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Mehr Gemüse, weniger Tiere

Ernährung und Nachhaltigkeit

Christiane Weihe

Die Grundlage: Pflanzliche Lebensmittel. Tierische Lebensmittel als Ergänzung. So etwa Fisch, ein oder zwei Mal die Woche. Und auch etwas Fleisch. Aber nicht mehr als 300 bis 600 Gramm im Laufe von sieben Tagen. So sieht eine Ernährung aus, die den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) folgt. Sie wäre nicht nur gesünder als das, was die Deutschen zu sich nehmen – etwa durchschnittlich über ein Kilogramm Fleisch pro Woche. Eine Ernährung nach DGE-Empfehlungen hätte auch zahlreiche positive Folgen für Umwelt und Klima. Denn sie verursacht laut einer Studie des Öko-Instituts zwölf Prozent weniger Treibhausgase als eine durchschnittliche, fleischbetonte Ernährung. Mit einer vegetarischen oder einer veganen Ernährung lassen sich im Vergleich dazu sogar 26 beziehungsweise 37 Prozent klimaschädliche Emissionen einsparen.

Die Deutschen essen zwar immer bewusster und abwechslungsreicher. So sind die Umsätze mit Biolebensmitteln in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen – 2018 lagen sie bei 10,9 Milliarden Euro. Die Zahl der Flexitarier und Flexitarierinnen, die ihren Fleischkonsum bewusst verringern, steigt und lag 2016 laut einer Erhebung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) bei 37 Prozent.  Auch die Zahl der Menschen, die vegetarisch oder vegan essen, erhöht sich weiter: Laut dem Ernährungsreport 2019 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft ernähren sich sechs Prozent der Befragten in einer repräsentativen Umfrage vegetarisch sowie ein Prozent vegan. Nicht nur bei ihnen erfreuen sich zudem pflanzliche Fleisch- und Wurstalternativen einer wachsenden Beliebtheit.

Doch nach wie vor konsumieren die deutschen Verbraucherinnen und Verbraucher aus Nachhaltigkeitssicht zu viele tierische Lebensmittel. So zum Beispiel rund 60 Kilogramm Fleisch im Jahr – im Vergleich zu den von der DGE empfohlenen 15,6 bis 31,2 Kilogramm. Ein Wert, der sich seit dem Jahr 2000 nicht deutlich verändert hat. Der Anteil von besonders umwelt- und tierfreundlich produziertem Fleisch hat sich zudem nicht signifikant erhöht. Und auch der Konsum von Milchprodukten ist mit Tierhaltung verbunden und damit ein nicht zu unterschätzender Teil des ökologischen Fußabdrucks unserer Ernährung. „Neben dem Wohnen und der Mobilität verursachen wir durch unsere Ernährung die größten Umweltbelastungen“, erklärt Dr. Jenny Teufel vom Öko-Institut, „etwa 15 Prozent der Treibhausgasemissionen des privaten Konsums gehen auf Anbau und Verarbeitung, Transport und Lagerung von Lebensmitteln sowie die Speisenzubereitung und Resteentsorgung zurück.“ Zusätzlich sind mit unserer Ernährung weitere Umweltbelastungen verbunden. „Stickstoffemissionen belasten zum Beispiel Böden, Gewässer und Biodiversität, diese nimmt auch durch Pestizideinsatz und Monokulturen Schaden“, so Kirsten Wiegmann, Senior Researcher im Bereich Energie & Klimaschutz des Öko-Instituts, „rechnet man diese Belastungen mit ein, verursacht die Ernährung mehr als ein Viertel der Umwelt- und Klimaschäden des privaten Konsums.“ Wichtig sei es daher, sich „tierprodukteärmer“ zu ernähren und damit die Belastungen aus der Landwirtschaft zu reduzieren (siehe hierzu ausführlich „Mehr Kontrollen, weniger Tiere“ auf Seite 12). „Eine Ernährung nach DGE-Empfehlungen wäre da schon ein Riesenschritt.“

