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Lang lebe mein Life-Style-Gerät!

Strategien für mehr Nachhaltigkeit bei Fernseher, Notebook & Co.

Christiane Weihe

Sie verursachen etwa genau so viele CO2-Emissionen wie der Flugverkehr: Informations- und Kommunikationstechnologien, kurz IKT. Aber auch hinsichtlich Herstellung, Entsorgung oder Recyclingfähigkeit zeigt sich: Wir brauchen mehr ökologische und soziale Nachhaltigkeit bei IKT. Mit Blick auf die Geräte kann insbesondere eine längere Lebens- und Nutzungsdauer die Umwelt- und Klimabilanz verbessern sowie negative soziale Konsequenzen verringern. Wie sich mehr Nachhaltigkeit bei Fernseher, Notebook & Co. erreichen lässt, zeigen unterschiedliche Analysen des Öko-Instituts.

Die Energieeffizienz von IKT-Produkten ist kontinuierlich gestiegen. In den vergangenen acht Jahren ist zum Beispiel der durchschnittliche Strombedarf pro Bildschirmfläche eines Flachbildfernsehers um zwei Drittel gesunken. Effizienzgewinne, deren positive Wirkung jedoch schnell aufgehoben wird: sinkende Preise, steigende Verkaufszahlen, zunehmende Produktvielfalt, kurze Innovationszyklen und der Wunsch der Verbraucher nach immer besseren Life-Style-Produkten führen zu wachsenden Umweltauswirkungen. So verbrauchten IKT-Produkte, Rechenzentren und Telekommunikationsnetze in der EU-27 im Jahr 2011 insgesamt 214 Terrawattstunden Strom (siehe hierzu auch „Wachstum ohne Aufsicht“ auf Seite 12). Das entspricht einem Anteil von 7,7 Prozent des Gesamtstrombedarfs 2011 in der EU-27. Neben den Energiebedarf der Nutzung und den damit verbundenen Treibhausgasemissionen treten jene der Produktion. „Die meisten IKT-Geräte werden im asiatischen Raum mit hohem Energieaufwand und erheblichen Umweltauswirkungen hergestellt“, sagt dazu Siddharth Prakash vom Öko-Institut. Zusätzlich werden für Informations- und Kommunikationstechnologien zahlreiche Rohstoffe benötigt, die oft unter gefährlichen Bedingungen unter Missachtung von Sozial- oder Umweltstandards abgebaut werden. „Bei der Entsorgung sowie dem unsachgemäßen Recycling der Produkte entstehen darüber hinaus große Umweltbelastungen und Gesundheitsprobleme für die Menschen, vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern, wo Recyclingtechnologien und -infrastruktur unterentwickelt sind“, erklärt der Wissenschaftler. Viele Rohstoffe gehen hier für immer verloren. Aber auch ein moderner Technologiestandort wie Deutschland ist nicht gegen Rohstoffverluste gefeit. „Selbst hierzulande gibt es oftmals keine adäquate Sammlung oder Vorbehandlung der Produkte für das Recycling“, so Prakash. Verschärft wird dieses Problem durch Obsoleszenz, eine verkürzte Lebensdauer von Produkten.

Gegen Obsoleszenz

Viele Life-Style-Geräte wie Smartphones, Notebooks oder Digitalkameras werden immer kürzer genutzt. Oft werden voll funktionsfähige Geräte entsorgt, etwa weil das aktuellere Modell einen unwiderstehlichen Reiz auf den Konsumenten ausübt. „Das damit verbundene Abfallaufkommen hat sich in den vergangenen Jahren erheblich erhöht“, sagt Siddharth Prakash, „zusätzlich müssen für die neuen Geräte immer mehr Rohstoffe abgebaut werden, auch seltene Metalle.“ Die Experten des Öko-Instituts nehmen die verkürzte Lebensdauer derzeit in einer Studie für das Umweltbundesamt genau unter die Lupe. Sie untersuchen gemeinsam mit der Universität Bonn den Einfluss der Obsoleszenz auf Umwelt und Ressourcenverbrauch und analysieren die technischen und politischen Möglichkeiten, das Leben der Geräte wieder zu verlängern. „Wir arbeiten anhand konkreter Beispiele aus den Produktgruppen Fernseher, Notebooks sowie Waschmaschinen und stellen so die durchschnittliche Lebensdauer und Nutzungszeit der Geräte in den vergangenen Jahren dar. Darüber hinaus ermitteln wir die Ursachen für Obsoleszenz“, so Prakash. Die Experten erfassen jene Faktoren, die zum technischen Verschleiß oder einer reduzierten Lebens- und Nutzungsdauer führen, und formulieren Maßnahmen, die das verhindern können. Zudem dokumentieren sie Hemmnisse für mögliche Lösungsstrategien. Darüber hinaus erarbeiten die Wissenschaftler Anforderungen an Hersteller und Produkte für eine verlängerte Lebensdauer sowie Empfehlungen für politische Entscheidungsträger und Verbraucher.

