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Wachstum ohne Aufsicht

Mehr Klimaschutz bei Telekommunikationsnetzen und Rechenzentren

Christiane Weihe

Größer, schneller, besser. Wir stellen immer höhere Anforderungen an unsere IT. Bessere Auflösung, schnellere Übertragung, größerer Komfort. Damit steigen nicht nur die Anforderungen an Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), sondern auch jene an die Telekommunikationsnetze und Rechenzentren, die wir für ihre Nutzung brauchen. Sie werden nach Berechnungen des Öko-Instituts in Zukunft einen deutlich steigenden Anteil am Stromverbrauch der IKT haben. Und damit auch an den durch IKT verursachten Treibhausgasemissionen. Dennoch fehlt es bislang an öffentlichen Daten, wirksamen Initiativen der Wirtschaft sowie umweltpolitischen Maßnahmen.

Für die kommenden Jahre wird ein weiteres deutliches Wachstum des Energieverbrauchs der Informations- und Kommunikationstechnologien erwartet. Lag dieser in der EU-27 ohne Berücksichtigung der Produktion 2011 noch bei 214 Terrawattstunden jährlich (TWh/a), sind es 2020 voraussichtlich schon 259 TWh/a. Bisher geht mit 66 Prozent der größte Anteil am Energiebedarf auf privat und beruflich genutzte Produkte zurück, das zeigt eine aktuelle Analyse des Öko-Instituts sowie der TU Berlin im Auftrag der Europäischen Kommission: 142 TWh/a verbrauchten sie 2011, der größte Anteil davon entfiel auf Fernseher. „Wir erwarten in diesem Bereich allerdings kein Wachstum, sondern sogar eine leichte Verringerung auf 139 Terrawattstunden bis 2020“, erklärt Siddharth Prakash vom Öko-Institut, „dies ist unter anderem auf die größere Verbreitung mobiler Geräte sowie eine verbesserte Energieeffizienz zurückzuführen.“

Deutliche Steigerungen bei Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen erwartet der Senior Researcher aus dem Institutsbereich Produkte und Stoffströme jedoch in zwei anderen Bereichen: Telekommunikationsnetze und Rechenzentren. „2011 hatten sie in der EU-27 noch einen Anteil von 33 Prozent am Energieverbrauch der IKT, bis 2020 erwarten wir einen Anteil von etwa 46 Prozent“, sagt Prakash, „damit hätten Netze und Rechenzentren einen Anteil von etwa 3,8 Prozent am gesamten Energieverbrauch der EU-27.“ Bei Rechenzentren prognostizieren die Wissenschaftler eine Erhöhung des Energiebedarfs von 52 auf 70 TWh/a. Das entspricht einer Steigerung um fast 35 Prozent. Ursachen hierfür sind eine verstärkte Nutzung des Internets sowie von sogenannten Cloud-Diensten. „Ohne die erwartbaren Effizienzmaßnahmen wäre der Energiebedarf hier sicher noch höher“, so der Experte vom Öko-Institut. Sehr viel deutlicher steigt der Energieverbrauch bei den Telekommunikationsnetzen. „Hier erwarten wir ein Wachstum von 20 auf 50 Terrawattstunden jährlich zwischen 2011 und 2020“, sagt Prakash, „das entspricht einer Steigerung um 150 Prozent.“ Den größten Anteil daran wird der steigende mobile Datenverkehr haben, denn die Netze werden besser, die Zahl der rechenstarken mobilen Endgeräte wächst.

