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Neun Jahre für 14 Millionen

Elektromobilität in Unternehmen

Christiane Weihe

Sie sind bereits ein gewohnter Anblick im Straßenbild: Fahrräder, Roller, Autos oder Busse, die mit einer Batterie statt mit Benzin im Tank unterwegs sind. Und ihre Zahl steigt: Im Jahr 2021 lag etwa der Anteil rein elektrischer Pkw an den Neuzulassungen laut Kraftfahrtbundesamt bei 13,6 Prozent – im Vorjahreszeitraum lag dieser Wert noch bei 6,7 Prozent. Im August 2021 waren auf deutschen Straßen erstmals eine Million Elektrofahrzeuge unterwegs, davon fuhren 54 Prozent rein elektrisch. Ein Erfolg – und doch noch weit entfernt von dem, was die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag plant: Bis 2030 soll es hierzulande mindestens 15 Millionen reine Elektroautos geben. Für dieses Ziel braucht es nicht nur die positive Entwicklung eines dynamischen Marktes, sondern passende Rahmenbedingungen und wirksame Instrumente. Ein wesentlicher Hebel liegt im gewerblichen Bereich, in dem über 60 Prozent der Neuzulassungen stattfinden. Wie sich der Anteil an Elektrofahrzeugen hier erhöhen lässt, dazu arbeitet das Öko-Institut in unterschiedlichen Projekten.

Es gibt viele Gründe, warum sich ein detaillierter Blick auf den gewerblichen Bereich lohnt. So werden hierzulande 38 Prozent der Personenkilometer auf Arbeitswegen oder dienstlichen Fahrten zurückgelegt. „Dienstautos werden aber oft nur kurz genutzt und landen dann auf dem Gebrauchtwagenmarkt – sie könnten einen Anschub für die Elektromobilität leisten, da hier über 80 Prozent der privaten Fahrzeugkäufe stattfinden“, sagt Moritz Mottschall vom Öko-Institut. „Zusätzlich können über Dienstwagen viele Menschen von den Vorteilen der Elektromobilität überzeugt werden.“

Elektrofahrzeuge haben viele Vorteile für Unternehmen. Dennoch liegt ihr Anteil an gewerblichen Flotten hierzulande im Durchschnitt nur bei 3,3 Prozent. Woran liegt das? „Es gibt leider keine ausreichenden Anreize, den Flottenbetrieb ökologischer zu gestalten – ganz im Gegenteil“, sagt der Senior Researcher, „aufgrund der aktuellen steuerlichen Regelungen sind emissionsintensive Fahrzeuge sogar finanziell attraktiv und es gibt kaum finanzielle Anreize, die private Nutzung von Dienstwagen zu begrenzen oder sie verbrauchsärmer zu nutzen.“ Zurückzuführen sei dies etwa auf Regelungen mit Blick auf die Absetzbarkeit der Fahrzeugkosten sowie die nur geringere einkommensteuerliche Bemessung des Nutzungswertes, wenn ein Dienstwagen privat genutzt wird. „Oft wird auch überhaupt nicht erfasst, wie viel das Auto privat oder dienstlich gefahren wird.“ Für einen nachhaltigeren Flottenbetrieb dürfe es nicht günstiger sein, einen Dienstwagen zu benutzen als einen privaten Pkw. „Von den Vorteilen der Dienstwagen profitieren zudem vor allem Menschen, die finanziell sowieso bessergestellt sind.“

Die elektrische Unternehmensflotte

Im Projekt „compan-e – Wege zur elektrischen und nachhaltigen Unternehmensmobilität“ analysiert das Öko-Institut seit 2019 gemeinsam mit unterschiedlichen Projektpartnern wie Agora Verkehrswende, der Deutschen Bahn oder der R+V Versicherung, wie der Anteil von Elektrofahrzeugen in Unternehmen erhöht werden kann. „Ein sehr spannendes Projekt, denn es sind viele Praxispartner beteiligt, die wir bei der Elektrifizierung ihrer Unternehmensflotte begleiten und mit denen wir in regem Austausch stehen. So lernen wir zum Beispiel viel über die Grundlagen der jeweiligen Car Policy, also die Regeln für die Anschaffung von Dienstfahrzeugen, oder auch über die Hemmnisse für die Anschaffung von Elektroautos.“ So gibt es häufig lange Lieferzeiten und es fehlen Fahrzeugmodelle im Angebot der Hersteller, die für Unternehmen besonders relevant sind – etwa Kleinwagen für den Fahrzeugpool, leichte Nutzfahrzeuge für den Service und Kombis für Dienstwagennutzerinnen und -nutzer. Stattdessen beherrschen SUVs auch bei den E-Fahrzeugen das Angebot. „Oftmals wissen Nutzerinnen und Nutzer sowie Verantwortliche nicht genug über das tatsächliche Potenzial einer elektrischen Flotte oder auch den Aufwand für den Aufbau einer Ladeinfrastruktur – hier müssen noch viele Informationsdefizite behoben werden. Auch das ist ein Ziel von compan-e.“

