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Im Fokus

Die endliche Vielfalt

Nachhaltige Produktion von Biomasse

Christiane Weihe

Das Angebot ist groß. Da gibt es Nahrungsmittel, zum Beispiel Getreide, Obst oder Zucker. Wir kennen auch den stofflichen Einsatz, so etwa von Holz für Papierprodukte und Werkstoffe, von Zuckerpflanzen in Biokunststoffen, von Baumwolle in Textilien. Nicht zu vergessen Bioenergie: Sie stellt weltweit 80 Prozent der regenerativen Energien. Biomasse ist überall. Kein Wunder, sie hat ja auch viel zu bieten. Doch wie wird diese Biomasse angebaut? Wann ist sie wirklich umwelt- und klimafreundlich? Und welches Potenzial steckt in ihr – auch in punkto Nachhaltigkeit?

„Biomasse ist sehr vielfältig einsetzbar und die Nachfrage wird sich weiter erhöhen“, sagt Hannes Böttcher vom Öko-Institut. Der Senior Researcher aus dem Institutsbereich Energie & Klimaschutz weiß aber auch: diese Nachfrage wird nicht so einfach zu decken sein. „Die Biomasseproduktion lässt sich nicht beliebig steigern.“ Denn: Die fruchtbaren Flächen sind global begrenzt, alleine für die Ernährungssicherung müsste die weltweite Anbaufläche vergrößert werden (siehe hierzu auch „Eine Frage der Moral. Die Nutzung von Biomasse“ auf Seite 12). Auch auf den bereits bewirtschafteten Flächen begrenzen vielerorts Nachhaltigkeitsaspekte die Ausweitung der Produktion. Intensive Bewirtschaftung durch die Anwendung von Pestiziden, nicht nachhaltige Bewässerung, fehlenden Bodenschutz oder den Einsatz von Monokulturen kann negative Auswirkungen auf Umwelt und Klima haben. „Natürlich hat die Nutzung von Biomasse unbestritten viele Vorteile zum Beispiel für das Klima: Sie wächst nach, kann Kohlenstoff langfristig in Holzprodukten speichern, fossile Energieträger ersetzen und dabei Treibhausgase einsparen. Ihrem Potenzial sind aber auch klare Grenzen gesetzt, wo sie mehr Schaden als Nutzen bringt“, so Böttcher, „so wird etwa in Russland viel Holz in intakten Wäldern eingeschlagen und gleichzeitig wenig nachgepflanzt, was zur Degradation der Wälder führt. Die Gesamtklimabilanz eines solchen Vorgehens fällt klar negativ aus, egal wofür das Holz genutzt wird.“

Umwelt und Klima

Welche negativen Auswirkungen kann die Herstellung zum Beispiel von Bioenergie konkret nach sich ziehen – und wie lässt sich dem begegnen? Diesen Fragen widmen sich die Experten des Öko-Instituts derzeit für die Europäische Kommission im Projekt ReceBio (Study on Impacts on Resource Efficiency of Future EU Demand for Bioenergy). Gemeinsam mit fünf Partnern, darunter das International Institute for Applied Systems Analysis (IIASA) und das Institute for European Environmental Policy (IEEP), analysieren sie den Einfluss der Bioenergieproduktion für die EU auf die Ressourceneffizienz. Dafür werden aktuelle Bioenergienutzungen, ihre Auswirkungen auf die Umwelt sowie Wechselwirkungen mit Sektoren, die Biomasse nutzen, untersucht. Darüber hinaus diskutieren die Forschungspartner im Laufe des Jahres 2015 auf Grundlage unterschiedlicher Szenarien, die eine unterschiedliche Intensität der Biomassenachfrage annehmen, die damit verbundenen Auswirkungen auf Umwelt und Ressourcen. „Biokraftstoffe betrachten wir im Projekt ReceBio nicht, wir konzentrieren uns auf die Biomassenutzung für Strom und Wärme, so etwa Holzpellets. Diese sind übrigens für die EU ein wichtiges Importgut, vor allem Holzpellets aus Nordamerika“, erklärt Böttcher.

Eine bereits abgeschlossene Literaturstudie im Rahmen des Projektes widmete sich den möglichen Einflüssen der Bioenergieproduktion auf Biodiversität, Böden, Wasser und Treibhausgasemissionen. „In punkto Biodiversität ziehen etwa die Intensivierung der Landnutzung sowie vor allem Landnutzungsänderungen negative Folgen nach sich, wenn zum Beispiel Wälder gerodet und in Acker- oder Weideland umgewandelt werden.“ Landwirtschaftliche Böden können vom Biomasseanbau profitieren – „zum Beispiel durch Kurzumtriebsplantagen, auf denen schnell wachsende Pflanzen wie zum Beispiel Weiden angebaut werden und die insgesamt weniger Bodenbearbeitung verlangen. Das kann wiederum zu einer Anreicherung des Bodenkohlenstoffs führen.“ Die Böden können aber auch negativ beeinflusst werden. „Dies geschieht etwa durch Bodenerosion, den Verlust von Nährstoffen oder durch Versalzung.“ Auch Wasser und Klima sind vom Bioenergieanbau betroffen. „Beim Wasser finden wir Probleme vor allem bei der übermäßigen Wassernutzung sowie der Wasserverschmutzung etwa durch Pestizide“, sagt der Experte vom Öko-Institut, „beim Klima gibt es positive und negative Auswirkungen, die Gesamtbilanz ist extrem abhängig von der gesamten Wertschöpfungskette, also der Frage, wie Biomasse angebaut, geerntet, transportiert und verarbeitet wird und welche Verwendung sie erfährt. Dazu muss man jeden Schritt der Kette kennen.“ Für Biokraftstoffe besteht in der EU eine Pflicht zur Zertifizierung, die Mindeststandards für Treibhausgaseinsparungen und andere Umweltauswirkungen vorschreibt. Produzenten und Importeure müssen daher für ihre Produkte die Fragen in diesen Themenfeldern beantworten können.

