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Mehr als einmal

Der Kreislauf von Verpackungen

Christiane Weihe

Der Joghurt in unserem Kühlschrank, das Shampoo in der Dusche, der Käse auf dem Abendbrottisch – sie alle haben eins gemeinsam: Sie kommen in der Regel nicht unverpackt zu uns. 18,9 Millionen Tonnen Verpackungen fielen 2019 alleine in Deutschland an – das sind durchschnittlich etwa 227 Kilogramm pro Kopf. Sie bestehen aus Papier und Glas, aus unterschiedlichen Sorten von Metallen oder Kunststoff. Und damit aus wertvollen Rohstoffen, deren Gewinnung und Verarbeitung sich auf Umwelt und Klima auswirken. Wie kann der Verbrauch dieser Rohstoffe deutlich reduziert und wie können sie besser als bisher in einem Kreislauf geführt werden? Oder anders gefragt: Wie lässt sich die Circular Economy bei Verpackungen verbessern?

„Verpackungen haben wichtige Aufgaben. Sie schützen Produkte, halten zum Beispiel Lebensmittel frisch“, sagt Günter Dehoust, Senior Researcher am Öko-Institut. „Wichtig ist, dass wir so wenig Verpackungen wie möglich nutzen und diese wo immer möglich wiederverwenden oder recyceln, um den Ressourcenverbrauch so weit wie möglich zu reduzieren.“ Mit Blick auf die Etablierung einer Circular Economy ist ein Blick auf Verpackungen nicht nur aufgrund der hohen Mengen sinnvoll. Sie sind zudem meist nicht lange im Gebrauch, es gibt einen relativ hohen Durchsatz, so dass Recycling sehr lohnenswert ist. „Darüber hinaus wird es den Verbraucher*innen schon seit 1991 einfach gemacht, Verpackungen getrennt zu sammeln und im dualen System recyceln zu lassen.“

Im aktuellen Projekt „Ökobilanz zu den Leistungen der dualen Systeme im Bereich des Verpackungsrecyclings“ hat das Öko-Institut dieses Recyclingsystem genauer betrachtet. Die Analyse wurde von den dualen Systemen beauftragt – sie organisieren die Sammlung, Sortierung und Verwertung von Verpackungsabfällen. „Wir haben eine Ökobilanz ihrer Arbeit angefertigt und uns dabei auf das Treibhausgaspotenzial konzentriert, aber etwa auch den Energieaufwand und das terrestrische Versauerungspotenzial betrachtet“, sagt der Abfallexperte vom Öko-Institut. Die Verwertung von 6,6 Millionen Tonnen Verpackungsabfällen erwies sich in Bezug auf die Treibhausgasemissionen und weitere Umweltkriterien vorteilhaft im Vergleich zur Nutzung von Primärrohstoffen und -brennstoffen anstelle der hergestellten Rezyklate und Ersatzbrennstoffe. „2020 wurden pro Tonne Sammelmenge 297 Kilogramm CO2-Äquivalente eingespart, insgesamt knapp zwei Millionen Tonnen. Zudem wurden insgesamt vier Millionen Tonnen Sekundärrohstoffe in den Wertstoffkreislauf zurückgeführt.“ Die Wissenschaftler*innen geben zudem Handlungsempfehlungen – so etwa, Mischkunststoffe verstärkt zu recyceln und vor allem, an die Hersteller der Verpackungen gerichtet, deren Recyclingfähigkeit zu verbessern.

Positive und negative Trends

Manche Trends stimmen beim Thema Verpackungen durchaus optimistisch. Beispielsweise der steigende Anteil von Waren, die unverpackt angeboten werden, oder die Option wiederverwendbarer Gefäße. Und bei den Verpackungen wurden 2019 laut Umweltbundesamt derzeit in Deutschland zumindest 71,6 Prozent der Verpackungen dem Recycling zugeführt. Besonders hoch lagen die erreichten Quoten etwa bei Glas (84,1 Prozent) sowie Papier und Karton (89,5 Prozent). Bei Kunststoffen waren es 55,5 Prozent. Allerdings hat sich das Verpackungsaufkommen seit 1991 deutlich erhöht – von 15,6 auf 18,9 Millionen Tonnen. Ursachen hierfür sieht Günter Dehoust etwa in einer Zunahme des Onlinehandels oder der Corona-Pandemie, die dazu geführt hat, dass sich viele Menschen unter anderem Essen nach Hause liefern lassen.

