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Arbeit / Rückblick

Überhöhte Temperaturen, Freisetzung von Radioaktivität

Studie bestätigt Mängel im Betrieb des Versuchsreaktors AVR Jülich

Christiane Weihe

Bis 1988 war am Forschungszentrum Jülich ein Versuchsreaktor in Betrieb. Im AVR (Arbeitsgemeinschaft Versuchsreaktor) Jülich, einem Kugelhaufenreaktor, wurde der Reaktorkern aus etwa 100.000 Brennelementkugeln statt wie üblich aus Brennstäben gebildet. Die Kühlung erfolgte mit Gas statt wie üblich mit Wasser. Während seiner Laufzeit kam es zu überhöhten Temperaturen im Reaktorkern sowie hohen Freisetzungen von Radioaktivität aus den Kugelbrennelementen. Wo liegen die Ursachen dafür? Dieser Frage ist eine Expertengruppe unter Leitung von Christian Küppers vom Öko-Institut im Auftrag des Forschungszentrums Jülich sowie der AVR GmbH als Nachfolgeorganisation des früheren Betreibers nachgegangen.

„Wir haben vier Problemfelder untersucht: überhöhte Temperaturen im Primärkreis, dessen radioaktive Verunreinigung, einen Dampferzeugerstörfall sowie radiologische Aspekte des Betriebs“, erklärt Christian Küppers, stellvertretender Leiter des Institutsbereichs Nukleartechnik & Anlagensicherheit. So seien im Primärkreis des AVR Jülich zeitweise zu hohe Temperaturen gegenüber den geplanten Werten verzeichnet worden. „Wir konnten keine alleinige Ursache hierfür ermitteln“, sagt der Experte, „in Frage kommen etwa Bypässe im Kühlmittelstrom, Fehler bei der Beschickung des Kerns mit Brennelementen oder Unsicherheiten bei der Modellierung des Fließverhaltens der Kugeln.“ Probleme gab es im AVR Jülich auch mit Blick auf eine zu hohe Freisetzung von Radioaktivität aus den Brennelementkugeln. „Diese hatten höhere Strahlenbelastungen des Betriebspersonals bei Arbeiten am Primärkreis zur Folge“, so Küppers, „die Ursachen liegen insbesondere bei einem Brennelementtyp, der im Betrieb nicht robust war, einem bis 1981 teilweise zu langen Einsatz von Brennelementen sowie den hohen Temperaturen.“ Zusätzlich haben sich die Experten mit einem Störfall im Jahr 1978 befasst, bei dem Wasser in den Primärkreis des Reaktors gelangte. In der Folge kam es auch zu einer Kontamination von Grundwasser und Boden. „Wir haben in diesem Zusammenhang ein massives Fehlverhalten des Personals während des Störfalls festgestellt, das die Messbereiche der Feuchtemessung so umgestellt hat, dass der AVR Jülich weiterbetrieben werden konnte“, so der Wissenschaftler vom Öko-Institut, „der Betrieb sollte eine Trocknung bewirken, es konnte aber immer mehr Wasser eintreten.“

Nach Ansicht der Experten ist trotz der Kontamination von Boden und Grundwasser nicht von einer gesundheitlichen Gefährdung der Bevölkerung auszugehen. Die Verunreinigung hat jedoch Mehraufwand beim Rückbau verursacht. „Bevor das Gelände anderweitig genutzt werden kann, muss seine Sanierung erfolgen“, sagt Küppers, „so muss hier etwa Boden beseitigt werden, um eine weitere Verbreitung der Radioaktivität zu verhindern.“ cw

info: c.kueppers@oeko.de