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Im Fokus

„Wir haben eine Verantwortung gegenüber zukünftigen Generationen“

Im Interview: Michael Sailer (Öko-Institut)

Christiane Weihe

Die Berufsbiografie von Michael Sailer ist klar vom Thema Kernenergie geprägt. Früh engagierte er sich für den Ausstieg aus der Atomkraft, heute ist er Vorsitzender der Entsorgungskommission (ESK) und Mitglied der Endlagerkommission. Sailer ist ein Kritiker der Kernenergie und ein profilierter Nuklearexperte. Seit 35 Jahren setzt er diese Expertise für das Öko-Institut ein, zu dessen Geschäftsführung er seit 1999 gehört. Mit eco@work sprach Sailer über sein Engagement bei der Suche nach einem Endlagerstandort, die Problematik von Zwischenlagern und die Anforderungen an ein deutsches Endlager.

Herr Sailer, warum ist das Engagement bei der Suche nach einem Endlagerstandort für Sie so wichtig?

Wir haben die Verantwortung für die in Deutschland produzierten Atomabfälle und brauchen dafür Endlager in Deutschland, das steht für mich außer Frage. Ich finde es unmoralisch, die unbequemen Folgen der Kernenergienutzung einfach den künftigen Generationen zu überlassen. Daher müssen wir schnellstmöglich ein sicheres Endlager bauen und dürfen die bestehenden Zwischenlager nicht länger betreiben als unbedingt nötig.

Welche Gefahren gehen von den Zwischenlagern für abgebrannte Brennelemente und hochradioaktive Abfälle aus?

Diese Zwischenlager sind für 40 Jahre genehmigt. Das heißt zum Beispiel für das Zwischenlager in Gorleben, dass die Betriebsgenehmigung 2035 auslaufen wird. Die anderen 15 Zwischenlager folgen kurz danach. Bis dahin werden wir aber noch kein Endlager für hochradioaktive Abfälle in Deutschland haben. Also stellen sich viele Fragen: Was passiert dann mit den Abfällen, die dort gelagert sind? Wie wird der Zustand der Brennelemente dann sein? Wie zuverlässig sind die Dicht- und Messsysteme? Das lässt sich nicht vorhersagen. Deshalb fordert das Öko-Institut kontinuierliche Überprüfungen; dazu gehört auch, dass in Abständen einzelne exemplarische Lagerbehälter geöffnet und überprüft werden. Wenn wir die hochradioaktiven Abfälle sicher und zuverlässig in ein Endlager bringen wollen, müssen wir bis dahin die Frage beantworten, ob die Behälter und ihr Inhalt in einem Zustand sind, in dem das ohne weitere Maßnahmen möglich ist.

Werden die heutigen Zwischenlager ausreichend sein – auch für den anstehenden Rückbau der Reaktoren?

Die Kapazität der Zwischenlager für die abgebrannten Brennelemente und hochradioaktiven Abfälle wird ausreichen, nicht aber die Kapazität der Zwischenlager für die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle. Vor allem im Zuge des Rückbaus fallen schwach- und mittelradioaktive Abfälle an – zum Beispiel aus den Baustrukturen oder den technischen Komponenten der Kernkraftwerke. Für diese werden wir weitere Zwischenlager an den Reaktorstandorten benötigen. Für die schwach- und mittelradioaktiven Abfälle ist das Endlager Konrad in der Errichtung; es ist wichtig, dass es baldmöglichst in Betrieb geht.

Welche Anforderungen müssen wir an ein zukünftiges Endlager stellen?

Zentral ist, dass kein Wasser eindringt. Das heißt zum einen: Das Endlager muss in möglichst wasserdichtem Gestein liegen. Zusätzlich müssen die Behälter und ihr Versatz so konstruiert sein, dass sie die enthaltenen Abfälle so lange dicht einschließen, bis das umgebende Gestein den Abschluss übernommen hat. Die Behälter müssen dafür zum Beispiel sehr massiv konstruiert sein, sie dürfen nicht leicht korrodieren und sich auch nicht mit dem eingelagerten Material verbinden. Um das Endlager gegen das Eindringen von Wasser zu schützen, muss das gesamte Bergwerk zudem mit wirksamen Barrieren geschlossen und verfüllt werden. Wir brauchen außerdem eine klar strukturierte Einlagerungsgeometrie sowie eine saubere Dokumentation des Endlagers. Für den Fall, dass das Endlager irgendwann geöffnet werden muss – zum Beispiel falls wider Erwarten eine Bergung der Abfälle erforderlich werden sollte –, muss klar sein, wo genau welche Abfälle lagern.

Wie kann der Spagat zwischen Dichtheit und der Rückholbarkeit gelingen?

Der beste Weg für eine spätere Bergung ist es, wenn sie nötig werden sollte, dann ein neues Bergwerk direkt neben dem verschlossenen Endlager zu errichten, von dem aus die Abfallbehälter geborgen werden. Durch ein solches Konzept kann ich einerseits das Endlagerbergwerk frühzeitig sicher verschließen und andererseits doch später Zugang zu den Abfällen erhalten, wenn notwendig. Dies hat auch einen Einfluss für die Standortsuche: Neben dem Platz für das eigentliche Endlager muss zusätzlich genügend Platz im geeigneten Gestein da sein, in dem später ein solches Bergungsbergwerk errichtet werden könnte.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Christiane Weihe.

Im Interview mit eco@work:

Michael Sailer, Sprecher der Geschäftsführung des Öko-Institut