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Im Fokus

Das Dröhnen der Turbinen

Maßnahmen gegen Fluglärm

Christiane Weihe

Kaum etwas ist so laut wie ein Düsenflugzeug. Etwa 140 Dezibel (dB) erreicht es beim Start. Zum Vergleich: Ein Vogel zwitschert mit etwa 50 dB, sehr starker Straßenlärm bringt es auf 80 dB. Der Flugverkehr ist als Fortbewegungsmittel für uns noch nicht wegzudenken. Mit Blick auf die Wirtschaft ebenso wie in Hinsicht auf die nächste Urlaubsreise. Menschen, die in der Nähe von Flughäfen wohnen, haben aber ebenso Anspruch auf Schutz vor der Lärmbelastung. Doch wer ist verantwortlich für diesen Lärmschutz? Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um den Fluglärm zu reduzieren? Wie gut wird die Bevölkerung eigentlich geschützt und welche juristischen Möglichkeiten hat sie, sich gegen Fluglärm zu wehren? Diese Fragen beschäftigen auch die Wissenschaftler des Öko-Instituts.

Wie Menschen in Deutschland vor Lärm geschützt werden können, ist nur unzureichend juristisch geregelt – egal, ob es sich dabei um Verkehrslärm oder Freizeitlärm handelt. „Das Thema Lärm bringt viele Probleme mit sich. Zum Beispiel: Wir sind alle dafür verantwortlich, jeder macht Lärm, ist ein Verursacher. Lärm breitet sich in der Fläche aus, mehrere Lärmquellen kumulieren. Zudem lassen sich negative Auswirkungen nicht immer wie mit einem Filter beim Schornstein oder mit einem Katalysator wie beim Auto bekämpfen“, erklärt Silvia Schütte, Senior Researcher am Öko-Institut, „zusätzlich sind nicht alle Menschen gleichermaßen betroffen. Gerade das Zusammenfallen mehrerer Lärmquellen betrifft in der Regel vor allem Menschen, die in Ballungsgebieten leben. Und hier Lösungen zu finden, ist schwierig.“ Die Belastungen haben sich zudem erhöht und sie wachsen weiter – durch den zunehmenden Verkehr ebenso wie durch die Siedlungsentwicklung hin zu den Ballungsräumen. „Dieser Entwicklung ist das rechtliche Rahmenwerk noch nicht gefolgt, meist stehen andere Umweltthemen im Vordergrund“, so die Juristin Schütte, „ich erwarte aber dennoch, dass sich der Lärmschutz früher oder später auch rechtlich mehr und mehr seinen Weg bahnt. Die Lösungen müssen dann aber ebenso differenziert sein wie die Ursachen.“

EVALUATION DES FLUGLÄRMSCHUTZES

Einen Schritt hin zu problemorientierten Lösungen könnte das Gutachten „Weiterentwicklung der rechtlichen Regelungen zum Schutz vor Fluglärm“ bringen, das die Experten des Öko-Instituts derzeit für das Umweltbundesamt erstellen. Gemeinsam mit dem Büro GeräuscheRechner und team ewen liefern die Wissenschaftler eine Grundlage für den Fluglärmschutzbericht 2017. Dieser ist dem Bundestag vorzulegen, der dann über die Frage zu entscheiden hat, ob Überarbeitungsbedarf für das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm (FluLärmG) gesehen wird. Das 2007 aktualisierte FluLärmG – die Vorgängerversion stammte von 1971 –, sieht passiven Schallschutz durch bauliche Maßnahmen vor, um die Bevölkerung in der Nähe größerer Flughäfen zu schützen, und strebt einen Ausgleich zwischen Anwohnern sowie den Interessen der Luftfahrt an. „Die Evaluation durch die Bundesregierung ist im Gesetz festgelegt, wir analysieren nun das rechtliche Rahmenwerk, ermitteln den Vollzugsstand und schauen uns an, ob das Fluglärmschutzgesetz so wirkt, wie es soll“, sagt die Wissenschaftlerin, „vor allem zwei Themen beschäftigen uns dabei: Gibt es Probleme beim Vollzug des Gesetzes und wenn ja, worin liegen die begründet? Ist das Regelwerk insgesamt ausreichend, um Schutz vor Fluglärm zu gewährleisten und wird durch die im FluLärmG festgelegten Schwellenwerte der Gesundheitsschutz adäquat erfüllt?“ Die Experten befassen sich in diesem Zusammenhang auch mit den aktuellen Erkenntnissen der Lärmwirkungsforschung sowie den Entwicklungen der Luftfahrttechnik.

Das Öko-Institut hat zunächst eine umfassende Online-Befragung unterschiedlicher Interessengruppen durchgeführt, die mit der Anwendung des FluLärmG betraut sind. Dazu gehören die zuständigen Ministerien der Bundesländer, aber auch weitere Akteure, so etwa Interessenverbände der Flughafenbetreiber und Fluggesellschaften oder Betroffenen- und Umweltverbände. „Wir hatten einen guten Rücklauf bei dieser Befragung“, so die Wissenschaftlerin, „und in der ersten Auswertung kristallisieren sich Brennpunkte heraus. So sagen zum Beispiel viele der Befragten, dass der Fluglärmschutz nicht ausreichend geregelt ist, da es keine Vorgaben für den aktiven Schallschutz gibt.“ Neben der Forderung nach einer Absenkung der Schwellenwerte, die häufig vorgeschlagen wurde, könnten daher auch aktive Schallschutzmaßnahmen zur Lärmminderung in Betracht gezogen werden, so zum Beispiel Modifikationen am Fluggerät selbst. Zum Abschluss des Projektes werden die Wissenschaftler ihre Erkenntnisse bündeln und prüfen, ob Anpassungen am gesetzlichen Rahmen nötig sind, um einen verbesserten Lärmschutz zu erreichen.

