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Editorial

Nicht immer hübsch, aber unverzichtbar

Das Vorwort von Jan Peter Schemmel, Sprecher der Geschäftsführung des Öko-Instituts

Als besonders hübsch gilt sie nicht. Und von ihrem Ruf wollen wir gar nicht erst reden. Doch die Termite hat eine unschlagbare Eigenschaft: Sie kann die Qualität von ausgelaugten Böden entscheidend verbessern. Damit ist sie nur eine von unzähligen Arten, die eine wichtige Bedeutung für das Wohlergehen der Natur haben – und damit auch für uns. Denn die Biodiversität besticht nicht nur durch die Schönheit unterschiedlicher Pflanzen- und Tierarten. Die genetische Vielfalt, der Artenreichtum und die Vielfalt der Ökosysteme sind unverzichtbar für unser Leben. Egal, ob wir auf die Bestäubung durch Bienen oder die Filterung der Luft durch die Bäume in meinem Kiez schauen.

Trotzdem schützen wir die Biodiversität nicht adäquat, im Gegenteil: Als Konsequenz unseres Handelns sterben laut dem Naturschutzbund Deutschland (NABU) weltweit jeden Tag 150 Arten aus. Zudem gehen immer mehr wertvolle Ökosysteme verloren. Dabei geht es beim Schutz der Biodiversität nicht minder um unsere Lebensgrundlagen als beim Klimaschutz.  Zudem ermöglicht Biodiversität eine bessere Anpassung an das sich rasant ändernde Klima: Sie trägt zu höherer Resilienz bei und erweitert mit ökosystembasierten Anpassungsmaßnahmen die Handlungsoptionen. Und die Natur hilft aktiv beim Klimaschutz: So speichern nicht nur Bäume CO2, sondern auch Moore oder Graslandschaften. Aber auch andersherum gilt: Ohne Bewältigung der Klimakrise wird der Verlust der Biodiversität nicht zu stoppen sein.

Natürlich sollte die Weltgemeinschaft bei der Biodiversitätskonferenz in Kunming im Mai 2022 anspruchsvolle Ziele zum Ausbau von Naturschutzgebieten beschließen. Aber Biodiversität umgibt uns überall. Sie ist auch das Spatzennest in der Regenrinne, die Mücke in Ihrem Schlafzimmer, der Fluss in unserer Stadt und die Insektenpopulation in den Feldern. Deswegen können wir nicht einfach einen schützenden Zaun um sie ziehen und alles wird gut. Wir müssen so leben, konsumieren und produzieren, dass wir die biologische Vielfalt nicht weiter reduzieren, sondern erhalten. Daher sollte auch die Reduzierung des Pestizideinsatzes auf der Konferenz diskutiert werden. Gleichzeitig stellt sich aber auch die Frage, welche Chancen und Risiken für die Biodiversität in den wachsenden Möglichkeiten der Digitalisierung und der Gentechnik  liegen und wie wir damit sinnvoll umgehen können? Diese Fragen müssen dringend beantwortet werden.

Welches Wunder die Natur ist, zeigt sich für mich auch immer wieder daran, wie viel wir von ihr lernen können. Ich denke da etwa an den Lotuseffekt, bei dem Schmutz und Wasser einfach abperlen. Oder den Klettverschluss, der ebenso seine Entsprechung in der Natur hat. Welches sind Ihrer Meinung nach besonders wegweisende Innovationen, die wir der Natur zu verdanken haben?

Ihr

Jan Peter Schemmel

j.schemmel@oeko.de