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Der Nachhaltigkeitstrainer

Global Value – ein Instrument für multinationale Unternehmen

Christiane Weihe

Christiane WeiheNoch besser werden. Nicht nur in Sachen Produkte und Dienstleistungen. Sondern umfassend. Das scheint für viele Unternehmen selbstverständlich. Nachhaltigkeitsmaßnahmen für eine gute Mitarbeiterentwicklung, eine effiziente Energieversorgung oder auch ein umweltgerechtes Abfallmanagement sind weit verbreitet. Doch wirkt sich die Tätigkeit von multinationalen Unternehmen tatsächlich auf globale Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele aus – so etwa die Armutsbekämpfung oder auch den Umweltschutz? Mit dieser Frage befasst sich das europäische Projekt „Global Value“, an dem auch das Öko-Institut beteiligt ist. Zentrales Element ist dabei die kontinuierliche Einbeziehung der praktischen Erfahrung aus der Wirtschaft sowie der Expertise unterschiedlicher Stakeholder.

Koordiniert von der Wirtschaftsuniversität Wien und gefördert im 7. Forschungsrahmenprogramm der EU arbeiten bei Global Value insgesamt zwölf Partner aus Europa, Asien und Afrika für ein klares Ziel: Ab 2016 soll es multinationalen Unternehmen ermöglicht werden, ihren Einfluss auf globale Entwicklungs- und Nachhaltigkeitsziele zu bewerten und zu verbessern. Zentraler Bestandteil des Projektes ist die Entwicklung eines neuen Instruments, anhand dessen Unternehmen die ökologischen und sozialen Auswirkungen ihrer Produkte und Aktivitäten in Entwicklungsländern besser beurteilen können. Diese Entwicklung, an der Wissenschaftler und Praktiker der unterschiedlichsten Disziplinen und Hintergründe beteiligt sind, findet gemeinsam mit Unternehmen statt. „Mit dem Tool sollen die Aktivitäten des Unternehmens möglichst umfassend bewertet werden – der Einkauf und die Produktion ebenso wie die Distribution oder auch das freiwillige Unternehmensengagement“, erklärt Christoph Brunn vom Öko-Institut. Mit Hilfe des web-basierten Tools sollen die Unternehmen in die Lage versetzt werden, verantwortungsvollere Handlungsoptionen zu identifizieren und umzusetzen. Hierfür werden neben dem Tool ein Handbuch und Trainingsmaterialien entwickelt, die den Unternehmen bei der praktischen Anwendung helfen sollen. „Nach der Fertigstellung wird das Tool weltweit frei zur Verfügung gestellt“, sagt der Experte.

Schon in der Entwicklungsphase des Tools kommt die praktische Erfahrung von Unternehmen zum Beispiel aus den Bereichen Textil- und Ernährungsindustrie zum Einsatz – Praxispartner wie Bata und Olam werden zu jeweils unterschiedlichen Zeitpunkten der Entwicklung das Tool testen und mit ihrem Feedback zur kontinuierlichen Verbesserung beitragen. Diese beiden Unternehmenspartner produzieren in Bangladesch und Tansania – aus diesen Ländern stammen auch Forschungspartner, die an Global Value beteiligt sind. Darüber hinaus wird der Prozess der Toolentwicklung von einer so genannten Expert Crowd begleitet: Dieser Expertenrat ist als weiterentwickelte Variante eines klassischen Beirats gedacht. Er besteht schon heute aus über 100 Mitgliedern und soll noch erweitert werden, um möglichst umfassend die zentralen Themen und Sektoren abzudecken. „Die Experten kommen aus der Wirtschaft, der Politik oder auch zivilgesellschaftlichen Organisationen und sollen im Laufe des Projektes immer wieder über digitale Kanäle ihr Wissen und ihre Einschätzungen einbringen“, sagt Christoph Brunn, „derzeit werden weitere Mitglieder für die Expert Crowd gesucht, interessierte Fachleute können sich über die Homepage bei der Wirtschaftsuniversität Wien melden.“ Anschließend fügt er noch hinzu: „Die Toolentwicklung ist transdisziplinär angelegt – das zeigen die Expert Crowd und die Praxispartner, aber auch die beteiligten unterschiedlichen Forschungseinrichtungen.“