FORUM FLUGHAFEN & REGION (FFR)

Der Lärmschutz rund um den größten deutschen Flughafen in Frankfurt, an dem täglich bis zu 1.500 Flugzeuge starten und landen, beschäftigt die Experten des Öko-Instituts schon seit vielen Jahren. „Wir begleiten die Arbeit des Forums Flughafen und Region, das Vertreter von Kommunen und Behörden, der Luftverkehrsindustrie sowie Experten aus Wissenschaft und Praxis zusammenbringt“, sagt Silvia Schütte, „gemeinsam sollen Maßnahmen zum Lärmschutz identifiziert und geprüft werden.“ Wissenschaftler aus verschiedenen Bereichen des Öko-Instituts sind hierbei beratend und koordinierend tätig, prüfen und bewerten vor allem Vorschläge zum Lärmschutz. „Wir begleiten das Expertengremium Aktiver Schallschutz und haben so zum Beispiel das erste Maßnahmenpaket unterstützt. Die Empfehlungen wurden weitestgehend umgesetzt und das Monitoring zeigte, dass sich durch die Maßnahmen der Lärm verringern ließ.“

Möglichkeiten für einen aktiven Schallschutz sind der Einsatz lärmreduzierender Technologien oder neue Flugverfahren wie ein steileres Anfliegen. Dadurch, dass die Flugzeuge im Verlauf der Landung so länger in größerer Höhe fliegen, wird der Abstand der Lärmquelle, also des Flugzeugs, zum Menschen erhöht. „Es kann einiges für die von Fluglärm Betroffenen getan werden – und das Beispiel Frankfurt zeigt, dass die Anstrengungen erheblich sind, aber durchaus auch von Erfolg gekrönt. Zudem sollten Synergien besser genutzt werden, indem man Maßnahmen, die etwa an einem Standort erprobt sind, auch für andere Standorten nutzbar macht.“ Aktiver Schallschutz ist jedoch oft sehr komplex, selten gibt es einfache Lösungen: Um dicht besiedelte Gebiete zu umfliegen, werden Anflugrouten verlegt. Insgesamt werden so weniger Anwohner vom Fluglärm belästigt. Gleichzeitig verlagert man die Belästigung so aber auch – und belastet unter Umständen einen Teil der Anwohner stärker als zuvor.

Die Arbeit für mehr aktiven Schallschutz am Frankfurter Flughafen ist für das Öko-Institut damit aber noch lange nicht abgeschlossen. Eine kontinuierliche Weiterentwicklung ist nötig, weitere Maßnahmen sollen zusätzliche Verbesserungen in Sachen Lärmschutz bringen. Daran arbeitet das Öko-Institut weiter zusammen mit den verschiedenen Interessenvertretern im Forum Flughafen & Region.

POLITIK UND ÖFFENTLICHKEIT

Die Juristin vom Öko-Institut schätzt am Prozess des Forums Flughafen und Region, dass er integrativ ist, unterschiedliche Akteure mit unterschiedlichen Interessen eingebunden werden. „Es stellt sich jedoch stets die Frage, wie die Öffentlichkeit optimal integriert werden kann. Man könnte sie zum Beispiel – losgelöst von lokalen Beteiligungsformaten wie dem FFR – deutlich stärker bei der Suche nach Lösungen für die bestehenden Probleme einbinden.“ Entscheiden hingegen solle die Politik, nicht die Bevölkerung. „Die Politik muss deutlich mehr Verantwortung übernehmen als bislang. Als Wissenschaftlerin und auch als Bürgerin finde ich es unbefriedigend, wie wenig die Politik ihren Handlungsspielraum ausschöpft, dass Dinge gerichtlich entschieden werden, die sie hätte in die Hand nehmen können, so die Fragen zur Abwägung der Lärmbelastung beziehungsweise deren Gewichtung bei der Planfeststellung von Flughäfen und Flugrouten.“ Die Länder seien ebenso in der Pflicht wie die Bundesregierung: „Die Landesparlamente könnten Leitlinien vorgeben, so zum Beispiel lärmarme Gebiete ausweisen oder sich für eine generelle Lärmverteilung entscheiden. Hier könnte der Bevölkerung eine Mitentscheidung eingeräumt werden. Der Bund könnte Standorte festlegen, die aus bestimmten Gründen auch nachts angeflogen werden können – und die anderen wären nachtflugfrei.“ Dort könnten die Anwohner in der Nacht dann nur noch das Rascheln von Blättern oder das Summen einer Mücke hören, wenn sie Glück haben. Denn beide verursachen nur etwa zehn Dezibel.