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Editorial

Eine Million Jahre

Das Vorwort von Michael Sailer, Sprecher der Geschäftsführung des Öko-Instituts

Schon bei meiner ersten Podiumsdiskussion – das war 1975 in Worms – ging es um ein Kernkraftwerk. Wir diskutierten über Biblis. Als das Thema Abfälle aufkam, sagte der Betreiber: „Das werden wir schon hinkriegen“. Und ich erwiderte: „So einfach wird das wohl nicht. Ich befürchte, das müssen wir später aufräumen.“

Später. Das ist heute – und Deutschland sucht jetzt eine Stätte, der 28.100 Kubikmeter hochradioaktiver Abfall anvertraut werden können. Einen Standort, der die bestmögliche Sicherheit für einen Zeitraum von einer Million Jahren gewährleistet. So steht es im Gesetz. Kein von Menschenhand errichtetes Gebäude, keine Anlage, keine Technik kann eine sichere Verwahrung über solch lange Zeiträume gewährleisten, zu stark nagen die Kräfte der Natur. Nur geologische Formationen haben die nötige Stabilität, die Lasten der vergangenen rund 50 Jahre nuklearer Energiegeschichte zu bergen. Die Geowissenschaften können mit ihren heutigen Methoden Prognosen mit sehr hohen Wahrscheinlichkeiten über die nächste eine Million Jahre abgeben.

Denn: Bei einem Erdalter von über vier Milliarden Jahren ist eine Million ein überschaubarer Zeitraum. Gehen wir eine Million Jahre zurück: Die Erdteile hatten bereits in etwa ihre heutige Form, die Alpen, die Nordsee ähnelten ihrem heutigen Bild, unsere Vorfahren benutzten bereits Werkzeuge. Landschaftsprägend waren wiederkehrende massive Vergletscherungen. Teilweise 3000 Meter dicke Eismassen türmten sich über Skandinavien, planierten Norddeutschland, die Ostsee entstand nach dem Ende der jüngsten Eiszeit.

Bei der Suche nach einem Endlagerstandort geht es nicht nur darum, eine geeignete geologische Formation zu finden, eine, der zum Beispiel eine mögliche nächste Eiszeit nichts anhaben kann. Es geht außerdem um Akzeptanzfragen in der Bevölkerung. Und auch hier sage ich: Das wird nicht einfach. Wer möchte schon strahlenden Müll unter sich begraben wissen?

In dieser Ausgabe der eco@work greifen wir dieses dringliche, naturwissenschaftlich und gesellschaftlich komplexe Umweltthema auf. Einen Fokus werfen wir dabei unter anderem auf Arbeiten des Öko-Instituts zu Akzeptanzfragen. Der Standort kann aus geologischer Sicht noch so geeignet sein, ganz wesentlich ist es, die Bürger schon im Standortauswahlverfahren vorzubereiten und einzubeziehen. Außerdem beschäftigen wir uns auf den folgenden Seiten mit dem Rückbau von Kernkraftwerken. Bei diesen und den weiteren Artikeln zu aktuellen Themen wünsche ich Ihnen wie immer:

Viel Freude beim Lesen!

Michael Sailer
Sprecher der Geschäftsführung des Öko-Instituts
m.sailer@oeko.de