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Im Fokus

Wald weltweit

Bewahren statt vernichten

Christiane Weihe

Wälder sind weltweit existenziell bedroht. In Brasilien wurden innerhalb des vergangenen Jahres 7.900 Quadratkilometer Regenwald vor allem für die Landwirtschaft abgeholzt. In Indonesien verschwinden Wälder unter anderem für Palmölplantagen, zwischen 1990 und 2015 ging hier etwa ein Viertel der Waldfläche verloren. Die Wälder in Nigeria reduzierten sich im gleichen Zeitraum um etwa 60 Prozent. In Südamerika, Asien und im mittleren Teil des afrikanischen Kontinents liegen zahlreiche Wälder, die eine existenzielle Bedeutung für Menschen, Biodiversität, Umwelt und Klima weltweit haben. Aufgrund ihres Artenreichtums und ihrer Funktion als Kohlenstoffspeicher und Wasserreservoir ebenso wie mit Blick auf den Bodenschutz. Wie die Vernichtung von Wald international verringert werden kann, wird am Öko-Institut aus verschiedenen Perspektiven betrachtet.

Die Wälder rund um den Globus haben zahlreiche wichtige Funktionen, wie Dr. Klaus Hennenberg vom Öko-Institut betont. „Sie sind ein Rohstofflieferant, nicht nur für Holz. Die lokale indigene Bevölkerung findet dort Pflanzen und Tiere als Nahrung sowie für die Heilkunde.“ Die Artenvielfalt tropischer Regenwälder ist legendär. In ihnen haben 50 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten ein Zuhause. Allein in den südamerikanischen Regenwäldern finden sich etwa 90.000 Pflanzenarten, bis zu 70 Ameisenarten leben auf einem einzigen Baum. Eine Vielfalt, die sich durch Abholzung bereits drastisch reduziert hat und weiter massiv bedroht ist.

Gleichzeitig haben Wälder rund um den Globus eine zentrale Rolle für die Umwelt. So dienen sie als Wasserreservoir. „Der Regen wird durch die Bäume abgepuffert und kann dadurch vom Boden besser absorbiert werden, ohne Bäume ist die Gefahr vom Überschwemmungen deutlich größer“, sagt der Senior Researcher aus dem Bereich Energie & Klimaschutz, „wird zu viel Regenwald abgeholzt, gerät der wichtige Wasserkreislauf ins Wanken – mit schwerwiegenden Folgen etwa für das lokale Klima.“ Für den Boden hat der Wald ebenfalls eine wichtige Bedeutung. „Durch die Wurzeln und das Laub sind die Böden geschützt, fällt das weg, droht Bodenerosion.“

Vor allem für das Klima, betont der Wissenschaftler, sind die Wälder weltweit entscheidend. „Sie sind wichtige Kohlenstoffspeicher, werden die Bäume abgeholzt und verbrannt, wird CO2 freigesetzt“, so Hennenberg, „bis ein neu gepflanzter Baum die gleiche Menge Kohlendioxid speichert, vergehen 80 bis 100 Jahre. Besonders hohe CO2-Emissionen können bei der Zerstörung von Wäldern auf Torfmoor freigesetzt werden, da dann aus dem Boden zusätzlich CO2 entweicht. Darüber hinaus wirkt der Klimawandel auf das Wachstum der Wälder, in vielen Fällen wahrscheinlich eher negativ. Die Waldzerstörung hat oft zur Folge, dass Wasserkreisläufe unterbrochen werden und es dadurch in der Region weniger regnet, was dazu führen kann, dass der verbliebene Regenwald zusammenbricht.“

ENTWALDUNG VOR ORT VERMEIDEN

Wie die fortschreitende Entwaldung reduziert werden kann, hat das Öko-Institut im Rahmen des Projektes „Study on financing of REDD+ related activities, and results-based payments pre and post 2020“ analysiert. „REDD+ ist ein UN-Programm, in dem es darum geht, durch finanzielle Anreize den Erhalt und die Schaffung von Wäldern zu fördern“, sagt Dr. Hannes Böttcher aus dem Bereich Energie & Klimaschutz, „finanzschwache Länder sollen von institutionellen und privaten Akteuren Gelder erhalten, wenn sie ihre Wälder schützen und die Entwaldung abnimmt.“ Das Projektteam aus Öko-Institut, dem Center for International Forestry Research und dem Beratungsunternehmen COWI hat nun im Auftrag der Europäischen Kommission 41 Länder verglichen, die finanzielle Unterstützung erhalten, und analysiert, welche Staaten unter REDD+ die erfolgversprechendsten Möglichkeiten zum Waldschutz haben. „Man muss bedenken, dass die Länder sehr unterschiedliche Voraussetzungen haben und die Daten sehr komplex und zum Teil auch unsicher waren“, sagt Senior Researcher Böttcher. „Die Analyse zeigte, dass insbesondere in Malaysia, Ghana, Brasilien, Indonesien und Ecuador hohes Potenzial zum Waldschutz liegt. Die Länder mit dem höchsten Potenzial erhalten aber nicht unbedingt die meisten Gelder,“ so der Wissenschaftler. Insgesamt 19 Milliarden US-Dollar sind zwischen 2008 und 2015 in REDD+ geflossen. Allerdings seien die Länder in unterschiedlich hohem Maße auf finanzielle Unterstützung angewiesen. Deshalb sollte auch bei der Steuerung der Finanzströme eine Priorisierung erfolgen, die neben dem Potenzial zum Beispiel auch berücksichtigt, inwieweit vermiedene Entwaldung in dem Land durchgesetzt und überwacht werden kann.

