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“Je länger wir zögern, desto teurer wird es“

Interview mit Tom Kirschey, Kompetenzzentrum Natürlicher Klimaschutz

Christiane Weihe

Natürliche Senken wiederherstellen und stärken, damit sie langfristig Kohlenstoff aufnehmen können, und dabei Natur- und Klimaschutz verbinden – dieses Ziel hat das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz, das im März 2023 von der Bundesregierung beschlossen wurde (siehe dazu auch Artikel "Das Moor kann's" auf Seite 6). Die zentrale Rolle bei der Umsetzung soll das neu gegründete Kompetenzzentrum Natürlicher Klimaschutz (KNK) spielen – es informiert alle Interessierten über Förderungen, die etwa Wälder, Moore oder Grünflächen schützen, treibt entsprechende Projekte sowie die Vernetzung von relevanten Akteur*innen voran. Tom Kirschey leitet das KNK. Im Interview mit eco@work spricht er über den Status quo beim natürlichen Klimaschutz, die Maßnahmen des KNK sowie die Frage, wie sie langfristig wirksam sein können.

Herr Kirschey, was braucht der natürliche Klimaschutz?

Dass wir nicht mehr im Silo, sondern übergreifend denken. Dass alle Akteur*innen gemeinsam dafür sorgen, dass die natürlichen Ökosysteme wieder funktionieren – und eben nicht nur der Naturschutz. Dass wir dafür sorgen, dass diese Akteur*innen auch die Möglichkeiten und Mittel haben, dieses Ziel umzusetzen.

Wo stehen wir beim natürlichen Klimaschutz?

Im Moment steigen die Emissionen aus Land- und Forstwirtschaft noch. Bei den Mooren wird das besonders deutlich: Sie emittieren jedes Jahr etwa 54 Millionen Tonnen Treibhausgase, das war lange nicht im Bewusstsein. Wenn wir auch nur in die Nähe des 1,5 Grad-Ziels kommen wollen, müssen wir die natürlichen Senken sehr schnell wieder herstellen. Je länger wir zögern, desto teurer wird es.

Eine der ersten Maßnahmen des KNK war die Einrichtung eines Beratungstelefons. Wer kann bei Ihnen anrufen?

Jede Person oder Institution, die eine Frage zum natürlichen Klimaschutz hat. Das können etwa konkrete Ideen sein, wie die Umwandlung einer Grünfläche. Wir beraten dann zu möglichen Förderungen, wollen die Menschen aber auch dazu animieren, über den Kontext der Einzelmaßnahmen hinauszudenken. So versuchen wir zum Beispiel, unterschiedliche Behörden und zivilgesellschaftliche Akteur*innen miteinander zu vernetzen. Wir müssen weg von kleinen Maßnahmen und hin zum Gesamtzusammenhang.

Wie viel Bewusstsein gibt es für den natürlichen Klimaschutz?

Im politischen Raum ist es seit ein paar Jahren vorhanden, aber es ist noch nicht gesellschaftlich gesetzt. Was sicher auch daran liegt, dass er nicht selbsterklärend ist. Der natürliche Klimaschutz wird zudem oft als Beschleunigungsinitiative für den Naturschutz verstanden, ist aber natürlich viel mehr als das.

Welche Förderangebote sind derzeit in Vorbereitung?

Es gibt erste Förderangebote, etwa für Städte und Gemeinden, die Siedlungsflächen ökologisch aufwerten wollen oder für Unternehmen, die auf ihren Betriebsgeländen für mehr Grün sorgen wollen. Darüber hinaus werden weitere Förderungen vorbereitet, so für Grundeigentümer*innen, Waldbesitzer*innen, kommunale Zweckverbände und die Landwirtschaft – so etwa zur Umstellung auf eine bodenschonende Technik. In den Bundesländern wird es Klimamanager*innen für Schutzgebiete geben, die Maßnahmen entwickeln. Zudem soll punktuell auch Flächenkauf förderfähig sein, etwa um mehr Flächen aus der wirtschaftlichen Nutzung in Wildnis überführen zu können und so natürliche Kohlenstoffsenken zu schaffen.

Wie kann gewährleistet werden, dass die natürlichen Senken dann langfristig erhalten bleiben?

Es ist die Aufgabe der Förderprogramme, Rahmenbedingungen zu setzen, damit sich die Zuwendungsempfänger*innen verpflichten, genau das sicherzustellen. Man kann zudem im Grundbuch festlegen, dass etwa Moore vollständig und dauerhaft wiedervernässt bleiben müssen – über die Zweckbindung der Fläche oder die Einschränkung der Nutzung. Gleichzeitig soll das Aktionsprogramm auch dann weiterhelfen nachzusteuern, wenn zwar die Störquelle für das Ökosystem beseitigt ist, es seine Funktion aber trotzdem nicht erfüllt.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Christiane Weihe.

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Im Interview mit eco@work: Tom Kirschey, Leiter des Kompetenzzentrums Natürlicher Klimaschutz (KNK)

Weitere Informationen

Tom Kirschey
Kompetenzzentrum Natürlicher Klimaschutz
Zukunft – Umwelt – Gesellschaft (ZUG) gGmbH

Stresemannstr. 69-71
10963 Berlin

E-Mail: Tom.Kirschey@z-u-g.org
Web:   https://www.kompetenzzentrum-nk.de

 

Zur Person

Tom Kirschey ist Biologe. Er war lange Zeit für den Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V. tätig. Dort beschäftigte er sich vor seiner Tätigkeit für das Kompetenzzentrums Natürlicher Klimaschutz (KNK) zehn Jahre lang vor allem international mit der Wiederherstellung von Ökosystemen. Im Frühjahr 2023 hat Tom Kirschey die Leitung des KNK übernommen und sich dort zunächst mit der Rekrutierung eins Aufbaustabes, der Personalgewinnung und der Erstellung eines Fachkonzepts sowie dem Aufbau einer Kümmererstruktur und von Regionalagenturen gewidmet. Im Oktober 2023 nahm das KNK seine offizielle Arbeit auf, die ersten Fördermaßnahmen sind noch 2023 angelaufen.