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Wertstoff Daten

Regulierung und Nachhaltigkeit

Christiane Weihe

Manche betrachten sie als das neue Öl. Andere als das neue Grundwasser. Wieder andere bezeichnen sie schlicht als den wichtigsten Rohstoff des 21. Jahrhunderts. Daten haben in unserer digitalisierten Gesellschaft einen immensen Wert. Die EU-Kommission schätzte allein den wirtschaftlichen Wert der datenbasierten Wirtschaft in der EU für 2015 auf 272 Milliarden Euro. Da Daten auch in hohem Maße Gestaltungsmacht bedeuten, ist die Frage, wie diese Daten gesammelt und genutzt werden dürfen, von hoher Bedeutung. Ihre Regulierung schreitet voran – das zeigt etwa die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) aus dem Jahr 2018. Doch trotz einer breiten Diskussion auch über die angemessene Regelung der Datennutzung bleibt ein Thema dabei bislang stark vernachlässigt: der Umweltschutz. Dies will das Öko-Institut ändern. Denn die Frage, wie Daten reguliert werden und wer Zugang zu ihnen erhält, kann einen erheblichen Einfluss auf Umwelt und Umweltpolitik haben.

Erste Fälle zeigen, wie sich die scheinbar identische Nutzung von Daten durch unterschiedliche Beteiligte positiv oder negativ auf die Nachhaltigkeit auswirken kann: In einem Beispiel aus München geht es um eine App zum Parken. „Viele Akteure und Akteurinnen sind hier an Daten über den öffentlichen Parkraum interessiert, um sie für entsprechende Angebote zu nutzen“, sagt Dr. Peter Gailhofer vom Öko-Institut, „die bayerische Landeshauptstadt hat sich dazu entschlossen, eine kommunale Park-App anzubieten.“ Der ökologische Vorteil: Die Stadt will ihren Kundinnen und Kunden mit Hilfe einer digitalen Anwendung nicht nur bei der Parkplatzsuche helfen, sondern ihnen gleichzeitig den öffentlichen Nahverkehr schmackhaft machen und so die Innenstadt entlasten. „Das gefällt vielen großen Unternehmen etwa aus der Automobilbranche überhaupt nicht“, so der Wissenschaftler aus dem Bereich Umweltrecht & Governance, „sie wollen ebenfalls Zugriff auf die entsprechenden Daten und selbst eine solche App anbieten. Allerdings, um das Autofahren in der Stadt maximal komfortabel zu machen.“ Eine kommerzielle Park-App könnte auch dazu genutzt werden, unabhängig vom Verkehr noch ganz andere Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen: Statt einem Umstieg auf ökologische Verkehrsmittel könnte eine solche App durch eine Verbindung mit maßgeschneiderten Angeboten einen stärkeren Konsum bewirken. Eine wirklich nachhaltige Datennutzung sieht natürlich anders aus. Bei vielen Anwendungen könnte zudem am Ende nur ein relevanter Anbieter übrig bleiben, wie das etwa bei Suchmaschinen oder sozialen Netzwerken schon der Fall ist. Und wer sich am Ende durchsetzt, ist ökologisch durchaus eine wichtige Frage.

ÖKOLOGISCHE DATENREGULIERUNG

Die Frage, wer Daten nutzt und wie er sie nutzt, hat nicht nur in diesem Einzelfall aus München erheblichen Einfluss auf die Nachhaltigkeit. Wer also soll in Fällen wie diesen die relevanten Daten erhalten? Wer darüber entscheiden? Und auf welcher Grundlage? Dafür braucht es Regeln. „Es gibt rechtlich im Moment kein exklusives Recht an Daten. Die Nutzung von Daten ist zwar teilweise durch den Datenschutz oder auch den Schutz von Geschäftsgeheimnissen eingeschränkt.“ Zudem gebe es für eine Regulierung bereits erste Ideen und Initiativen – so zum Beispiel erste Überlegungen auf EU-Ebene, um den Zugang öffentlicher Stellen zu Datensätzen von Unternehmen zu regeln. „Die Frage, wie eine grundlegende Regulierung der Datenwirtschaft aussehen wird, ist aber bislang noch offen.“

