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Editorial

Argumente für die Zukunft

Das Vorwort von Jan Peter Schemmel, Sprecher der Geschäftsführung des Öko-Instituts

In Fukushima kommt es vor gut zehn Jahren nach einem Erdbeben zu Kernschmelzen. In Saporischschja gefährdet der russische Angriffskrieg ein Atomkraftwerk. In Frankreich werden im Sommer Reaktoren abgeschaltet. Die Gründe sind überraschende Haarrisse und ein Mangel an Kühlwasser aufgrund der Hitzewellen. Ist sie also wirklich sicher und verlässlich, die Kernenergie?

Der (zweimalige) Beschluss zum Ausstieg aus der Kernenergie hatte in Deutschland gute Gründe. Einer der wichtigsten ist die Sicherheit. Denn wir müssen nur nach Tschernobyl oder Fukushima blicken, um zu sehen, welche katastrophalen Folgen diese Technologie haben kann.

Die unbeirrbare Fixierung mancher auf diese Technologie ist nur schwer nachvollziehbar. Denn sie ist ganz offensichtlich nicht ausreichend sicher und verlässlich. Zudem ist sie um ein Vielfaches teurer als erneuerbare Energieerzeugungstechnologien. In Zeiten knapper Kassen, bedingt durch mehrere sowohl eng aufeinander folgende als auch parallele Krisen, können wir uns teure Energieerzeugungsformen nicht mehr leisten. Und zu unserem zukünftigen Energiesystem passt die Kernenergie ebenfalls nicht. Denn ein AKW ist viel zu behäbig und lässt sich nicht schnell hoch- und wieder runterfahren, wie es zur Ergänzung der Energie aus Wind und Sonne nötig wäre. Darüber hinaus ist die Kernenergie nur scheinbar sauber und entgegen der Einbeziehung in die EU-Taxonomie auch nicht nachhaltig. Ihre negativen Seiten – neben den bestehenden Sicherheitsrisiken – umfassen unter anderem Umweltschäden beim Uranabbau sowie Risiken, die aus der Nutzung ziviler Kerntechnik für die Verbreitung von Atomwaffen entstehen.

Die Debatte der vergangenen Monate frustriert mich. Das kommt sicher aus der Geschichte des Öko-Instituts, dessen Gründung vor 45 Jahren auf das Engagement gegen den Ausbau der Kernenergienutzung zurückgeht. Vor allem aber ärgert mich der Stil der medialen Debatte, in der nur selten auf Fakten rekurriert wird. Zudem bindet sie unnötig Kräfte in einem Thema der Vergangenheit. Viele junge Menschen haben das übrigens längst verstanden. Eine Fridays for Future-Aktivistin hat mir in einem Gespräch berichtet, dass auch sie sich lieber Fragen der Zukunft widmen würde als bereits geklärte Diskussionen aufzuwärmen und alte Kämpfe erneut führen zu müssen. Alle Beteiligten bräuchten ihre Kräfte, um die Technologien der Zukunft schneller auszubauen. Und da gehört die Kernenergie nun einmal nicht dazu, wie Ihnen auch dieses Heft zeigen wird.

Ihr

Jan Peter Schemmel

j.schemmel@oeko.de