Nachhaltigkeit sichern

In ihrer Studie haben die Wissenschaftler viele Vorschläge zusammengetragen, wie die negativen Konsequenzen des Biomasseanbaus verringert werden können. „Wichtige Schritte sind etwa der Schutz von Gebieten mit hoher Biodiversität sowie der Verbleib von totem Holz oder alten Bäumen in Wäldern“, sagt Hannes Böttcher, „beim Thema Böden ist es wichtig, in Gebieten mit sensiblen Bodenstrukturen die Entnahme von Ernterückständen und Baumstümpfen einzuschränken oder zu verbieten.“ Zentral für den Schutz der Wasserressourcen sei es, in wasserarmen Regionen die Überbeanspruchung der Wasserreserven sowie generell die Verschmutzung zu vermeiden. „Auch mit Blick auf die Klimabilanz von Bioenergie lässt sich einiges tun“, so Böttcher, „Böden, die reich an Kohlenstoff sind, zum Beispiel Moorböden, sollten zum Beispiel nicht umgebrochen, alte Wälder gar nicht und Wirtschaftswälder nicht übermäßig beansprucht werden. Das heißt zum Beispiel, dass nie mehr Holz eingeschlagen wird als nachwächst.“

Neben diesen sehr konkreten Vorschlägen für mehr Nachhaltigkeit beim Biomasseanbau gibt es zahlreiche grundlegende Ansätze, wie die Auswirkungen auf Umwelt, Klima und Gesellschaft verringert werden können. „Eine Maßnahme sind etwa Zertifizierungen für Biomasseprodukte, die eine nachhaltige Produktion gewährleisten“, sagt der Wissenschaftler, „ein Beispiel hierfür ist das FSC-Siegel des Forest Stewardship Council, das verantwortungsvolle Waldbewirtschaftung fördert.“ Eine Zertifizierung, die jedoch freiwillig ist. Abkommen mit Produzentenländern und klare Importstandards der EU könnten deshalb einen weiteren wichtigen Beitrag leisten. Diese sollten EU-weit gelten wie das seit einigen Jahren bestehende FLEGT-Abkommen (Forest Law Enforcement, Governance and Trade), das den illegalen Holzeinschlag bekämpfen soll. Die derzeitigen EU-Nachhaltigkeitsstandards für Biokraftstoffe gehen Hannes Böttcher allerdings nicht weit genug. „Schwierig ist, dass die Standards nur für flüssige Biokraftstoffe gelten, nicht für feste Biomasse oder andere Verwendungen der Biomasse. So können Verdrängungseffekte auftreten. Denn aufgrund der begrenzten Standards kann es passieren, dass die nachhaltige und zertifizierte Produktion etwa von Raps dann für Biosprit verwendet wird und damit gleichzeitig die Auswirkungen der Produktion von Lebensmitteln, in diesem Fall Speiseöl, schlechter werden, da es hier diese Nachhaltigkeitsstandards nicht gibt“, sagt er.

Recycling und Effizienz

Durch die Ausweitung solcher Maßnahmen kann Biomasse nachhaltiger werden. Eines wird sie jedoch nie können: die fossilen Energien vollständig ersetzen. In der EU wird das nachhaltige Bioenergiepotenzial auf etwa 20 Prozent des momentanen Energieverbrauchs geschätzt. Dieses ist stark von den Ambitionen anderer Länder abhängig, verstärkt Biomasse einzusetzen. „Das Ziel kann es nicht sein, fossile Energien und Materialien einfach mit Biomasse zu ersetzen. Das Potenzial haben nachwachsende Rohstoffe nicht“, sagt Hannes Böttcher. Den Begriff der Bioökonomie, also einer bio-basierten Wirtschaft, sieht er daher auch kritisch. Ihm geht er nicht weit genug. „Die Produktion von Biomasse ist zwar regenerativ, aber sie ist trotzdem endlich. Also brauchen wir mehr als das – so etwa den Ausbau des Recyclings sowie eine höhere Effizienz der Biomassenutzung.“ Wichtige Schritte auf diesem Weg sind für den Wissenschaftler zum Beispiel, Stoffkreisläufe zu schließen sowie Nachernteverluste zu vermeiden (siehe hierzu „Eine Frage der Moral. Die Nutzung von Biomasse“ auf Seite 12). „Wichtig sind auch Maßnahmen für eine bessere Verwertung von Abfällen und Reststoffen, so etwa die Getrennthaltungspflicht für biologische Abfälle, die in der EU eigentlich gilt, aber noch nicht überall umgesetzt wurde.“ Denn ja, das Angebot an Biomasse ist groß. Aber eben nicht groß genug, um es zu verschwenden. Christiane Weihe