Wie Entwaldung vor Ort vermieden werden kann, damit befassen sich aktuell auch die Expertinnen und Experten aus dem Bereich Produkte & Stoffströme. Sie haben eine Forschungsreise nach Indonesien durchgeführt, um sich den ökologischen und sozialen Brennpunkten beim Palmölanbau zu widmen, der stark mit Entwaldung verbunden ist. „Schwerpunkt unserer Reise war vor allem, herauszufinden, wie sich Zertifikate und Sorgfaltspflichten auf die Situation vor Ort auswirken, wo die Grenzen solcher Instrumente liegen und wo es Verbesserungsbedarf gibt“, sagt Tobias Schleicher. Dafür wurden zahlreiche Stakeholder-Interviews durchgeführt. „Wir haben auf Java, Sumatra und Borneo mit Behörden, Forschungsinstituten, Unternehmen, Industrieverbänden sowie Kleinbauerngenossenschaften gesprochen“, erklärt seine Kollegin Inga Hilbert. Fest steht dabei heute schon: Zertifikate alleine reichen nicht aus, um die Wälder zu schützen.

NACHHALTIGERE EU-POLITIK VERSÄUMT

Den weltweiten Waldschutz weiter verringern statt ihn zu erhöhen wird nach Einschätzung des Öko-Instituts die Neufassung der EU-Richtlinie zu erneuerbaren Energien, kurz RED II. „RED soll den Anteil regenerativer Energien am Gesamtenergieverbrauch erhöhen – wie das nun geschieht, ist jedoch ein gewaltiger Rückschritt in Sachen Nachhaltigkeit“, sagt Dr. Klaus Hennenberg. So sieht RED II vor, dass im Wärmesektor der Anteil der erneuerbaren Energien um 1,3 Prozent jährlich steigen soll. „Die Wahrscheinlichkeit, dass dafür ein deutlicher Anteil an Holz eingesetzt wird, ist sehr hoch, denn das ist am einfachsten“, so der Senior Researcher, „RED II schafft einen enormen Anreiz für mehr Energieholznutzung in der EU.“ Es ist außerdem wahrscheinlich, dass die verstärkte Nutzung durch Importe bedient werden wird.

„Leider sind die Anforderungen an die Nachhaltigkeit extrem schlecht geregelt“, so Hennenberg. Darüber hinaus kritisiert der Wissenschaftler, dass auch besonders wertvolle Wälder nun schlechter geschützt sind. „Anders als bei Bioenergie aus der Landwirtschaft dürfen in der Forstwirtschaft nun auch Primärwälder und die besonders problematischen Wälder auf Torfmoor für Bioenergie in Europa genutzt werden“, erklärt er. Den Verhandlungsprozess zur RED II hat das Öko-Institut im Rahmen des Projektes „Naturschutz und fortschrittliche Biokraftstoffe“ des Bundesamtes für Naturschutz wissenschaftlich begleitet. Neben der Beratung des Bundesumweltministeriums wurden Analyseergebnisse und ambitioniertere Nachhaltigkeitsanforderungen auf EU-Ebene mit Mitgliedern der EU-Kommission, Industrievertretern und -vertreterinnen sowie NGOs diskutiert. Doch ohne Erfolg. „Die Richtlinie mit ihren schwachen Schutzanforderungen für Wälder gilt bis 2030, leider gibt es erst ab 2025 mit dem Beginn des Review-Verfahrens wieder die Möglichkeit, mehr in Richtung Nachhaltigkeit zu gehen“, sagt Klaus Hennenberg. Bis dahin wird die Richtlinie die existenzielle Bedrohung der Wälder weltweit noch verstärken.

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Zu den Schwerpunkten der Arbeit von Dr. Klaus Hennenberg gehören unter anderem Nachhaltigkeitskriterien zur Biomasseproduktion, dabei insbesondere die Themen Biodiversität, Boden und Wasser. Im Bereich Energie & Klimaschutz befasst sich der Senior Researcher auch mit Modellierungstechniken und statistischen Analyseverfahren.