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Perspektive

Freiwillige Klimakompensation

Die Qualität von Klimaschutzzertifikaten

Die Vermeidung von Treibhausgasen ist immer die beste Lösung. Doch noch lassen sich nicht alle Emissionen vermeiden. Mit dem steigenden Bewusstsein für die Klimakrise ist auch der Markt für die freiwillige Klimakompensation in den vergangenen Jahren in rasantem Tempo gewachsen. Immer mehr Unternehmen setzen sich Netto-Null-Emissions-Ziele und auch immer mehr Privatpersonen nutzen die Klimakompensation. Nach Angaben von Ecosystem Marketplace wurden 2016 etwa 146 Millionen Zertifikate verkauft. Heute liegt das jährliche Handelsvolumen bei etwa einer Milliarde Zertifikate – Tendenz steigend. Doch die freiwillige Klimakompensation birgt gleich mehrere Probleme, allen voran die sehr durchwachsene Qualität der Klimazertifikate.

Für Käuferinnen und Käufer von Klimazertifikaten ist es schwierig zu unterscheiden, welche Klimazertifikate wirklich gut sind. Deshalb haben wir gemeinsam mit dem World Wildlife Fund (WWF) und dem Environmental Defense Fund (EDF) die Carbon Credit Quality Initiative ins Leben gerufen. Sie soll ab Ende März unabhängige und verständliche Informationen zur Qualität von Klimazertifikaten zur Verfügung stellen. Was also macht ein gutes Zertifikat aus? Dies haben wir in einer ersten Pilotphase für vier unterschiedliche Standards – wie zum Beispiel den Gold Standard – sowie drei Projekttypen analysiert: die Aufforstung von Wäldern, die Nutzung von Deponiegasen und die Anschaffung von effizienten Holzkochherden.

Für die Qualitätsbewertung haben wir unterschiedliche Kriterien definiert. Sehr wichtig ist immer die Zusätzlichkeit: Wird das Projekt, das die Emissionen ausgleichen soll, nur durch die Einnahmen aus dem Verkauf der Zertifikate ermöglicht oder wird es ohnehin realisiert? Weitere wichtige Fragen sind, ob die Emissionsminderungen eher unter- als überschätzt werden und ob sie dauerhaft sind. Wie lange etwa bleibt ein aufgeforsteter Wald tatsächlich bestehen? Manche Standards gewährleisten dies nur für wenige, andere für 100 Jahre. Eine Gefahr ist auch die Doppelzählung, also dass sich sowohl die Käufer und Käuferinnen als auch das Land, in dem das Projekt umgesetzt wird, die Emissionsminderungen auf ihre Klimaziele anrechnen. Darüber hinaus betrachten wir etwa, ob alle wesentlichen Informationen über Projekte transparent bereitgestellt werden, wie die Verifizierung der Minderungen durch unabhängige Prüfunternehmen erfolgt und wie negative soziale Wirkungen und andere negative Umweltwirkungen vermieden werden.

Uns ist wichtig, die Vor- und Nachteile der Klimazertifikate transparent und differenziert herauszuarbeiten. Uns geht es um die Graustufen. Wir zeigen, bei welchen Kriterien ein Projekt gut abschneidet und wo vielleicht auch nicht. So werden etwa bei den effizienten Holzkochherden die Emissionsminderungen deutlich überschätzt, dafür haben diese Projekte positive soziale Effekte – denn sie reduzieren die Luftverschmutzung und es wird weniger Zeit benötigt, um Holz zu sammeln. Neben der Qualität der Klimazertifikate ist entscheidend, wie die Zertifikate genutzt werden. Die Klimakompensation sollte nicht dazu genutzt werden, klimaschädliche Geschäftsmodelle länger aufrecht zu erhalten. Wenn an Tankstellen „klimaneutrales“ Benzin für nur einen zusätzlichen Cent angeboten wird, werden Kundinnen und Kunden möglicherweise weiter spritschluckende Autos kaufen. Die notwendige Transformation zu einem nachhaltigen Verkehrssystem kann so verzögert werden.

Immer mehr Akteurinnen und Akteure setzen sich zudem dafür ein, dass Unternehmen Klimafinanzierungsbeiträge leisten statt zu kompensieren oder klimaneutrale Produkte anzubieten. Hier wird für die verbleibenden Emissionen ein deutlich höherer Preis angelegt als der derzeitige Durchschnittspreis von unter zehn Euro je Tonne CO2. Damit sollen dann innovative Klimaschutzmaßnahmen finanziert werden. 

Klimazertifikate werden auch in Zukunft eine Rolle spielen, dann allerdings vor allem für die Aufnahme von CO2 aus der Atmosphäre. Denn in spätestens 30 Jahren wird es hoffentlich keine Emissionen mehr geben, die noch vermieden werden können. Die freiwillige Kompensation oder Klimafinanzierung durch Zertifikate kann auch nur ein Baustein des Klimaschutzes sein. Die notwendige Transformation zu einer Nullemissionswelt braucht vor allem die richtigen politischen Weichenstellungen.

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Dr. Lambert Schneider ist seit 2019 Forschungskoordinator für internationale Klimapolitik am Öko-Institut. Er hat als Mitglied der europäischen Delegation an den internationalen Klimaverhandlungen in Glasgow teilgenommen; es war seine insgesamt 20. Klimakonferenz.Darüber hinaus ist Dr. Lambert Schneider Mitglied des Exekutivrats des Clean Development Mechanism (CDM).