die Methanemissionen verringern. Doch ohne teure Aufbereitung lohnt es sich nicht, Mist und Gülle woanders hin zu transportieren“, so Wiegmann. „Daher sind vor allem die Tierhaltungsgebiete mit hohen Stickstoffemissionen belastet.“

Im Rahmen der Analyse für das Umweltministerium Baden-Württemberg entwickelte das Öko-Institut Empfehlungen, um Stickstoffüberschüsse zu reduzieren. „Wir brauchen langfristige und tiefgreifende Maßnahmen, die sowohl auf den Agrarbereich als auch auf das Ernährungsverhalten der Bevölkerung abzielen“, sagt Wiegmann, „so müssen wir dringend gezielt den Tierbestand verkleinern, dürfen ihn aber auch nicht weiter regional konzentrieren wie in der Vergangenheit. Die Wiedereinführung einer flächengebunden Tierhaltung ist überfällig.“

Mit Blick auf Stickstoff bringt zudem ein Ausbau des Ökolandbaus ein relevantes Einsparpotenzial, da die biologische

Landwirtschaft keinen Mineraldünger einsetzen darf. Ein zentrales Element der Analyse des Öko-Instituts ist zudem ein veränderter Rechtsrahmen. „Dieser muss Stickstoffemissionen integriert betrachten und verbindliche Reduktionsziele vorschreiben – vielleicht sogar über ein eigenes Stickstoffgesetz“, sagt Wiegmann, „dabei darf ein Maßnahmenprogramm nicht fehlen, das zeigt, wie diese erreicht werden können.“ Zusätzlich müsse kontrolliert werden, ob die landwirtschaftlichen Betriebe die Regelungen auch wirklich einhalten. „Es gibt derzeit nicht einmal eine Statistik, wie viel Mineraldünger wirklich ausgebracht wird.“

NACHHALTIGE SCHWEINEHALTUNG

Wie sich zum Beispiel die Schweinehaltung nachhaltiger gestalten lässt, hat das Öko-Institut zudem im Rahmen des Projektes „Trafo 3.0“ untersucht. Die Analyse empfiehlt dabei unter anderem, gesellschaftliche Trends wie die zunehmende Offenheit für Produkte aus tierfreundlicherer Haltung zu nutzen, etwa durch eine obligatorische Deklaration der Haltungsbedingungen auf den Produkten. „Sinnvoll ist es auch, technische, institutionelle und soziale Innnovationen zu fördern und zum Beispiel regionale Wertschöpfungsketten durch den Aufbau von Akteurskooperationen zu ermöglichen oder auch digitale Medien für die Vermarktung von besonders tierwohlgerechtem Fleisch zu nutzen“, erklärt Dr. Jenny Teufel, Senior Researcher im Bereich Produkte & Stoffströme. Zentral sei es zudem, nicht-nachhaltige Strukturen aufzugeben. „So sollte etwa die Haltung von Mastschweinen in unstrukturierten Buchten auf Vollspaltenböden beendet werden. Sie ist mit Krankheiten und Verhaltensstörungen verbunden“, so Teufel, „darüber hinaus sollten Zeitfenster genutzt und zum Beispiel Hofübergaben aktiv begleitet werden, um so zum Beispiel eine Verkleinerung von Tierbeständen oder eine Verbesserung der Tierhaltung zu erreichen.“ Aus Sicht des Öko-Instituts lohnt sich zudem ein Blick ins Nachbarland Frankreich, da hier eine Roadmap für eine Ernährungs- und Landwirtschaftspolitik bis 2022 veröffentlicht wurde, die sich an Nachhaltigkeit orientiert. „Teilaspekte sind hier unter anderem, die Haltungsbedingungen auf Fleischprodukten zu deklarieren und aus der Glyphosatnutzung auszusteigen.“

Die Landwirtschaft ist ohne Frage mit immensen Herausforderungen konfrontiert, wenn es um Umwelt und Klima geht. Ein wichtiger Rahmen, um ihnen zu begegnen, liegt aus Sicht der Wissenschaftlerinnen auch auf europäischer Ebene. „Zum einen müssen wir natürlich den EU-Anforderungen mit Blick auf Nitrat im Grundwasser nachkommen, hier braucht es klare Düngeregelungen“, sagt Kirsten Wiegmann. Zusätzlich kann aus Sicht des Öko-Instituts die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der EU ein wichtiger Hebel für mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft sein. „EU-Gelder zur Agrarförderung müssen endlich an die Einhaltung höherer Umwelt- und Tierstandards gebunden werden – ich erwarte, dass dies langfristig auch passiert“, sagt die Wissenschaftlerin, „auch das wäre ein wichtiger Impuls in Richtung Landwirtschaft, nicht nur umzudenken, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen danach zu handeln.“