„Mit Blick auf Flachbildfernseher zeigt die Analyse eine schwankende Erstnutzungsdauer“, so Prakash zu einem Zwischenergebnis der Studie, „diese lag 2005, im ersten Jahr der Datenerhebung, bei 3,2 Jahren, stieg 2007 auf 5,7 Jahre, ging 2010 auf 4,4 Jahre zurück und erhöhte sich dann bis 2012 auf 5,6 Jahre.“ Die durchschnittlichen Erstnutzungsdauern sind damit deutlich geringer als jene der im gleichen Zeitraum ersetzten Röhrenfernseher. Ursache für den Ersatz ist bei Flachbildfernsehern vor allem der Wunsch nach einem besseren Gerät: Über 60 Prozent der noch funktionierenden Geräte wurden 2012 aus diesem Grund ersetzt. Der Anteil der defekten Geräte an Ersatzkäufen lag zu diesem Zeitpunkt bei 25 Prozent.

Die gleiche Größenordnung zeigt sich bei Notebooks: „Über ein Viertel der Ersatzkäufe wurde hier durch einen Defekt verursacht“, sagt der Wissenschaftler vom Öko-Institut, „eine Zahl, die sich in den vergangenen Jahren übrigens deutlich erhöht hat.“ Hauptursachen seien hier thermische Probleme, die mechanische Abnutzung sowie ein fahrlässiger Umgang. „Der Wunsch nach einem besseren Gerät ist hier hingegen rückläufig“, erklärt Prakash. Die durchschnittliche Erstnutzungsdauer von Notebooks ist zwischen 2004 und 2007 zunächst leicht von 5,4 Jahren (2004) auf 6 Jahre angestiegen (2005/2006) und sank 2007 wieder leicht auf 5,7 Jahre, 2012 betrug sie 5,1 Jahre.

Länger leben

In ihrer Analyse zur Obsoleszenz von Produkten sprechen die Experten schon jetzt eine wesentliche Empfehlung aus: die Lebens- und Nutzungsdauer der Geräte zu verlängern. Welche Vorteile das hat, zeigt eine Studie, die das Öko-Institut gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM durchgeführt hat. Für das Umweltbundesamt haben die Wissenschaftler untersucht, wann es sich lohnt, ein altes Notebook durch ein energieeffizienteres Gerät auszutauschen. „Die Studie zeigt ganz klar: Der hohe Umweltaufwand bei der Herstellung gleicht sich nicht in realistischen Zeiträumen durch eine höhere Energieeffizienz bei der Nutzung aus“, sagt Siddharth Prakash. Selbst bei einer unrealistischen Effizienzsteigerung um 70 Prozent lohne es sich aus Umweltsicht erst nach dreizehn Jahren, das Gerät auszutauschen. Bei einer Steigerung um 10 Prozent sogar erst nach mehreren Jahrzehnten.

Zudem muss nach Ansicht der Wissenschaftler der Umweltaufwand bei der Herstellung reduziert und das Produktdesign verstärkt auf Langlebigkeit, Recyclingfähigkeit und Reparaturfreundlichkeit ausgerichtet werden. Denn auch in Notebooks werden viele seltene Rohstoffe verbaut, die kaum recycelt werden. „Es muss möglich sein, Notebooks auf- und nachzurüsten, kostengünstig zu reparieren und standardisierte Ersatzteile für mehrere Jahre zur Verfügung zu stellen“, fordert Prakash, „mit Blick auf die Recyclingfähigkeit ist es außerdem wichtig, dass einige Komponenten wie kobalthaltige Akkus ohne Zuhilfenahme von Werkzeugen entnehmbar sind.“

Ein weitere Herausforderung zeigt sich beim Thema Software: Sie kann zu einer verkürzten Gerätenutzung führen. „Oftmals werden Geräte ausgetauscht, weil ein Betriebssystem oder eine Anwendung nicht mehr auf ihnen läuft – und nicht, weil sie defekt sind“, so Prakash „das betrifft nicht nur Produkte wie Notebooks und Drucker, sondern vermehrt auch Fernsehgeräte.“ Derzeit befassen sich die Wissenschaftler des Öko-Instituts mit der Frage, wie Softwarelösungen zu einer längeren Nutzungsdauer beitragen können.

