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Editorial

Kein Allheilmittel

Das Vorwort von Jan Peter Schemmel, Sprecher der Geschäftsführung des Öko-Instituts

Erinnern Sie sich noch an Desertec? Anfang des neuen Jahrtausends entstand in Deutschland die Idee, die hohe Sonneneinstrahlung in nordafrikanischen Staaten für gigantische Solarkraftwerke zu nutzen und den gewonnenen Strom über lange Stromleitungen nach Europa zu transportieren. Eine Idee, die viele begeisterte. Die aber zu stark von deutschen Schreibtischen aus gedacht und zu wenig im Austausch mit den betroffenen Ländern entwickelt wurde.

Wasserstoff als ein wichtiges Produkt von sogenannten Power-to-X-Wertschöpfungsketten wird in unserer zukünftigen Energieversorgung eine wichtige Rolle spielen. Wirklich grün wird dieser aber nur sein, wenn er mit zusätzlichen erneuerbaren Energien erzeugt wird. Es ist schon heute absehbar, dass diese nicht in ausreichender Menge hierzulande zur Verfügung stehen und Wasserstoff in großen Mengen importiert werden muss. Auch durch meine lange Tätigkeit in der Entwicklungszusammenarbeit liegt es mir dabei am Herzen, dass die Wasserstoffherstellung in den exportierenden Ländern konsistent ist mit deren nachhaltiger Entwicklung, zu dieser beiträgt und dass wir offen zusammenarbeiten. Jede neue Kooperation muss auch den Bedürfnissen des jeweiligen Landes Rechnung tragen. Spannende Einsichten zu diesem Thema bietet übrigens auch Dr. Joachim Fünfgelt von Brot für die Welt, der im Interview dieser Ausgabe zu Wort kommt.

Gleichzeitig müssen wir uns bewusst machen, dass die sogenannten PtX-Stoffe kein Allheilmittel für eine emissionsfreie Zukunft sind. Es ist effizienter und günstiger, erneuerbaren Strom direkt zu nutzen als über den Umweg über Wasserstoff. Deswegen sollte dieser nur dort gezielt und durchdacht eingesetzt werden, wo es keine anderen klimafreundlichen Optionen gibt – so etwa im Flugverkehr oder in der energieintensiven Industrie.

Denken Sie, das waren zu viele Einwände und Einschränkungen? Dann lassen Sie mich zum Schluss noch betonen: Strombasierte Kraftstoffe sind natürlich gleichzeitig ein faszinierendes Produkt. Sie können die Energiewende tatkräftig unterstützen. Und die Begeisterung, die eine solche Innovation bei uns im Land auszulösen vermag, ist ein wichtiger Baustein der gemeinsamen Lust auf eine nachhaltige Zukunft als Industrieland. Wenn diese Begeisterung mit einem Blick für Realitäten und Ökonomie einer hochskalierten Produktion von PtX einhergeht, sind wir auf dem richtigen Weg.

Ihr

Jan Peter Schemmel

j.schemmel@oeko.de