Grundlage der zu definierenden Entwicklungsziele, deren Erreichung mit dem Tool geprüft werden soll, werden die acht Millennium Development Goals (MDGs), die so genannten Millenniumentwicklungsziele sein. Sie wurden aus der Millenniumserklärung des Gipfeltreffens der Vereinten Nationen abgeleitet und umfassen die Beseitigung von extremer Armut und Hunger ebenso wie die Verwirklichung einer allgemeinen Grundschulbildung oder auch die Sicherung ökologischer Nachhaltigkeit. Bis 2015 wollten die 189 Staaten des Gipfeltreffens diese Ziele erreichen, eine Nachfolgeagenda ist nun bereits auf dem Weg. „Bis zum Herbst 2014 sollen die neuen Sustainable Development Goals, die so genannten SDGs, entwickelt werden“, erklärt Franziska Wolff, die stellvertretende Leiterin des Bereichs Umweltrecht & Governance am Öko-Institut. Die Entwicklung der SDGs wird auch im Rahmen des Projektes Global Value genau beobachtet. „Es gibt ein eigenes Arbeitspaket, das diesen Prozess im Auge behält und dafür sorgt, dass aktuelle Entwicklungen in das Projekt integriert werden“, sagt Wolff.

Die Regeln prüfen

Bevor es aber mit der Toolentwicklung richtig losgehen kann, müssen die Wissenschaftler des Öko-Instituts wesentliche Grundlagen legen: Sie befassen sich mit institutionellen Rahmenbedingungen von nachhaltigem Unternehmenshandeln, so genannten Systems of Governance. Dabei handelt es sich um ineinandergreifende Regelstrukturen für unterschiedliche Umwelt- und Entwicklungsthemen auf nationaler und internationaler Ebene, die von Regierungen, Unternehmensverbänden oder auch NGOs entwickelt wurden. „Beim Thema fairer Handel wären das zum Beispiel UN-Standards, nationale Gesetze, freiwillige Kennzeichen wie das Fair Trade Label oder auch zivilgesellschaftliche Mechanismen wie etwa die Clean Clothes Campaign“, erläutert Franziska Wolff, die das entsprechende Arbeitspaket im Global Value-Vorhaben leitet. Im Projekt IMPACT, das im Herbst 2013 abgeschlossen wurde, haben die Wissenschaftler des Öko-Instituts bereits untersucht, welche Wirkung freiwillige Nachhaltigkeitsmaßnahmen von Unternehmen auf die Gesellschaft haben. Sie stellten in diesem Zusammenhang fest, dass härtere regulatorische Maßnahmen – so etwa Steuern oder Berichtspflichten – für das Nachhaltigkeitsengagement sinnvoll und notwendig seien.

Das Öko-Institut wird für Global Value nun untersuchen, welchen Einfluss institutionelle Rahmenbedingungen auf ein nachhaltiges Handeln von multinationalen Unternehmen haben. „Wir identifizieren zunächst die Systems of Governance zu umwelt- und entwicklungsbezogenen Themen“, sagt die Wissenschaftlerin, „und untersuchen dann, wie sie sich über das Unternehmenshandeln auf Umwelt- und Sozialaspekte in den Entwicklungsländern auswirken, aber auch auf die Wettbewerbsfähigkeit der multinationalen Unternehmen. Nicht zuletzt interessiert uns, in welchem Umfang entwicklungspolitische Maßnahmen auf Unternehmensseite mit staatlicher Entwicklungszusammenarbeit koordiniert werden.“ In einem Workshop im Juni 2014 besprechen die Experten des Global Value Teams ihre ersten Ergebnisse mit relevanten Stakeholdern, Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. „Mit diesen Stakeholdern werden wir unsere Vorarbeiten in Bezug auf die Systems of Governance besprechen, aber auch die Planung von Fallstudien diskutieren“, sagt Wolff. Denn im Anschluss an den Workshop kommen weitere Praktiker zu Wort: In neun Fallstudien zu unterschiedlichen Themen wie etwa fairem Handel, Menschenrechten oder auch Schutz von Biodiversität werden die Wissenschaftler viele relevante Akteure zu ihrer Einschätzung des Einflusses von institutionellen Rahmenbedingungen auf Unternehmen und mittelbar auf Umwelt und Entwicklung befragen. „Beim Thema fairer Handel könnten dies zum Beispiel Vertreter der Internationalen Arbeitsorganisation ILO oder des Fair Trade-Labels sein“, erklärt die Expertin, „aber auch Unternehmen selbst sollen natürlich dazu befragt werden, inwiefern die institutionellen Rahmenbedingungen sie beeinflussen.“ Denn die Expertise aus der Wirtschaft und von weiteren Stakeholdern ist auch in diesem Projektschritt ein wichtiger Grundpfeiler von Global Value. Christiane Weihe

info: c.brunn@oeko.de