Bislang steht die Energieeffizienz im Mittelpunkt der europäischen Ökodesignpolitik. Die ersten Schritte, die für mehr Transparenz bezüglich der Mindestqualität sorgen und eine längere Produktlebensdauer befördern sollen, wurden in der EU-Ökodesign-Richtlinie jedoch vor Kurzem gegangen. „Seit dem 1. Juli 2014 sind die Notebookhersteller verpflichtet, die erreichbare Mindestanzahl der Ladezyklen eines Akkus in den technischen Unterlagen anzugeben und auf frei zugänglichen Websites zu veröffentlichen“, so Prakash. Zusätzlich müssen die Hersteller über die Möglichkeiten des Akkuaustauschs auf ihrer Website, der Außenverpackung sowie in den technischen Unterlagen informieren. „Das war der erste kleine Schritt, nun müssen weitere folgen, auch für andere Produktgruppen“, sagt der Wissenschaftler, „das umfasst zusätzliche Anforderungen an die Hersteller ebenso wie die Entwicklung von genormten Messverfahren zur Bestimmung der Produktlebensdauer.“

Nachhaltigkeit bewerten

Bei der Auswahl umweltgerechter Produkte helfen nicht nur Angaben der Hersteller, sondern ebenso Projekte wie die Verbraucherplattform EcoTopTen oder der Blaue Engel. Auch das EU-Ecolabel zeichnet Produkte und Dienstleistungen aus, die aus Umwelt- und Klimagesichtspunkten zu empfehlen sind, darunter Computer, Notebooks und Fernseher. Die Wissenschaftler des Öko-Instituts haben die EU-Kommission dabei unterstützt, die bestehenden Kriterien des EU-Ecolabels weiter zu entwickeln. „Wir haben bereits einen Kriterienkatalog für Computer und Fernseher vorgeschlagen. Hierin sind zum ersten Mal Sozialstandards wie die Arbeitsbedingungen während der Herstellung und Gewinnung von konfliktfreien Rohstoffen berücksichtigt“, so Prakash. Darüber hinaus wurden Vorschläge entwickelt, wie die Langlebigkeit von Produkten berücksichtigt werden kann.

Auf welchem Weg IKT-Produkte nachhaltiger werden können, hat das Öko-Institut zudem im Auftrag der Deutschen Telekom AG gezeigt. Es erstellte eine umfassende Nachhaltigkeitsmatrix, die Kriterien wie etwa klimaschonendes Design, Lebenszykluskosten oder auch den Fuhrpark berücksichtigt. „Mit der Matrix können Produkte und Dienstleistungen bewertet und Schlussfolgerungen etwa für Produktentwicklung und Beschaffung gezogen werden“, sagt Prakash, „auf diese Weise kann entlang der gesamten Wertschöpfungskette viel erreicht werden.“

Mehr ökologische und soziale Nachhaltigkeit von Informations- und Kommunikationstechnologien ist unverzichtbar. Die Politik kann tätig werden – etwa durch die Erweiterung der Ökodesign-Richtlinien um weitere Anforderungen wie Langlebigkeit und Materialeffizienz. Die Wirtschaft ebenso – etwa durch langlebige Produkte. Und nicht zuletzt der Verbraucher – durch eine möglichst lange Nutzung von Notebook, Smartphone & Co. „Ein Handeln quer durch alle gesellschaftlichen Gruppen ist unerlässlich“, betont Siddharth Prakash, „nicht zuletzt vor dem Hintergrund des weiteren Wachstums, das wir bei IKT für die nächsten Jahre erwarten.“ Auch das haben Informations- und Kommunikationstechnologien übrigens mit dem Flugverkehr gemeinsam. Christiane Weihe