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Im Fokus

“Schaffen wir es, das Ambitionsniveau des Pakets zu halten?“

Interview mit Michael Bloss (Fraktion Die Grünen/EFA)

Christiane Weihe

Nun ist das Parlament am Zug: Nach der Vorstellung des „Fit for 55“-Pakets hat der Gesetzgebungsprozess begonnen. Zunächst wird über Änderungsanträge beraten und abgestimmt. Dann folgen die Verhandlungen der Mitgliedsstaaten. Michael Bloss ist mittendrin in diesem Prozess. Er ist für die Fraktion Die Grünen/Europäische Freie Allianz seit 2019 Mitglied des Europaparlaments. Im Interview mit eco@work berichtet er von den Möglichkeiten für einen sozial gerechten Klimaschutz, den Mut zu großen Schritten und Verhandlungen mit polnischen Konservativen.

Michael Bloss, wie beurteilen Sie das „Fit for 55“-Paket?

Es ist das größte Klimapaket, das es je gab und es ist allumfassend – und das ist natürlich richtig gut. Gleichzeitig muss es in ein paar Punkten verbessert werden. So wurden etwa die sozialen und die internationalen Dimensionen fast nicht mitgedacht und es wurde vieles nach hinten verschoben. Man sollte sofort mit sehr hohen CO2-Minderungen anfangen.

Wie gestaltet sich der Prozess derzeit?

Viele Mitgliedsstaaten wollten erst mal abschichten, also die Bemühungen wieder verringern. Auch mit Blick auf den Krieg in der Ukraine. Das ist die große Frage auf der politischen Ebene: Schaffen wir es, das Ambitionsniveau des Pakets zu halten oder sogar zu verbessern? Damit daraus wirklich dieses große historische Paket wird, das es sein soll, müssen wir für viele Dinge kämpfen.

Wo genügen die sozialen Ansätze nicht?

Der Fokus liegt fast ausschließlich auf Emissionsminderungen und Wirtschaftswachstum. Zwar soll Geld aus dem Emissionshandel für Gebäude und Verkehr in den Social Climate Fund gehen, um damit vor allem Mitgliedsstaaten mit einem geringeren Einkommensniveau zu unterstützen. Aber der ist viel zu klein, eigentlich müssten die gesamten Einnahmen da rein fließen. Vielleicht werden mit dem Geld tatsächlich sinnvolle Programme umgesetzt. Es besteht aber auch die Gefahr, dass sich die nationalen Regierungen nicht ums Soziale kümmern und das Geld nutzen, um sich bei Wähler*innen beliebt zu machen. Ich finde es übrigens auch nicht besonders sozial, dass die Bürger*innen einen CO2-Preis bezahlen sollen, die Industrie aber immer noch kostenlos Zertifikate bekommt.

Wie könnte die internationale Dimension verbessert werden?

Es wäre schon mal ein wichtiger Schritt, überhaupt unsere finanziellen Versprechungen an den globalen Süden einzuhalten. Aber es geht natürlich auch um sinnvolle Investitionen in diesen Ländern, um Partnerschaften und Energietransfers. Auch die Handelspolitik sollte so umgestaltet werden, dass sie zur Eindämmung der Klimakrise beiträgt.

Wie könnte das aussehen?

Bislang verstehen die Handelsabkommen Klimabestimmungen erst einmal als Handelsbeschränkung. Das muss sich ändern. Hier könnte der Carbon Border Adjustment Mechanism, kurz CBAM, aus dem „Fit for 55“-Paket helfen. Denn er bringt den CO2-Fußabdruck von Produkten mit in die Handelspolitik, indem er einen CO2-Preis auf Importe erhebt. Es müsste aber auch ein sozialer Ausgleich für ärmere Länder stattfinden, damit dort wirkungsvolle Dekarbonisierungsstrategien auf den Weg gebracht werden können. So etwa mit Blick auf eine Stärkung des Binnenhandels und lokale Kreisläufe in Afrika.

Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine bräuchte es ja noch höhere Ambitionen.

Absolut. Leider gehen viele Dinge derzeit in die falsche Richtung. Es ist keine Lösung, Erdöl und Erdgas in Katar einzukaufen und LNG-Terminals zu bauen. Alles, was möglich ist, muss nun getan werden, um noch schneller aus den fossilen Energien herauszukommen. Ich denke da an die Frage, wie es gelingen kann, die Heizungen effizienter zu machen, Wärmepumpen in die Heizungskeller und Solaranlagen auf die Dächer zu bringen oder auch die Gebäudesanierung schnell voranzubringen.

Wie verteilen sich Widerspruch und Unterstützung für das Paket im Parlament derzeit?

Es ist eine sehr spannende und dynamische Situation mit vielen unterschiedlichen Mehrheiten, die man mobilisieren kann und muss. Manchmal erlebt man dabei auch Überraschungen – so etwa, als die polnischen Konservativen mit uns für ein ambitioniertes Klimaziel gestimmt haben. Das lag wohl auch daran, dass sie im polnischen Parlament in der Opposition mit drei grünen Abgeordneten sitzen. Wir sind sehr viele, wir sind sehr verschieden. Das ist es eben auch, was Europa ausmacht.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Christiane Weihe.

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Im Interview mit eco@work: Michael Bloss, Mitglied des Europaparlaments (Fraktion Die Grünen/EFA)