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Arbeit / Rückblick

Alternde Kernkraftwerke in Europa: Sicherheitsniveau sinkt

Öko-Institut führt Studie für Greenpeace durch

Christiane Weihe

30 bis 40 Jahre sollten die 152 Kernkraftwerke in EU, Schweiz und Ukraine eigentlich laufen – für diese Laufzeit wurden sie technisch konzipiert. Schon heute beträgt ihr durchschnittliches Alter 29 Jahre. Und die Laufzeiten sollen auf 50 bis 60 Jahre verlängert werden. „Hinzu kommt, dass die Anlagen mehr thermische Energie erzeugen müssen“, erklärt Simone Mohr vom Öko-Institut. Für Greenpeace hat das Öko-Institut eine Studie zur Sicherheit der Kernkraftwerke in Europa durchgeführt. „Ein wesentliches Ergebnis unserer Analyse ist, dass die fortschreitenden Alterungseffekte sowie die immer wieder vorgenommenen Leistungserhöhungen der Anlagen zu Belastungen für die Komponenten und Strukturen der Anlagen führen“, sagt die Wissenschaftlerin, „dies reduziert die Sicherheitsmargen der Kernkraftwerke zunehmend.“

Eine kontinuierliche Überwachung sowie der rechtzeitige Austausch von Komponenten, die korrodieren, Risse aufweisen oder auch spröde werden, sind schon heute unabdingbar. Das sehr aufwendige Alterungsmanagement wird aber nicht immer vollständig und mit letzter Konsequenz durchgeführt. Mit der Entscheidung, schadhafte Großkomponenten auszutauschen, tut sich mancher Betreiber schwer. „Es werden mitunter Instandhaltungskonzepte für die Großkomponenten bevorzugt oder neue Berechnungen vorgelegt, die nachweisen sollen, dass der Alterungsmechanismus weiter tolerierbar ist“, so Mohr, „finanzielle Aspekte spielen hier eine große Rolle.“

Doch nicht nur die physische Alterung von Komponenten, Systemen und Bauwerken verursacht Probleme. Diese entstehen auch mit Blick auf den veralteten technischen und konzeptionellen Aufbau. „Früher wurden an die Auslegung von Kernkraftwerken geringere Anforderungen gestellt als heute“, sagt Mohr, „aus diesem Grund sind alte Kernkraftwerke meist schlechter gegen Einwirkungen von außen wie Hochwasser, Erdbeben oder Flugzeugabsturz geschützt als dies nach aktuellem Stand von Wissenschaft und Technik notwendig wäre.“ Physische, technologische und konzeptionelle Alterung - zum Teil noch kombiniert mit Leistungserhöhungen - führt zu einer fortschreitenden Absenkung des Sicherheitsniveaus der ältesten Reaktoren in Europa. Alterungseffekte können Störfälle auslösen oder sie können den Verlauf von Störfällen verschärfen, wenn der Reaktor höheren Belastungen ausgesetzt ist als im Normalbetrieb. Schwerwiegende Folgen sind in den dicht bevölkerten Regionen, in denen die Kernkraftwerke stehen, dann nicht auszuschließen. „Die Schweiz etwa betreibt die ältesten europäischen Kernkraftwerke – Beznau-1 ist mit 45 Jahren sogar das älteste Kernkraftwerk der Welt. Und das in einer erdbebengefährdeten und so dicht besiedelten Region in Europa“, sagt Simone Mohr, „im Falle eines Unfalls könnten hier Millionen Menschen betroffen sein.“ cw

info: s.mohr@oeko.de