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„Das große Potenzial der Energieeffizienz wird nicht annähernd genutzt.“

Interview mit Christian Noll (DENEFF)

Christiane Weihe

Zur Erreichung der deutschen Klimaziele könnte Energieeffizienz einen immensen Beitrag leisten. Denn Energie, die gar nicht erst verbraucht wird, emittiert natürlich auch keine Treibhausgasemissionen. Bis 2050 sollen daher hierzulande 50 Prozent weniger Primärenergie verbraucht werden als noch 2008, für 2020 wurde – ebenso wie in der EU – eine Reduzierung um 20 Prozent angestrebt. Dies ist jedoch ein weiteres Ziel, das Deutschland verfehlen wird. Wo wir stehen in Sachen Energieeffizienz und warum es in der Bundesrepublik nicht schnell genug voran geht mit der Verringerung des Energiebedarfs, weiß Christian Noll. Er hat die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF) mitbegründet und arbeitet heute als ihr geschäftsführender Vorstand.

Herr Noll, wie groß ist aus Ihrer Sicht das Potenzial der Energieeffizienz, die Klimaziele zu unterstützen?

Extrem hoch. Sie spielt eine Schlüsselrolle – das hat übrigens Ende 2018 auch die Internationale Energie Agentur IEA in ihrem World Energy Outlook betont. Laut IEA muss die Energieeffizienz über ein Drittel, genauer gesagt 37 Prozent, dazu beitragen, die energiebedingten Treibhausgasemissionen zu senken.

Wo stehen wir heute in Deutschland in Sachen Energieeffizienz?

Mittelprächtig. Trotz Fortschritten wird das große Potenzial noch nicht mal annähernd genutzt. Vom Ziel, bis 2020 insgesamt 20 Prozent weniger Energie im Vergleich zu 2008 zu verbrauchen, sind wir noch ein großes Stück entfernt. Nach Schätzungen landen wir bei zehn bis elf Prozent Einsparung. Mit den Maßnahmen des Klimaschutzprogramms sieht es für den Zielpfad 2030 nicht besser aus.

Warum stehen wir so schlecht da?

Weil das Thema Energieeffizienz nach wie vor nicht ernst genug genommen wird. Die Ziele in Sachen Energieeinsparung sind unverbindlich. Das ist beim Ausbau der erneuerbaren Energien und der Senkung der Treibhausgasemissionen anders. Man darf natürlich auch nicht vergessen, dass Energieeffizienz ein sehr vielschichtiges Thema ist, das sich durch alle Bereiche zieht – vom Verkehr über den Gebäudesektor bis hin zur Industrie. Deswegen braucht es auch eine übergreifende Strategie – wie sie im Koalitionsvertrag angekündigt wurde, im Klimapaket aber keine Erwähnung gefunden hat. Wirksame Maßnahmen müssen zudem deutlich energischer angepackt werden.

Welche Maßnahmen wären das?

Es kommt auf den Mix an. Das fängt zum Beispiel bei einer CO2-Bepreisung an. Wenn fossile Energie teurer wird, gibt es auch einen Impuls diese einzusparen. Von den zunächst geplanten 10 Euro je Tonne wird dieser aber kaum ausgehen. Außerdem müssen weitere Marktbarrieren beseitigt werden. Im Gebäudebereich sollte etwa die öffentliche Hand eine Vorbildrolle einnehmen und für neue Gebäude ambitionierte Energieeffizienzstandards umsetzen. Gute Effekte erwarten wir von einer Steuerförderung für die Gebäudesanierung, für die nun ein weiterer Anlauf versucht werden soll: Dadurch könnte man vor allem Menschen, die ihr Wohneigentum selbst nutzen, zur Modernisierung bewegen. In der Industrie kann eine beschleunigte Abschreibung helfen. Und auch bei Energiedienstleistungen steckt noch viel Luft drin. Beide Aspekte fehlen im Klimapaket leider.

Was heißt das konkret?

Es braucht Impulse, damit sich ein Markt für Energiedienstleistungen entwickelt, also für professionelle Energieeffizienzberatungen oder auch Contracting, bei dem ein externer Betrieb Effizienzmaßnahmen entwickelt und umsetzt. Hier braucht es die richtigen Rahmenbedingungen – so stehen Nahwärmelösungen vor großen juristischen Hürden, sobald eine Straße ein Wohngebiet quert.

Gibt es auch etwas, das gut läuft in Sachen Energieeffizienz?

Auf jeden Fall. Zum Beispiel die KfW-Förderung, die den Standard von Sanierungen und Neubauten vorantreibt. Und die Standards der Ökodesign-Richtlinie für Elektrogeräte gehören zu den wirksamsten Klimapolitiken überhaupt. Aber wir sind noch nicht da, wo wir sein könnten und sein müssen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Christiane Weihe.

Im Interview mit eco@work: Christian Noll, Mit-Initiator und geschäftsführender Vorstand der Deutschen Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V.