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Perspektive

Konflikte akzeptieren

Was können wir von Bürgerbeteiligung erwarten?

Ein Investor wird seine Pläne für den Schweinemastbetrieb nicht auf Eis legen, nur weil einige Bürger sich bei einem „Runden Tisch Schweinemast“ dagegen ausgesprochen haben. Ein Hauseigentümer wird seine Ablehnung gegen die Höchstspannungsleitung nicht aufgeben, nur weil er zu einem Infoabend eingeladen wurde. Das kann Bürgerbeteiligung nicht leisten. Wir müssen diesem Thema mit realistischen Erwartungen begegnen. Es ist wichtig, Konflikte zu akzeptieren und ihre Gründe zu verstehen. Als Vorhabenträger nicht zu erwarten, dass Bürgerbeteiligung zu uneingeschränkter Akzeptanz führt. Als Bürger nicht zu erwarten, dass der Vorhabenträger sein Projekt gar nicht oder an anderer Stelle realisiert. Wenn wir aber erkennen, was Bürgerbeteiligung leisten kann, nämlich Verständnis für die Interessen des Gegenübers zu fördern und punktuell für Verbesserungen zu sorgen, können wir sie wirkungsvoll einsetzen.

Die Begriffe und Varianten der Bürgerbeteiligung sind vielfältig. So gibt es eine rechtlich vorgesehene Variante: Behörden informieren über neue Vorhaben in Amtsblättern, in der Folge können Bürger die entsprechenden Unterlagen einsehen und eine Einwendung einreichen. Diese muss von der Behörde gewürdigt werden. Ein bewährtes Verfahren, das jedoch an Grenzen stößt: Es adressiert Leser von Lokalzeitungen bzw. des Amtsblattes. Bürger, die sich nur punktuell für ein Projekt interessieren und insbesondere Jüngere werden so kaum erreicht. Viele Behörden veröffentlichen die Bekanntmachung daher inzwischen auch online und stellen zusätzlich die Planungsunterlagen zum Download zur Verfügung.

Neben den gesetzlich normierten Verfahren gibt es verschiedene Dialog- und Mediationsverfahren, die rechtlich nicht verbindlich vorgesehen sind. Sie werden häufig von der Politik oder den Vorhabenträgern selbst initiiert, beinhalten etwa Informationsmaßnahmen oder Verhandlungsforen. Das Öko-Institut hat viele solcher Verfahren begleitet, so im Zuge des Ausbaus des Flughafens in Frankfurt/Main um eine vierte Bahn. In einer Mediation wurde dieser mit zusätzlichen Bedingungen verknüpft: einem Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr sowie der dauerhaften Erarbeitung und Umsetzung von Maßnahmen zum aktiven Schallschutz. Auch im Rahmen von Ausbauplänen des Instituts für Transurane in Karlsruhe (ITU), das nukleare Sicherheitsforschung betreibt, kam es zu einer Mediation unter Beteiligung des Öko-Instituts. Das ITU wollte ein neues Labor- und Lagergebäude errichten, um die Sicherheitsstandards zu erhöhen. Die Bevölkerung vor Ort jedoch war wegen des zu Forschungszwecken gelagerten radioaktiven Materials und der Frage besorgt, ob am ITU an Kernkraftwerken der neuesten Generation geforscht werde. Zwei Ergebnisse der Mediation: Die Gemeinden nahmen ihre Einwände zurück, das ITU verpflichtete sich, die Umgangsmengen an Kernbrennstoffen freiwillig zu reduzieren und seine Forschung in Bezug auf zukünftige Reaktorsysteme auf sicherungs- und sicherheitsrelevante Untersuchungen der Kernbrennstoffe zu begrenzen.

Beide Beispiele zeigen: Beteiligungsverfahren können in einzelnen Aspekten Veränderungen bewirken. Durch Bürgerbeteiligung kann ein besseres gegenseitiges Verständnis erreicht werden. Dafür braucht es die realistischen Erwartungen an das Verfahren, aber auch eine Kommunikation auf Augenhöhe. Zusätzlich müssen solche Prozesse rechtzeitig begonnen werden. Das gesetzliche Beteiligungsverfahren kommt für eine echte Beteiligung meist zu spät, da es erst in Gang gesetzt wird, wenn der Vorhabenträger seine Planungen abgeschlossen und die behördliche Genehmigung beantragt hat. Wird die Beteiligung hingegen früher initiiert, stehen die Chancen für eine zielführende Partizipation deutlich besser. Ob dies durch den neuen § 25 Abs. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetz erreicht wird, nach dem die Behörde bei größeren Vorhaben auf eine „frühe Bürgerbeteiligung“ hinwirken soll, bleibt abzuwarten. Es steht und fällt mit der Bereitschaft und der Offenheit der Beteiligten.

Wir leben in einem Industrieland, das die Energiewende umsetzen will. Es wird immer Projekte geben, an denen sich Konflikte entzünden. Doch mit Bürgerbeteiligung und einem offenen Austausch können diese Konflikte angesprochen, diskutiert, respektiert und zumindest punktuell abgemildert werden. So kann letztendlich auch Akzeptanz geschaffen werden: für das Zustandekommen der Behördenentscheidung, nicht zwangsläufig für deren Inhalt. Silvia Schütte

info: s.schuette@oeko.de

Das Thema Partizipation ist Teil vieler Projekte von Silvia Schütte, so etwa mit Blick auf den Flughafen Frankfurt/Main oder das Pumpspeicherkraftwerk Atdorf. Der Forschungsschwerpunkt der Juristin, die seit 2010 am Öko-Institut tätig ist, liegt auf nationalem und europäischem Umweltrecht. In diesem Zusammenhang befasst sie sich vor allem mit dem Umwelt- und Planungsrecht sowie der Partizipation im Umweltrecht.