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Im Fokus

Lliuya gegen RWE

Schmelzende Gletscher und die Folgen

Christiane Weihe

Leiden tun erst mal die anderen. Die Folgen des Klimawandels betreffen meist nicht jene, die ihn verursacht haben. Sie führen zu Überflutungen auf den Philippinen und zur Küstenerosion auf den Malediven. Im peruanischen Huaraz droht ein schmelzender Gletscher die Lebensgrundlage von Saúl Luciano Lliuya vollständig zu zerstören. Denn ein Gletschersee oberhalb der Andenstadt wurde durch Rückzug der Gletscher immer größer und damit stieg auch die Gefahr von Überflutungen. Deswegen hat der Landwirt und Bergführer – unterstützt von Germanwatch und der Stiftung Zukunftsfähigkeit – im Jahr 2015 Klage gegen RWE eingereicht. „Das Unternehmen trägt einen Teil der Verantwortung für den Klimawandel und damit auch seine Folgen“, sagt Dr. Roda Verheyen, die Anwältin von Luciano Lliuya, „wir gehen davon aus, dass sein Anteil an den weltweiten Treibhausgasemissionen bei etwa einem halben Prozent liegt, und fordern von RWE daher eine ebenso hohe Beteiligung an den notwendigen Schutzmaßnahmen.“ Finanziert wird die Klage durch Spenden und aktuell auch Crowdfunding.

Das Verfahren befindet sich in der zweiten Instanz vor dem Oberlandesgericht Hamm, 2017 wurde hier entschieden, die Beweisaufnahme zu beginnen. „Es ist das einzige Verfahren vor Gericht weltweit, bei dem das momentan der Fall ist.“ Derzeit ruht der Prozess jedoch, die Beteiligten warten auf einen Ortstermin in den Anden. „Wegen der Corona-Pandemie konnte er bislang nicht durchgeführt werden, er wird aber voraussichtlich im Sommer 2022 endlich stattfinden“, erklärt Verheyen. Auch für den Prozessgegner braucht die Expertin für Umweltrecht und Völkerrecht Geduld und einen langen Atem. „RWE hat das Verfahren um zwei Jahre verzögert, bestreitet sogar, dass in den peruanischen Anden überhaupt ein Temperaturanstieg stattgefunden hat und begibt sich damit in die Nähe von Klimaskeptikern“, sagt sie. Eine Studie der University of Oxford könnte dem Kläger helfen: Die Wissenschaftler*innen haben modelliert, wie sich der Rückgang des Gletschers und die Risiken einer Überflutung entwickeln. „Sie sehen eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 99 Prozent, dass sich der Gletscher nicht wegen natürlicher Schwankungen zurückzieht, sowie eine sehr hohe Gefahr für Überflutungen.“

Sollten Saúl Luciano Lliuya und Dr. Roda Verheyen den Fall durch alle Instanzen gewinnen, könnte dies beachtliche Folgen haben. „Es hätte eine sehr große symbolische Wirkung. Andere Menschen, die sich in einer ähnlichen Lage wie mein Mandant befinden, könnten Ansprüche an Unternehmen stellen, die erheblich zum Klimawandel beitragen“, sagt die Rechtsanwältin. Wie es ist, vor Gericht für das Klima zu gewinnen, weiß Verheyen übrigens bereits. Sie hat Klimaschützer*innen vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten, das 2021 ein richtungsweisendes Urteil sprach und das bisherige Klimaschutzgesetz als unvereinbar mit den Grundrechten einstufte. Diese erfolgreiche Verfassungsbeschwerde zeigt ebenfalls, dass wir beim Klimaschutz an morgen denken müssen. Dass es wichtig ist, jene zu schützen, die von unserem gestrigen und heutigen Handeln betroffen sind. Damit in Zukunft so wenig Menschen wie möglich unter den Folgen des Klimawandels leiden.