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Im Fokus

“Es geht um praktische ebenso wie um ethische Fragen”

Interview mit Dr. Joachim Fünfgelt (Brot für die Welt)

Christiane Weihe

Das Öko-Institut erwartet, dass in einem fast treibhausgasneutralen Energiesystem 2050 mehrere Hundert Terrawattstunden PtX-Stoffe benötigt werden. Soll hierfür grüner Wasserstoff genutzt werden, der mit Hilfe von erneuerbaren Energien produziert wird, werden die Kapazitäten in Deutschland voraussichtlich nicht ausreichen. Umfangreiche Importe aus anderen Ländern etwa in Nordafrika oder dem Mittleren Osten wären notwendig. Doch wie kann Deutschland gewährleisten, dass Wasserstoff dort wirklich nachhaltig produziert wird – aus ökologischer ebenso wie aus sozialer Perspektive? Dieser Frage widmen wir uns im Gespräch mit Dr. Joachim Fünfgelt, Referent für Energiepolitik bei Brot für die Welt.

Dr. Fünfgelt, ist der Export von Wasserstoff für die Länder des globalen Südens eher eine Chance oder ein Risiko?

Es ist beides. Ein Risiko besteht darin, dass Deutschland schnell Kapazitäten aufbauen will und die Länder, die entsprechendes Potenzial für die Wasserstoffproduktion haben, auch möglichst schnell Geld einnehmen wollen. Sollen Wasserstoffpartnerschaften aber nachhaltig sein, braucht es einen langen Prozess, der den zeitlichen Aufwand nicht scheut, praktische ebenso wie ethische Fragen zu berücksichtigen. Wichtig ist, dass dies gemeinsam mit der einheimischen Bevölkerung umgesetzt wird. Natürlich kann sie davon profitieren, etwa mit Blick auf die lokale Wertschöpfung, auf Arbeitsplätze sowie eine Förderung der erneuerbaren Energien vor Ort und einen verbesserten Energiezugang.

Welche Risiken bestehen noch?

Die Produktion von Wasserstoff könnte den Wassermangel verschärfen und ökologische Folgeschäden mit sich bringen, etwa hinsichtlich des Ressourcenabbaus. Ein Risiko ist auch, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien für den lokalen Verbrauch verlangsamt wird. Es muss Priorität haben, dass die Länder zuerst unterstützt werden, sich selbst zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien zu versorgen, bevor überhaupt über Export nachgedacht wird. Und natürlich besteht die Gefahr der illegalen Landnahme, dass zum Beispiel Land genutzt wird, das eigentlich für die Ernährung der Bevölkerung gedacht war.

Sollte dann überhaupt grüner Wasserstoff importiert werden?

Ja, durchaus. Aber eben mit Augenmaß. Wir setzen uns dafür ein, die Nutzung von Wasserstoff zu begrenzen. Ihn nur dort einzusetzen, wo es nicht anders geht – wie etwa im Flugverkehr – und auch auf andere Lösungen zu setzen, wie etwa die Erhöhung der Energieeffizienz oder auch Suffizienzmaßnahmen.

Wie lassen sich negative Effekte verhindern?

Schon bei der Analyse des Potenzials in diesen Ländern müssen deren Weg beim Ausbau der erneuerbaren Energien und die entsprechende Nachfrage berücksichtigt werden. Zentral ist aus unserer Sicht zudem, die lokale Bevölkerung einzubinden und zu beteiligen. Darüber hinaus ist es wichtig, von Anfang an Nachhaltigkeitskriterien zu definieren und diese auch mit der Zivilgesellschaft vor Ort zu besprechen.

Welche Vorteile hat der Austausch mit der lokalen Bevölkerung?

Wir gewinnen dadurch ein besseres Verständnis für die Situation vor Ort und die Frage, was die lokale Bevölkerung braucht, um von der Wasserstoffproduktion in ihrem Land zu profitieren.

Wie lässt sich gewährleisten, dass die Bedürfnisse der Menschen vor Ort berücksichtigt werden?

Hier sind regulatorische Maßnahmen notwendig. Bei Ausschreibungen sollten zum Beispiel ganz gezielt lokale Unternehmen bevorzugt werden. Zudem sollte in Energiepartnerschaften verbindlich festgelegt werden, dass die lokale Energieinfrastruktur aufgebaut wird.

Wie bewerten Sie die Nationale Wasserstoffstrategie, in der zwei Milliarden Euro für den Aufbau von internationalen Partnerschaften vorgesehen sind?

Zunächst ist sehr erfreulich und begrüßenswert, dass der Fokus auf grünem Wasserstoff liegt. Für uns als Entwicklungswerk ist zudem wichtig, wie die Wasserstoffförderung auf dem afrikanischen Kontinent ausgerichtet ist. Hier steht klar in der Strategie, dass diese sich an den Bedürfnissen vor Ort orientieren muss. Ein klares Augenmerk muss nun darauf liegen, dass dies tatsächlich so umgesetzt wird.

Welche Kritikpunkte haben Sie an der Strategie?

Den enorm hoch eingeschätzten Importbedarf. Wir befürchten, dass doch der eigene Energiehunger in den Vordergrund rückt statt die lokale Energiewende und -versorgung in den entsprechenden Ländern. Insofern muss eine deutsche Wasserstoffstrategie eingebettet sein in einen stark beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien sowie eine Reduktion der Energienachfrage durch Effizienz- und Suffizienzmaßnahmen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Christiane Weihe.

Im Interview mit eco@work: Dr. Joachim Fünfgelt, Referent Energiepolitik bei Brot für die Welt