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Perspektive

Es ist ganz einfach. Oder nicht?

Nachhaltige Finanzen

Es ist eigentlich ganz einfach. Wir können die Nachhaltigkeitstransformation nicht stemmen, wenn der Finanzsektor nicht umdenkt. Denn für sie müssen wir unser Geld in nachhaltige statt in fossile Energien stecken und wir brauchen massive Investitionen in allen anderen Sektoren, um die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) zu erreichen. Das geht nicht nur mit öffentlichen Geldern. Eine Studie von McKinsey zeigt, dass die EU 28 Billionen Euro alleine in saubere Technologien und Verfahren investieren muss, wenn sie bis 2050 klimaneutral sein will. Und effektiv sind solche Investitionen natürlich nur, wenn gleichzeitig die Gelder aus umweltschädlichen und nicht-nachhaltigen Aktivitäten abgezogen werden.

Doch so einfach diese grundsätzliche Erkenntnis ist, so schwierig sind natürlich die Schritte, die aus ihr folgen müssten. Denn es geht nicht nur darum, hier und da ein bisschen anders zu investieren. Es geht um den Finanzmarkt an sich, dessen Regeln wirksame Nachhaltigkeit verhindern – national ebenso wie global. Er ist nun einmal nicht auf langfristiges umweltfreundliches Denken ausgerichtet, wie nachhaltige Investitionen sie bräuchten, sondern auf schnelle Gewinne. Gleichzeitig – und das ist die gute Nachricht – stellen wir in den vergangenen Jahren ein spürbares Umdenken in der Finanzbranche fest, die so genannten ESG-Kriterien (Environment, Social und Governance) wie der Ausschluss von Atomkraft oder die Achtung von Menschenrechten spielen bei Investitionsentscheidungen eine immer größere Rolle. Selbst der Investmentriese Blackrock will sein Portfolio nun anhand dieser Kriterien ausrichten.

Was also tun? Den Markt komplett auf den Kopf stellen? Grundsätzlich keine schlechte Idee, aber es gibt für den Anfang auch realistischere Schritte. Etwa solche, die in der Realwirtschaft ansetzen. So kann ein Preis auf den Ausstoß von CO2 durchaus dazu führen, dass Investitionen aus klimaschädlichen Aktivitäten abgezogen werden, wenn diese dadurch weniger lohnenswert werden. Ein beachtenswertes Instrument ist auch die europäische Taxonomie-Verordnung, die in Zukunft zunächst mit Blick auf den Klimaschutz dabei helfen soll, wirtschaftliche Aktivitäten mit Blick auf ihre Nachhaltigkeit zu klassifizieren. Auch soziale Aspekte und weitere Umweltziele wie der Aufbau einer Kreislaufwirtschaft oder der Schutz von Ökosystemen sollen hier aufgenommen werden. Die Klassifizierung soll nicht nur jenen helfen, die nachhaltig investieren wollen, sondern auch Greenwashing verhindern.

In einem eigenfinanzierten Projekt analysieren wir derzeit die Methoden, die hinter dieser Taxonomie stehen. Zudem wollen wir herausfinden, ob sie auf Grundlage der vorhandenen Daten zu glaubwürdigen Bewertungen führen und welchen Wert sie konkret für den Schutz der Biodiversität haben können. Dabei zeigt sich: Die Methoden stehen auf einer guten wissenschaftlichen Basis, doch es fehlt zum Beispiel an Daten zu verschiedenen Artengruppen wie Insekten und anderen wirbellosen Tieren. Im Bereich der marinen Biodiversität sind die Wissenslücken besonders dramatisch. Sie müssen geschlossen werden – doch auch hier stellt sich die Frage, wer dies finanziert. Denn die Studie von McKinsey zeigt neben dem reinen Investitionsbedarf auch: Von etwa der Hälfte der Finanzierungen nachhaltiger Projekte haben die Investorinnen und Investoren nichts. Bei Biodiversität liegt diese Zahl voraussichtlich noch höher. Wir brauchen also gesellschaftliche Investitionen in die Biodiversität insgesamt.

Unsere Gesellschaft hat in der Vergangenheit immer wieder gezeigt, dass sie sich ändern kann. Leider haben wir dafür nun nicht mehr viel Zeit. Wir müssen uns dringender denn je die Frage stellen, wie wir leben wollen und was uns wichtig ist – und dafür auch unser Geld einsetzen. Dabei gilt es auch, alle Nachhaltigkeitsziele zusammen zu denken. Also nicht nur auf Umwelt und Klima, sondern auch auf soziale Themen zu schauen. Hier gibt es viele wichtige Impulse – politische wie den Green Deal oder die Biodiversitätsstrategie der EU, aber auch zivilgesellschaftliche wie die Fridays for Future-Bewegung oder die steigende Nachfrage nach nachhaltigen Produkten. Ihre Kraft müssen wir aufgreifen und bündeln. Denn sie haben ebenso einen wichtigen Einfluss auf nachhaltige Finanzen und damit auf eine wirksame Wende hin zur Nachhaltigkeit.

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Cara-Sophie Scherf hat ein Masterstudium der Internationalen Beziehungen abgeschlossen. Der Schwerpunkt ihrer Arbeit am Öko-Institut liegt unter anderem auf unternehmerischen Sorgfaltspflichten, globalen Lieferketten und nachhaltigen Finanzen. Judith Reise ist Biologin mit einem Masterabschluss in Global Change Ecology. Am Öko-Institut beschäftigt sie sich vor allem mit der Waldökologie sowie Strategien zum Schutz natürlicher Kohlenstoffsenken und der Biodiversität.