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Arbeit / Rückblick

Schwerwiegende Konsequenzen für Aare, Rhein und Seen

Welche Folgen kann ein Kernkraftwerksunfall in der Schweiz haben?

Christiane Weihe

Eine monatelange starke radioaktive Verunreinigung des Trinkwassers aus Aare und Rhein – dies wäre die Folge eines schweren Unfallszenarios in einem der drei Schweizer Kernkraftwerke (KKW) Leibstadt, Beznau und Gösgen. Städte in der Schweiz und Deutschland müssten umgehend die Trinkwassergewinnung aus den beiden Flüssen einstellen, so das Ergebnis einer Studie des Öko-Instituts. Im Auftrag des Trinationalen Atomschutzverbandes (TRAS) haben die Experten analysiert, welche Konsequenzen ein Unfall in einem der drei Kernkraftwerke für die Schweizer Trinkwasserversorgung haben kann. Als Bezugsgröße zogen sie hierfür die Menge an radioaktiven Stoffen heran, die bei der Katastrophe von Fukushima aus einem der Reaktorblöcke in den Pazifik entwich.

„Wir müssen davon ausgehen, dass die Schweizer Kernkraftwerke extremen Ereignissen ausgesetzt sein können, für die sie nicht ausgelegt sind“, sagt Christian Küppers vom Öko-Institut, „die Reaktoren sind schon älter, das macht sie anfälliger. Mit Beznau I steht in der Schweiz sogar das älteste KKW in Europa.“ Um eine Kernschmelze abzuwenden, könne es bei einem schweren Unfall mit Ausfall der Kühlsysteme nötig sein, Kühlwasser von außen ins Reaktorinnere sowie in die Lagerbecken mit Brennelementen zu bringen. „Im Falle einer Leckage nach außen könnte das kontaminierte Kühlwasser dann vor allem in Aare und Rhein fließen“, so der stellvertretende Leiter des Institutsbereichs Nukleartechnik & Anlagensicherheit.

Ein Unfall wie in Fukushima hätte schwere Folgen für das Trinkwasser, da hochkontaminiertes Kühlwasser direkt in die beiden Flüsse gelangen würde. „Zwar würden die ausgespülten Radionuklide im Fluss verdünnt, doch die Konzentration wäre dennoch sehr hoch“, erklärt Küppers, „das aus Aare und Rhein gewonnene Trinkwasser wäre damit über viele Monate zu hoch belastet.“ Die Konzentration von radioaktivem Strontium, die im Flusswasser erreicht würde, verdeutlicht die schwerwiegenden Folgen: Sie betrüge zum Beispiel bei einem Unfall im KKW Gösgen bis zu 58‘000 Becquerel je Liter Aarewasser. „Der Grenzwert liegt in der Schweiz derzeit bei 125 Becquerel je Liter“, so Christian Küppers. Umgehende Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung seien bisher jedoch nicht Bestandteil der Notfallpläne der Trinkwasserversorger.

Zusätzlich kann der Wind in die Luft freigesetzte Radionuklide weitertragen, Regen kann sie auswaschen. „Das kann auch in größeren Entfernungen zu hohen Einträgen in Seen führen, deren Wasser dann nicht mehr als Trinkwasser geeignet wäre“, sagt der Experte vom Öko-Institut. Besonders stark gefährdet wären dabei der Zürichsee, der Zürich zu etwa 70 Prozent mit Trinkwasser versorgt, sowie der Bodensee, aus dem auch etwa vier Millionen Menschen in Deutschland Trinkwasser beziehen. cw