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Im Fokus

“Man muss viel ausprobieren und wird immer wieder scheitern“

Interview mit Dr. Allison Macfarlane (University of British Columbia )

Christiane Weihe

In Finnland wird schon gebaut, in Frankreich ist ein Standort festgelegt, die USA stecken fest. Rund um den Globus beschäftigen sich Staaten mit der Suche nach einem Endlagerstandort. Dr. Allison Macfarlane ist eine der wichtigsten Nuklearexpertinnen der USA. Sie war Vorsitzende der Nuclear Regulatory Commission (NRC) sowie Mitglied der Blue Ribbon Commission on America’s Nuclear Future. Heute leitet sie die School of Public Policy and Global Affairs an der University of British Columbia in Vancouver, Kanada. Im Interview mit eco@work spricht sie über den Stand der weltweiten Standortsuche, Erfolgsfaktoren für eine gelingende Standortfestlegung, aber auch den Stand der Endlagerthematik in ihrem Heimatland.

Dr. Macfarlane, welches Land ist bei der Einrichtung eines Endlagers am weitesten fortgeschritten?

Definitiv Finnland. Es wird wahrscheinlich als erstes Land ein Endlager in Betrieb nehmen. Dieses ist auf der Halbinsel Olkiluoto an der Westküste bereits im Bau, es wird dann nur noch eine weitere Genehmigung brauchen, um es zu betreiben.

Wie sieht es in anderen Ländern aus?

Schweden ist ebenfalls relativ weit, auch hier wurde bereits ein Standort ausgewählt. Es liegt direkt beim Kernkraftwerk Forsmark im Osten Schwedens, die behördliche Überprüfung läuft. Hier mussten übrigens unterschiedliche Methoden ausprobiert werden, um einen Standort zu finden. Zunächst wurde nach geeigneten geologischen Formationen gesucht, dann fragten sie Kommunen, ob sie das Endlager freiwillig bei sich einrichten würden. Da gab es auch welche, doch das passte dann leider aus geologischen Gründen nicht. Am Ende wurden gezielt Kommunen gefragt, die bereits nukleartechnische Anlagen bei sich haben, ob sie dafür bereit wären. Das hat sich ausgezahlt: Sie haben zwei Kommunen gefunden, in denen mehr als 80 Prozent der Bevölkerung die Einrichtung des Endlagers unterstützt.

In Frankreich, einem Land mit sehr vielen Kernkraftwerken, wurde Bure in Lothringen als Standort festgelegt. Großbritannien war mal nah dran, einen Standort auszusuchen, musste nach erheblichem Widerstand die Suche aber noch mal neu starten. Auch Japan hat nach dem Unfall von Fukushima wieder angefangen, nach einem passenden Standort zu suchen.

Wie wird die Suche nach einem Standort erfolgreich?

Eine wichtige Erkenntnis aus den bisherigen Verfahren ist aus meiner Sicht, dass es in der Regel keinen gradlinigen Prozess gibt. Sondern dass man etwas ausprobieren muss und dann wahrscheinlich scheitert, um dann wieder etwas auszuprobieren und vielleicht noch mal zu scheitern. Aber irgendwann versucht man es und es gelingt.

Außerdem braucht es viele Kompromisse und Verhandlungen und die Zusammenarbeit mit den Menschen vor Ort. Man kann nicht einfach in eine Kommune gehen und sie ohne Diskussion als Endlagerstandort festlegen. Die Menschen müssen eine Gelegenheit haben, nein zu sagen. Natürlich nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt. Ist die formale Genehmigung erst mal erteilt, ist es dann doch zu spät dafür. Wichtig ist zudem, dass die Gemeinde finanzielle Ressourcen erhält, um eigene beziehungsweise unabhängige Untersuchungen in Auftrag geben zu können und sich nicht darauf verlassen zu müssen, dass das schon stimmen wird, was die Regierung oder die Atomwirtschaft sagt. Bestenfalls sollte es solche Mittel auch für jene geben, die in Opposition zu einem Endlager stehen.

Wo stehen die USA bei diesem Thema?

Leider nirgendwo. Und seit das Energieministerium 2010 die Behörde aufgelöst hat, die für die Entsorgung von Atommüll zuständig war, gibt es keine nationale Organisation, die den Umgang mit radioaktiven Abfällen federführend übernimmt.

Warum stecken die USA in diesem Prozess fest?

Zum einen, weil der ursprüngliche Plan, mehrere Standorte zu untersuchen, aus Kostengründen wieder eingestampft wurde. Es gibt jetzt auch niemanden, der einen Anreiz hat, die Dinge wieder in Gang zu setzen. Die einzigen Menschen, die ein Interesse daran hätten, das Müllproblem zu lösen, sind jene, die in der Nähe von stillgelegten Kernkraftwerken wohnen, wo die hochradioaktiven Abfälle weiterhin gelagert werden. Das betrifft derzeit bereits 19 Anlagen mit 21 Reaktoren, 2025 werden es schon 24 Anlagen sein. Doch diese Menschen haben leider keine laute Stimme.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Christiane Weihe.

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Im Interview mit eco@work:  Dr. Allison Macfarlane, Direktorin der School of Public Policy and Global Affairs an der University of British Columbia (Vancouver, Kanada)