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„Wir mussten lange für das Eingeständnis kämpfen, dass die Bevölkerung vergiftet wurde“

Im Interview: Phyllis Omido (Center for Justice, Governance and Environmental Action)

Christiane Weihe

Mitten in Owino Uhuru, einem Slum im kenianischen Mombasa, machte eine Bleihütte die Menschen krank. Auch King David, den Sohn von Phyllis Omido. Sie war angestellt in dem Unternehmen, das die Gemeinde durch verantwortungslose Praktiken sowie mangelnden Schutz von Arbeitern und Umwelt bei der Gewinnung von Blei aus alten Autobatterien sukzessive vergiftete. Omido kämpfte jahrelang für die Schließung der Bleihütte, gründete dafür die NGO Center for Justice, Governance and Environmental Action. Sie brachte Schritt für Schritt die Gemeinde und betroffene Arbeiter auf ihre Seite, erhielt schließlich auch die Unterstützung internationaler Organisationen. Im Jahr 2014 ihr erster großer Sieg: Die Bleihütte wurde geschlossen. 2015 gewann Phyllis Omido für ihr Engagement einen der weltweit wichtigsten Umweltpreise, den Goldman Environmental Prize, auch Umwelt-Nobelpreis genannt. Doch ihr Kampf gegen die Vergiftung von Menschen ist noch lange nicht vorbei.

Am Anfang Ihres Kampfes gegen die Bleihütte – wie ist es Ihnen gelungen, Unterstützung zu mobilisieren?

Zu Beginn war es ein sehr einsamer Weg, aber nach und nach konnte ich die Menschen überzeugen, dass sie sich wehren müssen. Die Frauen sahen ja, dass ihre Kinder krank wurden. Als ich erreichen konnte, dass nach meinem Sohn drei weitere Kinder auf Bleivergiftung getestet wurden – und die Tests positiv ausfielen – fingen die Bewohner an, zuzuhören. Als einer der Arbeiter an Bleivergiftung starb, hörten auch seine Kollegen zu und begannen, sich testen zu lassen.

Wie ist die Situation heute, nach der Schließung?

Noch immer leiden viele Menschen unter den Nachwirkungen der Bleihütte. Unsere Böden und Gewässer sind nach wie vor verseucht, so gelangen die gefährlichen Stoffe weiterhin in unsere Nahrung. Immer wieder beerdigen wir Menschen, die an Bleivergiftungen sterben. 800 Menschen wurden bereits auf Bleivergiftung getestet, davon drei Viertel positiv.

Was sind heute Ihre zentralen Forderungen?

Wir erwarten, dass endlich alle Menschen getestet werden – es fehlen noch 2.200 Tests. Außerdem verlangen wir von der Regierung, dass unsere Gemeinde noch in diesem Jahr gereinigt, die Umweltverschmutzung durch die Bleihütte behoben wird. Hier leben schließlich nach wie vor sehr viele Menschen. Außerdem haben wir eine Klage auf Schadenersatz gegen die Leitung der Bleihütte und die Regierung erhoben. Die Menschen benötigen Geld für die medizinische Behandlung. Und nicht zu vergessen: Die kenianische Verfassung garantiert ihren Bürgern schließlich eine saubere, gesunde und nachhaltige Umwelt.

Wie lange würde die Reinigung dauern?

Nicht lange, wahrscheinlich kürzer als einen Monat. Es handelt sich hier ja nur um eine Fläche von knapp sechs Hektar. Und die Reinigung wäre mit etwa vier Milliarden kenianischen Schilling auch nicht unbezahlbar, das entspricht gut 39 Millionen US-Dollar.

Was waren Ihre größten Erfolge bislang?

Die endgültige Schließung der Bleihütte, natürlich, und dass die kenianische Regierung endlich zugegeben hat, dass hier die Bevölkerung vergiftet wurde. Für dieses Eingeständnis mussten wir sehr lange kämpfen, denn uns fehlten lange konkrete Beweise. Zudem wurden immer wieder wichtige Informationen, so etwa medizinische Testergebnisse, vor uns versteckt. Dass die UN-Umweltversammlung im Mai ihre Besorgnis über das unsachgemäße Recycling von Blei-Säure-Batterien ausgesprochen hat – ich war bei den Verhandlungen in Nairobi dabei – ist außerdem ein großer Sieg für unsere Sache.

Was bedeutet der Goldman Environmental Prize für Sie?

Der Preis ist eine große Ehre und ein wichtiger Meilenstein für unsere Arbeit. Er hat uns außerdem sehr dabei geholfen, noch mehr Aufmerksamkeit für das Thema zu schaffen.

Was sagt Ihr Sohn zu Ihrem Engagement?

Er ist sehr stolz darauf und ermutigt mich ständig. King David ist jetzt zehn Jahre alt und möchte später auch Umweltaktivist werden. Allerdings interessiert er sich mehr für den Tierschutz (lächelt).

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Christiane Weihe.