DIE HÄLFTE ISST UNTERWEGS

Wie sich eine nachhaltigere Ernährung der Deutschen umsetzen lässt? Dieser Frage hat sich das Öko-Institut gemeinsam mit mehreren Praxispartnern im Projekt „TRAFO 3.0 – Gestaltungsmodell für sozialökologische Transformationsprozesse in der Praxis: Entwicklung und Erprobung in drei Anwendungsfeldern“ gewidmet. TRAFO 3.0 analysiert gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung an konkreten Beispielen, wie sich Transformationsprozesse gestalten und befördern lassen, darunter auch die Reduzierung des Konsums von Fleisch und anderer Lebensmittelprodukte tierischer Herkunft. „Ein Schwerpunkt lag auf der so genannten Gemeinschaftsverpflegung. Denn es zeigt sich: Die Zahl der Menschen, die außer Haus essen, in der Schule, in der Kantine oder am Imbiss nebenan, wächst rasant. Etwa die Hälfte der Menschen isst inzwischen hauptsächlich unterwegs, rund 40 Prozent dessen, was sie für Ernährung investieren, fließt in den Außer-Haus-Markt“, erklärt Jenny Teufel, Senior Researcher im Bereich Produkte & Stoffströme, „dieser Markt ist damit sehr wichtig bei einer Transformationen in Richtung Nachhaltigkeit.“ Ein spannendes Forschungsfeld ist die Gemeinschaftsverpflegung aus Sicht der Expertin auch, weil sie auf verschiedenen Ebenen Veränderungen anstoßen kann – etwa mit Blick auf die Frage, wie viel Fleisch konsumiert wird und als wie attraktiv die Gäste fleischlose Kost wahrnehmen. „Einen wichtigen Einfluss hat auch die Verpflegung in Kindergärten und Schulen“, so Teufel, „denn hier können die Kinder und Jugendlichen einen nachhaltigen Ernährungsstil lernen.“

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben im Rahmen des Projektes unter anderem mit unterschiedlichen Akteuren aus der Gemeinschaftsverpflegung gesprochen und einen Workshop mit Küchenleitungspersonal und Entscheidungsverantwortlichen durchgeführt. Dabei zeigte sich unter anderem, dass die Weitergabe von Wissen und Erfahrungen eine wichtige Rolle spielt – etwa in der Ausbildung von Köchinnen und Köchen. „Vegetarische, vegane oder auch Gerichte mit einem kleinen Teil von Zutaten tierischer Herkunft erfordern, dass die Menüs neu gestaltet und die klassische Struktur von Fleisch, Sättigungsbeilage und Gemüse oder Salat aufgehoben wird. Dies ist aber bislang nicht Teil der Ausbildung. Betriebe, die nachhaltiger und mit weniger Tierprodukten kochen wollen, organisieren deshalb oft selbst Fortbildungen“, sagt Dr. Jenny Teufel. „Die Ausbildungsinhalte für Gastronomieberufe müssen überarbeitet werden – für die Theorie ebenso wie für die Praxis. Aber auch der Austausch zwischen Best-Practice-Akteuren in diesem Bereich und jenen, die ihre Küchen nachhaltiger ausrichten wollen, ist sehr wertvoll.“

Ein zentrales Element für eine nachhaltigere Ernährung ist auch, Lebensmittelabfälle zu vermeiden. Denn sie sind für 15 Prozent der Treibhausgase aus der Ernährung verantwortlich. Jede Verbraucherin und jeder Verbraucher wirft jährlich etwa 75 Kilogramm Lebensmittel in den Müll. Damit entsteht der Großteil der Lebensmittelabfälle – insgesamt 6,1 Millionen Tonnen bzw. 52 Prozent – in privaten Haushalten. „14 Prozent der Abfälle entstehen in der Außer-Haus-Verpflegung, 12 Prozent bei der Primärproduktion und 18 Prozent bei der Verarbeitung“, ergänzt Dr. Jenny Teufel. Ansätze für die Abfallvermeidung sieht sie zum Beispiel in einer bessere Planung und der richtigen Lagerung von Lebensmitteln. „Das gilt für private Haushalte ebenso wie für die Gemeinschaftsverpflegung. Für diese spielt natürlich das Feedback der Gäste eine wichtige Rolle. Regelmäßige Befragungen könnten dabei helfen, das Angebot stärker auf ihre Bedürfnisse auszurichten und bedarfsgerechtere Mengen auf die Teller zu geben. Diese Rückmeldung ist auch extrem wichtig, wenn die Speiseplanung verändert beziehungsweise der Anteil tierischer Produkte im Speiseplan reduziert werden soll.“