Datenregulierung ist eine sehr komplexe Aufgabe, nicht zuletzt aufgrund der sehr zahlreichen und auch unterschiedlichen Ziele, denen sie gerecht werden soll. „Dabei geht es um die Förderung des Wirtschaftswachstums, um innovative Produkte ebenso wie um Verteilungsgerechtigkeit und den Schutz von Persönlichkeitsrechten, aber auch die Verhinderung von freiheitsgefährdenden Marktkonzentrationen oder eine verbesserte bürgerliche Mitbestimmung“, so Dr. Peter Gailhofer. Bei der regulatorischen Betrachtung der Datennutzung müssen aus seiner Sicht zudem ökologische Ziele berücksichtigt werden. „Bislang wurde noch nicht betrachtet, wie sich die verschiedenen Optionen, die Datennutzung und -verwertung zu regeln, in ökologischer Hinsicht auswirken.“ Hier hat der Rechtswissenschaftler nun einen ersten Schritt gemacht: Im Working Paper „Regulierung der Datenökonomie – Ansätze einer ökologischen Positionierung“ des Öko-Instituts hat er gemeinsam mit seiner Kollegin Cara-Sophie Scherf, Wissenschaftlerin im Bereich Umweltrecht & Governance, drei Vorschläge zur Verbesserung der Rechtslage untersucht sowie aus rechtspolitischer und umweltpolitischer Sicht bewertet.

Die erste analysierte Option ist die Schaffung eines sogenannten Dateneigentumsrechts. Heißt: Wer Daten erzeugt, egal ob Privatperson oder Unternehmen, erhält das Recht an diesen Daten. „In dieser Variante soll jeder selbst entscheiden können, ob und an wen er seine Daten herausgibt oder nicht“, erklärt Gailhofer, „so soll vor allem der ökonomische Nutzen der Daten fair verteilt werden.“ Aus Sicht des Öko-Instituts ist dieser Ansatz jedoch nicht geeignet, Marktkonzentrationen zu vermeiden, oder eben auch ökologische Innovationen zu fördern. „Solche Innovationen brauchen schließlich den Zugang zu Daten“, sagt Gailhofer, „darüber hinaus ist anzunehmen, dass die meisten Menschen ‚ihre‘ Daten dorthin geben, wo sie den größten Gegenwert dafür bekommen. Damit ist keine Lenkungswirkung in Richtung einer ökologisch effizienten und innovativen Datennutzung zu erwarten.“

WETTBEWERBSRECHT UND REPRÄSENTATION

Als weiteren Regulierungsvorschlag wurde eine wettbewerbsrechtliche Herangehensweise betrachtet, bei der ein möglichst freier Zugang zu Daten geschaffen und alle möglichen Anwender und Anwenderinnen diese nutzen können sollen. „Dabei könnten vor allem die großen Datensammler wie Google oder Amazon verpflichtet werden, einige ihrer Daten zu teilen“, erklärt der Experte, „damit sollen weitere Konzentrationen auf dem Markt verhindert werden und Daten breiter verfügbar werden, was wiederum Innovationen fördern soll.“ Grundsätzlich könnte ein solcher Ansatz durchaus geeignet sein, für einen besseren Datenfluss, für Wettbewerb und gute Bedingungen für Innovationen zu sorgen. Doch aus umweltpolitischer Sicht sollte man dennoch nicht allein auf Wettbewerb und freie Märkte setzen: „Ein ‚Datenzugang für alle‘ würde zum Beispiel nicht verhindern, dass neue Anwendungen nur darauf ausgerichtet sind, ein ökologisch problematisches Konsumverhalten zu fördern“, so Gailhofer. Das Recht auf „Daten für alle“ wird oftmals als Teil einer „Utopie für Konsumenten und Konsumentinnen“ betrachtet: Indem ein allseitiger Zugriff auf Daten sichergestellt wird, können genau die Entscheidungen vorschlagen werden, die individuellen Vorlieben und Verhaltensmustern am besten entsprechen. In vielen Bereichen, in denen diese Anwendungen eingesetzt werden könnten, sind wir aber – wenn man auf einen ökologischen Wandel setzt – darauf angewiesen, dass sich richtungsweisende Entscheidungen am Gemeinwohl orientieren. „Die Regelung, wer welche Daten in welcher Weise nutzen darf, wird letztlich einen entscheidenden Einfluss darauf haben, ob sich ökologische Ziele in der Digitalisierung verwirklichen oder ob ökologisch nachteilige Verhaltensmuster bald eine noch größere Rolle spielen als bisher“, erklärt der Wissenschaftler vom Öko-Institut.