Weniger Verpackung heißt aber auch nicht automatisch: ein besserer Kreislauf. „Verpackungen, die mit wenig Material auskommen, sind oft schwer recyclingfähig – etwa bei Folien, die aus mehreren Schichten unterschiedlicher Materialien bestehen. Grundsätzlich muss man sich jeden Ansatz genau anschauen und prüfen. So könnte etwa bei wiederverwendbaren Gefäßen der Aufwand für die Reinigung und den Transport den ökologischen Vorteil der Ressourcenschonung im Einzelfall auch wieder aufheben.“ Und auch bei Mehrweg gebe es unterschiedliche Qualitätsstufen. „Wenn ein Getränkeanbieter Spezialflaschen nutzt, müssen diese weiter transportiert werden, was wiederum mehr CO2-Emissionen bedeutet.“ Der Experte vom Öko-Institut plädiert daher dafür, alle verpackten Produkte genau zu betrachten, Vor- und Nachteile der Alternativen abzuwägen.

Der vielleicht wirksamste Weg, Verpackungen zu reduzieren, führt über den Preis. Noch bis 2024 beschäftigt sich Dr. Johannes Betz, Wissenschaftler aus dem Bereich Ressourcen & Mobilität, für das Umweltbundesamt mit mehreren Projektpartnern mit der Frage, wie ökonomische Instrumente den Verpackungsverbrauch verringern und das Kunststoffrecycling stärken können. „Das könnte zum Beispiel eine Abgabe auf Einwegverpackungen sein“, sagt er. „Dieses Geld könnte dafür genutzt werden, die Entwicklung von Rezyklaten voranzutreiben und Recyclinginfrastrukturen auszubauen.“

Mit den Möglichkeiten der Regulierung befasst sich das Öko-Institut auch in einem weiteren aktuellen Projekt für das Umweltbundesamt, das sich dem § 21 des Verpackungsgesetzes widmet. „Dieser Paragraf regelt die Lizenzgebühren, die jene bezahlen müssen, die Verpackungen auf den Markt bringen. Ziel ist es, hier eine ökologische Lenkungswirkung zu erreichen – insbesondere mit Blick auf die Recyclingfähigkeit der Verpackungen“, erklärt Dehoust. Dieser Paragraf soll nun weiterentwickelt werden – hierfür hat das Öko-Institut gemeinsam mit der cyclos GmbH und dem Institut cyclos-HTP Handlungsempfehlungen entworfen. „Ein sinnvolles ökonomisches Instrument wäre etwa eine Sonderabgabe auf nicht recyclingfähige Verpackungen.“

Auch die Konsument*innen haben es in der Hand, die Verpackungsmengen zu reduzieren. „Leider sind wir Menschen aber sehr bequem und das ökologisch Sinnvollere ist häufig das Aufwändigere“, sagt der Wissenschaftler. „Daher muss auch hier bei den Preisen angesetzt werden, damit die Verbraucher*innen und die Produzent*innen zur nachhaltigeren Alternative greifen.“ Wie das funktionieren könnte, zeigt das Projekt „Ökologische Verbrauchssteuer zur umweltfreundlichen Lenkung des Getränkeverpackungsmarktes“ im Auftrag des NABU. „Durch eine Steuer auf Getränkeverpackungen könnten in Deutschland jährlich 2,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente eingespart werden“, sagt Dehoust. Eine solche Abgabe sollte laut der Analyse, die das Öko-Institut gemeinsam mit Prof. Dr. Stefan Klinski von der HWR Berlin durchgeführt hat, bei den Primärmaterialien ansetzen. „So erhalten alle Verpackungen einen spezifischen Steuersatz, der sich an ihrem Umweltverbrauch orientiert. Damit wird der Ressourcenverbrauch für Verpackungen verteuert. Das setzt Anreize, Ressourcen einzusparen, fördert Mehrwegverpackungen und den Einsatz von Rezyklaten.“ So würden laut den Berechnungen des Projektteams alkoholfreie Getränke in einer 1-Liter-Einweg-PET-Flasche um 62 Cent teurer, bei Mehrweg wären es in der gleichen Größe nur sieben Cent, wenn die Flasche 18 Umläufe erreicht.

Verpackungen in Südostasien

Das Öko-Institut beschäftigt sich nicht nur mit Verpackungen in Deutschland, es stellt seine Erfahrungen aus vielen Projekten und seine Expertise auch in anderen Ländern zur Verfügung. So unterstützen die Wissenschaftler*innen gefördert von der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) die politischen Entscheidungsträger*innen in Malaysia, Indonesien und Thailand. „Diese Länder haben ein massives Abfallproblem und die bisherigen Maßnahmen zielen oft auf Recycling, Verbrennung und Deponierung ab“, sagt Senior Researcher Siddharth Prakash, „notwendig sind zusätzliche politische Maßnahmen und Standards, die sich auch hier der Verpackungsreduktion widmen.“

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Nachhaltige Stoffströme und die Kreislaufwirtschaft stehen im Mittelpunkt der Arbeit von Günter Dehoust. Der Diplom-Ingenieur für Umweltschutz widmet sich im Bereich Ressourcen & Mobilität des Öko-Instituts schon seit über 30 Jahren Abfallwirtschaftskonzepten und berät Politik und Unternehmen.