Und wie lassen sich die Menschen dazu bewegen, einen höheren Wert auf nachhaltige Ernährung zu legen? Dies hat das Öko-Institut im Projekt „Den ökologischen Wandel gestalten“ mit Blick auf die Gemeinschaftsverpflegung für das Umweltbundesamt zusammengefasst. „Ein wichtiger Faktor ist die Information, sie sollte aber nicht problemzentriert erfolgen, stattdessen eher positiv in Form von „Storytelling“ oder über ein verständliches Logo. Zudem können Gäste in die Menügestaltung einbezogen werden – so über Umfragen oder Ideenwettbewerbe“, sagt Jenny Teufel. „Aber auch Nudging, also kleine Veränderungen, die Anreize schaffen, können das Essensverhalten beeinflussen – so etwa, indem immer ein nachhaltiges Standardgericht oder auch verschiedene Portionsgrößen angeboten werden.“ Grundsätzlich gilt aber vor allem: Es muss schmecken. Und dann darf es auch vegan, vegetarisch oder fleischarm sein.

POLITISCHE MASSNAHMEN

Eine entscheidende Rolle auf dem Weg zu einer nachhaltigeren Ernährung spielen auch ihre Kosten. „In der Gemeinschaftsverpflegung gibt es zum Beispiel einen sehr hohen Kostendruck, das kann Veränderungen hemmen. Aber man kann hochwertiges Fleisch zum Beispiel durch eine optimierte Speisenplanung refinanzieren“, erklärt Teufel. „Ebenfalls es kann sinnvoll sein, Lebensmittel tierischer Herkunft zu verteuern – etwa durch die Abschaffung der reduzierten Mehrwertsteuer auf Fleisch und von umweltschädigenden Subventionen oder die Einführung einer Futtermittelimportsteuer.“ Eine solche Maßnahme sollte laut der Wissenschaftlerin jedoch stets damit verknüpft sein, den notwendigen Umbau der Nutztierhaltung zu finanzieren. „Sonst wird einfach nur die Tierhaltung in Deutschland beendet und wir importieren billigeres Fleisch aus schlechter Tierhaltung.“ Bei einer Verteuerung tierischer Lebensmittel dürften zudem einkommensschwache Haushalte nicht aus den Augen verloren werden. „Wir brauchen Wege, damit sie trotzdem nachhaltig produziertes Fleisch konsumieren können.“

Ernährung und Landwirtschaft gehören aus Sicht der Wissenschaftlerinnen vom Öko-Institut endlich auf die Prioritätenliste der Bundes- und Landespolitik. Instrumente, die Ernährung in Richtung Nachhaltigkeit zu lenken, gibt es aus ihrer Sicht viele. So etwa mit Blick auf die Kennzeichnung von Nahrungsmitteln, Informations- und Bildungs- und Fortbildungskampagnen oder auch die Veränderung der bundeseinheitlichen Ausbildungsordnungen von Köchinnen und Köchen. „Und nicht zuletzt kann die öffentliche Beschaffung direkten Einfluss ausüben. So etwa über klare Vorgaben wie einen verpflichtenden Anteil an Biolebensmitteln, die Reduktion von Lebensmittelabfällen und den Einsatz von tierischen Lebensmitteln gemäß den Empfehlungen der DGE in Schulkantinen oder auch Verwaltungseinrichtungen“, sagt Dr. Jenny Teufel. „Dadurch nähme die Politik auch eine wichtige Rolle ein: ein positives Vorbild für Nachahmer zu sein.“

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Nachhaltiger Konsum und nachhaltige Produkte stehen im Mittelpunkt der Forschungsarbeit von Dr. Jenny Teufel. Als Senior Researcher widmet sie sich im Bereich Produkte & Stoffströme unter anderem nachhaltigen Ernährungsangeboten. Senior Researcher Kirsten Wiegmann beschäftigt sich im Bereich Energie & Klimaschutz vor allem mit Bewertungsfragen von Biomasse- und Landnutzung sowie Klimaschutzmaßnahmen in der Landwirtschaft.