Mehr Effizienz

Ein wichtiger Schritt, den wachsenden Treibhausgasemissionen zu begegnen, war 2011 die Einführung des Blauen Engels für Rechenzentren. „Zunächst ging es darum, bei den Betreibern ein Bewusstsein für den Energieverbrauch ihrer Rechenzentren zu schaffen“, sagt Jens Gröger vom Öko-Institut. „Denn bislang ist kaum bekannt, wie viel Energie und Ressourcen hier verbraucht werden – insgesamt oder für einzelne Dienste.“ Das Öko-Institut hat daher für das Umweltzeichen unter anderem festgelegt, welche Daten der Rechenzentren durch ein Energie-Monitoring erfasst werden müssen. Weiterhin wurden Empfehlungen für Effizienzsteigerungen entwickelt. Dazu gehört etwa, Luftvermischungen im Serverraum zu vermeiden und die Hardware besser auszulasten. „Wer einen Blauen Engel erhalten möchte, muss kontinuierlich seinen Energieverbrauch messen, ein Energiemanagement etablieren, bei Neuanschaffungen effiziente Geräte wählen und möglichst nur erneuerbare Energien nutzen“, so Gröger.

In einem nächsten Schritt werden die Anforderungen des Blauen Engels nun überarbeitet, um weitere Effizienzsteigerungen zu ermöglichen. „Der neue Blaue Engel wird dann auch Mindeststandards für bestimmte Parameter wie etwa die Effizienz der Kältetechnik, die Wirkungsgrade der Stromversorgung oder Server-Benchmarks fordern“, sagt Gröger. Einen wichtigen Schub für den Blauen Engel und damit auch die Effizienz von Rechenzentren verspricht er sich davon, dass die Bundesregierung in ihrer digitalen Agenda angekündigt hat, sich beim Einkauf von IKT-Produkten stärker an Nachhaltigkeitskriterien zu orientieren. „Ich rechne damit, dass sich alle öffentlichen Beschaffer in Zukunft nach dem Blauen Engel richten, wenn sie Dienstleistungen von Rechenzentren einkaufen oder eigene errichten“, sagt Jens Gröger.

Viele weitere Maßnahmen für mehr Effizienz von Netzen und Rechenzentren sind notwendig. In der Studie für die Europäische Kommission hat das Öko-Institut daher Empfehlungen für umweltpolitische Schritte entwickelt. „Es ist erstaunlich, dass es bislang keinerlei umweltpolitische regulatorische Maßnahmen gibt, die sich Rechenzentren und Telekommunikationsnetzen widmen – obwohl erwartet wird, dass ihr Energieverbrauch erheblich steigen wird“, sagt Siddharth Prakash. In ihrer Analyse empfehlen die Experten zunächst, die Datengrundlage zu verbessern. Denn bisher gibt es keine öffentlich verfügbaren Informationen etwa über die Anteile unterschiedlicher Typen von Rechenzentren, deren Energieverbrauch oder einheitliche Leistungskennzahlen der Telekommunikationsnetze. „Wenn wir diese Daten erfassen, verstehen wir deutlich besser, welchen Einfluss diese beiden Sektoren auf Umwelt und Klima haben. Gleichzeitig helfen die Informationen dabei, eine allgemeingültige Methode zur regelmäßigen Dokumentation von Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen zu entwickeln“, so der Experte. Eine Möglichkeit wäre es, die Betreiber von Rechenzentren und Telekommunikationsnetzen zu verpflichten, die Daten regelmäßig zu dokumentieren und zu berichten. Nach Einschätzung der Wissenschaftler werden die dabei entstehenden Kosten für große Unternehmen relativ gering sein, da davon auszugehen ist, dass diese bereits über ein Monitoring-System verfügen. Dieses müssen kleinere Unternehmen voraussichtlich erst aufbauen. „Daher werden die Kosten für sie vielleicht höher sein“, sagt Prakash, „aber auf lange Sicht werden die möglichen Einsparungen und Vorteile unserer Einschätzung nach die entstehenden Kosten auffangen.“

Größer, schneller, besser. Dass dies möglich ist, hat die digitale Industrie bereits gezeigt. Überprüfbarer, effizienter, ressourcenschonender. Das muss nun der nächste Schritt sein. Christiane Weihe