Als dritte Option betrachtet die Analyse einen Vorschlag, bei dem die Erhebung und Nutzung von Daten durch eine Regulierungsbehörde politisch gesteuert wird. Diese hätte die Aufgabe, dem Missbrauch von Datenmacht entgegenzuwirken, Marktkonzentrationen zu verhindern und zum Beispiel Vermögenswerte, die aus den Daten entstehen, in gesellschaftlich sinnvoller Weise zu investieren. „Es ist allerdings fraglich, ob eine solche zentrale Behörde die große Vielfalt gesellschaftlicher Interessen wirklich abbilden könnte – gerade vor dem Hintergrund der immer stärker fragmentierten Gesellschaft“, sagt der Wissenschaftler, „darüber hinaus hat sie auch aus ökologischer Perspektive Schwächen.“ Fraglich sei etwa, an welchen Regeln sich eine Datenregulierungsbehörde orientieren würde – zumal ökologische Interessen im Vergleich zu anderen grundrechtlichen Rechtspositionen einen relativ schwachen Status im deutschen Recht haben. „Dies könnte dazu führen, dass wiederum das ökologische Gemeinwohl vernachlässigt wird.“

DATENREGULIERUNG – UND JETZT?

Drei Vorschläge, drei aus ökologischer Perspektive unzureichende Ansätze. Doch wohin soll der Weg einer Datenregulierung dann gehen, aus Umweltsicht? Neue Anwendungen, die auf Daten basieren, könnten ein großes Potenzial haben, ökologischen Herausforderungen zu begegnen. Doch auch ihre Risiken sind nicht zu vernachlässigen – mit Blick auf Persönlichkeitsrechte oder politische Prozesse ebenso wie in Hinsicht auf Umwelt und Klima, den Energie- und Ressourcenverbrauch (siehe hierzu ausführlich Artikel „Hinter den Bildschirmen“ auf Seite 12).?

„Das Thema sollte aufgrund seiner immensen Auswirkungen auf ökologische Fragen in der Umweltpolitik als Priorität behandelt werden“, fordert Dr. Peter Gailhofer. „Unsere Analyse zeigt, dass es keine einfachen Lösungen gibt. Sie lässt aber Rückschlüsse zu, wie die Grundzüge einer angemessenen Regulierung aussehen können.“ So seien etwa allgemeine Zugangsrechte deutlich besser dazu geeignet, ökologische Potenziale zu heben und Risiken zu minimieren als Lösungen, die ein exklusives Dateneigentum vorsehen. „Aber auch hier bräuchte es eine weitere Regulierung, die etwa besonders nachhaltige Anwendungen priorisiert. Es ist bei einer rein wettbewerbsrechtlichen Lösung nicht gewährleistet, dass die Interessen von Gemeinwohl und Nachhaltigkeit ausreichend im Blick behalten werden. Man darf die Lösung nicht nur dem Markt überlassen.“ Auch mit Blick auf die Steuerung durch eine Behörde sollten aus Nachhaltigkeitsperspektive Alternativen ins Auge gefasst werden. Vorteile sieht die Untersuchung des Öko-Instituts hier etwa in einer eher dezentralen Organisation der Datenverwaltung auf kommunaler Ebene.

Es gibt also noch viel zu tun auf dem Weg zu einer aus vielen Perspektiven angemessenen Datenregulierung, das betont auch der Jurist Gailhofer: „Sinnvoll wäre ein Datengesetz, das Ziele und Prinzipien der Datennutzung festlegt“, sagt er. Dabei sollten umweltpolitische Ziele eine wesentliche Rolle spielen. „Zudem muss weiter erforscht werden, wie Datenregulierung nicht nur Persönlichkeitsrechten, der Wirtschaft und der Politik gerecht werden kann, sondern auch eine ökologisch nachhaltige Gesellschaft fördert statt die Umweltzerstörung weiter zu beschleunigen.“

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Dr. Peter Gailhofer studierte Rechtswissenschaften und Sozialwissenschaften in Berlin und Madrid und promovierte an der Universität Zürich. Nach seinem Rechtsreferendariat war er zunächst als Rechtsanwalt tätig, seit 2017 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter für den Bereich Umweltrecht & Governance des Öko-Instituts. Hier befasst er sich unter anderem mit dem Thema Recht und Nachhaltige Entwicklung sowie rechtlichen Aspekten der Unternehmensverantwortung.