Dass mehr bedarfsgerechte und effiziente Fahrzeuge angeboten werden, kann politisch durchaus gesteuert werden. Das Projektteam plädiert etwa für ein Bonus-Malus-System, bei dem die Anschaffungskosten bei Pkw mit hohen Treibhausgasemissionen höher sind als bei jenen mit einem niedrigen CO2-Ausstoß und hoher Effizienz. Ein zentraler Hebel liegt zudem bei der Dienstwagenbesteuerung, die sich stärker nach ökologischen Kriterien richten sollte. Denn bislang sind die Steuern hierzulande niedrig, auch für emissionsintensive Fahrzeuge. „Andere Länder bemessen zum Beispiel die Absetzbarkeit der Fahrzeugkosten oder den Nutzungswert gestaffelt nach den CO2-Emissionen“, sagt der Senior Researcher.

Bis auf Weiteres braucht es aus Sicht des Wissenschaftlers vom Öko-Institut also weiterhin eine aktive Förderung von Elektroautos – und zwar solchen, die rein elektrisch unterwegs sind. Denn viele Unternehmen setzen auf so genannte Plug-in-Hybride, die elektrischen und konventionellen Antrieb kombinieren. „Ihr Klimavorteil wird stark überschätzt, da sie im täglichen Betrieb meist den Verbrennungsmotor nutzen und sehr niedrige elektrische Fahranteile haben. Sie sollten nur von Steuervergünstigungen profitieren, wenn nachgewiesen wird, dass sie einen festgelegten Anteil der Wegstrecken elek­trisch zurückgelegt haben. Abgesehen von der Elektromobilität könnte aber auch für mehr Nachhaltigkeit in der Unternehmensmobilität gesorgt werden, indem etwa Mobilitätsbudgets als Alternative zum Dienstwagen attraktiver gemacht werden.“

Strom und Lkw

Elektromobilität im gewerblichen Bereich, das sind natürlich nicht nur Fahrzeugflotten und Pkw. Ein relevanter Baustein liegt auch im Straßengüterverkehr. Hier werden derzeit etwa Oberleitungs-Lkw erforscht, aber auch batterieelektrische Lkw spielen eine wichtige Rolle. Welche Potenziale alternative Antriebe haben können, untersucht das Öko-Institut derzeit im Projekt „Strategie für die Elektrifizierung des Straßengüterverkehrs“ gemeinsam mit der Hochschule Heilbronn. „Das Projekt ist sehr praxisorientiert und soll zeigen, wie alternative Antriebe eingesetzt werden könnten und welche Rahmenbedingungen es hierfür braucht“, so Mottschall.

Gefördert vom Bundesumweltministerium hat das Projektteam bereits den Status quo und die Perspektiven von Oberleitungen, Batteriesystemen, alternativen Kraftstoffen und Wasserstoff-Brennstoffzellen betrachtet. „Dabei zeigt sich unter anderem, dass batterieelektrische Lkw derzeit am weitesten entwickelt sind, wir erwarten in den nächsten Jahren einen Markthochlauf mit Serienmodellen im Nah- und Regionalverkehr. Die direkte Stromnutzung ist zudem sehr viel effizienter als die Nutzung von strombasiertem Wasserstoff in Brennstoffzellen.“ Bereits in einem Vorgängerprojekt haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Vorteile von E-Lkw für das Klima verdeutlicht: Egal, ob batterieelek­trisch oder oberleitungsgebunden, sie schneiden mit einem Gesamtwirkungsgrad von 73 Prozent deutlich besser ab als Brennstoffzellen- oder E-Diesel-Lkw – also die Nutzung strombasierter synthetischer Kraftstoffe – mit 31 und 21 Prozent. „Diese Vorteile gilt es nun einzusetzen und gleichzeitig auch den Speditionsbetrieben Sicherheit für eine langfristige Planung zu geben – und die sollte sich aus unserer Sicht nicht primär auf Wasserstoff richten, der in anderen Bereichen wie der Stahlindustrie oder als Rohstoff für synthetische Kraftstoffe für den Luftverkehr dringender benötigt wird.“

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Die Energieeffizienz im Verkehr sowie alternative Antriebskonzepte sind zentrale Themen der Arbeit von Moritz Mottschall. Darüber hinaus befasst sich der Diplom-Ingenieur Technischer Umweltschutz unter anderem mit Emissionsberechnungen für Güter- und Personenverkehre sowie der Beurteilung von Umweltauswirkungen der Verkehrsinfrastruktur.